Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри


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setzen, hatte er ums Leben niemand anderem überlassen. Harro mußte ihn machen lassen. Er verlangte, daß man es ihn zur Nachtzeit tun lasse, und daß ihm niemand dabei begegne. Dann standen die Fenster oben wieder eines Morgens weit offen und der Sommerwind spielte mit den seidenen Vorhängen.

      Im Morgengrauen war ein Förster dem Thorsteiner Märt begegnet, wie er von der Römerwiese kam, verstört und befleckt, mit einem Spaten und einem Eimer in der Hand. Am Morgen war er wieder bei seiner Arbeit, grimmig und finster. Am Abend, als er an der Stalltüre lehnte, kam sein Herr auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte:

      »Die Frau Gräfin läßt dich grüßen, Märt.«

      Märt brummte etwas Unverständliches.

      »Freut's dich nicht, Märt? Wir werden sie bald miteinander auf die Terrasse tragen.«

      Märt hob seine trüben Augen.

      »Mit dem Herrn Grafen sprechen möcht ich.«

      »Na, Märt, ich steh doch vor dir.«

      Aber er deutet auf den Turm dort. Harro steigt mit ihm hinauf in das kleine Zimmer, in dem ihm das Wunderbarste geschehen.

      »Herr Graf, ich hab's getan.«

      »Ja, im Festsaal... ich danke dir.«

      Aber er schüttelt. »Nein, das andere...«

      »Märt, was willst du...«

      »Das Blut und das blutige Zeug... auf der Römerwiese hab' ich's begraben. Da schluckt's die Erde. Die muß es schlucken, das Blut. Daß es hinunterläuft zu den Unterirdischen... daß sie davon trinken und anschwellen und unter dem Boden dahinlaufen, immer weiter und weiter, bis sie den finden, der es getan hat. Und ein Vaterunser dazu gebetet hab' ich auch. Vergib uns unsere Schuld.« Märts überwachte Augen glühen aus seinem grotesken Kopf, jedes einzelne Haar sträubt sich und seine hornigen Riesenhände schlagen auf den Tisch, der davon zittert.

      »Wie wir vergeben, hab' ich ausgelassen.«

      Harro schüttelt und würgt es... etwas Unbekanntes, wie wenn wieder eine Hand nach ihm griffe.

      »Was soll das, Märt? Warum muß ich das hören, du marterst mich.«

      Aber der Märt redet weiter. »Der Herr Graf hat es gehört .... Sie gehen unter dem Boden, überall ist Boden, überall können sie hin .... Und dann klopfen sie an unter den Sohlen. Von dem, der das Blut vergossen hat. Und dann zuckt es ihm in den Füßen. Er muß laufen.« Der entsetzliche, der rasende Haß in seinem Gesicht. »Laufen muß er Tag und Nacht.« Seine Faust kracht auf dem Tisch. »Und wenn er ruhen will, sie leiden's nicht, sie klopfen immer weiter. Sie hetzen ihn um die ganze Welt herum oder in einer Stube im Kreis. Es ist ihnen gleich... Und sie gehen schnell. Jetzt schon haben sie ihn und ablassen tun sie nicht, bis er ganz bei ihnen ist. Ha, Polizei! Fängt einen und weiß nicht, ob sie ihn behalten will, und macht ein Geschwätz und fragt die Leute, die nie etwas dabei zu tun gehabt haben. Herr Graf, wir brauchen sie nicht. Wenn sie wieder kommen, lassen Sie mich die Kerls vom Hofe jagen. Und Herr Graf, wenn einer einmal kommt, der die Füße nicht still halten kann und tut, als brenne es unter ihm, der war es, den zeigen Sie mir.«

      »Märt, du bist entsetzlich. Wenn die Frau Gräfin dich so sähe.«

      Märt warf seinen Kopf auf den Tisch, auf seine Arme.

      »Märt, das fühlst du selber, daß sie dich nicht so sehen dürfte. Sie wäre traurig, Märt. Der Unglücksmensch, der das getan hat, war doch kein Mörder. Er wird selbst toderschrocken sein über das, was er angerichtet...«

      Märt sah auf und sagte trotzig: »Das glauben der Herr Graf selber nicht.«

      »Aber Märt, natürlich glaub' ich's. Ich habe nie einen andern Gedanken gehabt... Märt, auf was für Wegen läufst du. Dein Zauberwerk ist schauerlich. Gräßlich ist's. Mit dem Blut, das aus ihrem lieben Herzen geflossen, willst du einen Höllenbann ausüben? Zum Ekel bist du mir, Märt, mit deinem scheußlichen Aberglauben! Wenn mich nicht die stärksten Bande mit dir verbänden, so würde ich jetzt sagen: pack deine Sachen und geh aus meinem Umkreis.«

      Märt zitterte vom Kopf bis zum Fuß. »Das tun der Herr Graf nicht. Ich kann ja bloß hier leben auf dem Thorstein. Da müßte mir der Herr Graf gleich den Strick dazu geben.«

      »Ich tu es auch nicht, das weißt du sehr wohl. Aber sage selbst, wenn die Gräfin davon erführe – –«

      »Aber daß der Herr Graf den laufen lassen, der das getan hat. Die Frau Gräfin, daß man sie aufschnallen muß auf einen Tisch ...«

      »Das hat sie uns gerettet, Märt.«

      »Ja, wenn es wahr ist. Sie wird doch nie lachen und in Silberkleidern herumgehen und den jungen Herrn auf dem Arm tragen. Ich hab's auch ganz allein gemacht, daß der Herr Graf nichts damit zu tun haben. Und wenn's ein Höllenbann ist, so kommt es auf mich ganz allein, aber der, der es uns angetan hat, der soll nimmer lachend herumlaufen und in den Spiegel gucken und Glitzerzeug an sich hinhängen.«

      »Märt, komm zu dir. Sobald die Leibwache des Doktors fort ist, so nehm ich dich zu der Gräfin. Wenn du sie siehst, wird es dir besser. Sie wird ja wieder gesund.«

      Und Harro ging mit einem schweren Druck am Herzen die Treppe hinunter. Märts wilder und düsterer Unsinn quälte ihn, und es war doch etwas dabei, das ihn rührte. Und Märts dämonische Rachelust, erweckte die denn gar kein Echo in ihm? Wenn Märt recht hätte, wenn es einen Menschen gäbe, der ihnen nachgeschlichen, die Waffe in der Faust und nach dem liebevollsten Herzen zielend? Grausam und feig zugleich und nachher verschwindend, als habe der Boden ihn aufgenommen, und jetzt sich seiner Untat freuend? Nein, das war ein Phantasiezerrbild aus einem Kolportageroman. Märts Wildheit hatte ihm das Bild suggeriert. Und er wanderte im Hause herum, und es litt ihn nirgends, als finge Märts Zauber bei ihm zu wirken an.

      Und Rosmaries Zimmer ist ein verschlossenes Paradies. Sie liegt da und hat heute zum erstenmal ihren linken Arm losbekommen und ihre Kissen, und Babette hatte angefangen ihr Haar zu entwirren. Solange Schwester Johanna es duldet. Dann hat sie plötzlich aufhören müssen, und nun liegen die goldenen Haarsträhne über das Bett zerstreut und das Sommerwindchen spielt mit den Enden. Schwester Johanna hat ihre grobe, ganz geräuschlose Häkelarbeit in der Hand, man meint fast, sie hätte ein wenig rote Wangen. Und sie muß von dem Hause erzählen, des Herrn Professors Privatklinik, wo sie arbeitet.

      Und Rosmarie hört ihr zu und macht sich ihre Gedanken über das feine blasse Mädchen und ihren Herrn Chef. Daß sie bei all den schwer Operierten wacht die erste Nacht. Immer sie, daß der Herr Professor das niemand anderem anvertraue.

      »Da sehen Sie auch viel Jammer, Schwester Johanna.«

      »Man sieht viel, ja ... aber Besuche dürfen da nie herein. Wie der Herr Graf.«

      »Müssen die immer allein liegen und leiden, die Armen?«

      »Manchen lese ich ein paar Worte vor, wenn sie es sehr verlangen, Durchlaucht. Aber ich habe noch nie so Angst gehabt wie damals, als ich den Herrn Grafen hereinließ.«

      »Es hat mir gut getan, Schwester Johanna, und meinem Manne auch; nun laßt ihr mich ja so allein liegen.«

      »Es hätte auch Frau Gräfin töten können.«

      »Ach, an der Freude stirbt man nicht. Der Schrecken, ja mittags, als ich den großen Schrecken hatte, das hat mir weh getan. Das hat mich leiden gemacht.«

      »Und auf zweiundsiebzig ist der Puls auch nicht wieder gekommen, bis jetzt noch nicht, Frau Gräfin.«

      »Das will ich Ihnen sagen, warum. Weil ihr immer den Herrn Grafen hinausschickt und er traurig da herumgeht, und darum bin ich auch bekümmert, und wie soll mein Herz da überhaupt besser werden.«

      »Bis morgen, Durchlaucht,« schmeichelt Schwester Johanna. »Nur noch bis morgen, da werden Sie auf die Veranda getragen.«

      »Und soll ich da allein liegen?«

      »Nein, der Herr Graf muß auch dabei sein.«

      »Ach,


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