Irren ist göttlich. Daniel Sand

Irren ist göttlich - Daniel Sand


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Glasmeister.

      »Warum sieht man mein Leben nicht, das sind ja alles nur Worte?«, meinte er und beobachtete, wie diese Worte in die Scherbe eintauchten.

      »Oh, ähm, man kann es ... also ... sehen, wenn man ... also ... sehr gute ... also ... Augen ... ähm ... hat.«

      »Wie gute?«

      »Nun ... also ... ähm ... so gute, wie Thromokosch ... und die ... ähm ... haben wir ... also nicht.«

      »Schade.«

      » ... Ja«, murmelte der Glasmeister, ohne dass es ihn wirklich zu stören schien, »lassen Sie mir ... ähm, ein paar Augenblicke, ich studiere ... gerade mal ihren Fall.«

      Thariel wartete geduldig und beobachtete dabei die Schweißperlen auf der Stirn seines Gegenübers. Es dauerte zwar mehr als ein paar Augenblicke, aber er traute sich nicht, etwas zu sagen. Der Glasmeister blickte konzentriert in die Scherbe, in der immer wieder Lichtreflexe auftauchten als wären es Fische, die kurz die Wasseroberfläche streifen und dann wieder in den Tiefen verschwinden. Endlich hob er den Blick. Verlegen rieb er sich die Augen.

      »Sind Sie sicher, wirklich nichts ... ähm ... ein bisschen und ohne Absicht ... angestellt zu haben?«

      Thariel dachte nach. Er dachte gründlich nach, doch ihm wollte nichts einfallen.

      »Manchmal ziehe ich die Stiefel nicht aus, wenn ich nach Hause komme«, meinte er schließlich etwas ratlos.

      »Stiefel ... gut ... Stiefel ... und dann, also dann ... treten Sie mit den Stiefeln dann vielleicht ... also auf andere Leute ein?«

      Hoffnung schimmerte in den grauen Glasmeisteraugen.

      »Nein, ich ziehe sie dann später aus.«

      »Ohne jemanden ... also zu treten ... nie?«

      »Nie.«

      »Hmmm«, der Glasmeister starrte lange auf die Wolke, ganz so, als wolle er ihr auf diese Weise ihr Geheimnis entlocken.

      »Wer bist ... du ... Wer ... ähm ... bist du?«, wendete er sich jetzt direkt an sie, was wohl ein Witz sein sollte, wofür sein röchelndes Lachen sprach. Unruhig lief die geduckte Gestalt durch den grauen Raum.

      »Bitte kommen Sie, also ich werfe Sie nicht raus ... aber kommen Sie bitte heute Nachmittag wieder. Das wäre, also das wäre wirklich, also am besten. Ich vertiefe mich dann noch, ähm, in Ihren Fall ... und wenn ich ... in ihm nicht, also nicht verloren gehe, sehen wir uns nach der Mittagspause ... also nicht in der Tiefe des Falls ... verloren gehe. Das meine ich.«

      Offenbar sollte die letzte Bemerkung wieder ein Scherz sein. Warum versuchte sich der Glasmeister ständig an Witzen, fragte sich Thariel, bevor er sich verabschiedete.

      »Bis heute Nachmittag also und vielen Dank für Ihre Mühe«

      »Vorausgesetzt«, setzte der Glasmeister wieder an, »ich, also ... verliere mich ... im Fall ... ähm, verliere mich nicht im …«

      Thariel schloss die Tür hinter sich, bevor der Glasmeister seinen Witz beenden konnte. Als er im Flur stand, überlegte er kurz, ob er wieder durch all die Türen gehen oder einfach geradeaus laufen sollte. Er entschied sich schließlich doch für die sichere Variante. Rechts, links, rechts, links und so weiter.

      Im Eingangsbereich saß immer noch die junge Frau. Sie verdrehte die Augen, als sie Thariel kommen sah.

      »Entschuldigung, muss man eigentlich wirklich durch all die Türen, obwohl am Ende des Flurs das Büro des Glasmeisters liegt?«, fragte Thariel freundlich.

      Die Frau begutachtete ihre Fingernägel.

      »Nein, Sie können auch einfach geradeaus durchgehen.«

      »Warum haben Sie mir dann vorhin diesen komplizierten Weg genannt?«

      »Ich kann Sie nicht leiden.«

      »Aber ... Sie sitzen hier doch, um die Leute zu informieren.«

      »Nein, das habe ich ihnen schon mal gesagt«, reagierte die Frau gereizt, »wenn, mache ich es aus Freundlichkeit. Ich muss hier gar nichts!«

      Sie ließ einen schweren Ordner auf den Boden fallen, der Thariels Fuß nur deswegen verfehlte, weil er schnell zur Seite sprang. Ratlos stand er vor der Frau mit den blonden Haaren.

      »Natürlich müssen Sie hier etwas, sonst könnten Sie jetzt auch einfach gehen!«

      »Könnte ich.«

      »Nein.«

      »Doch.«

      »Nein.«

      »Zu den Aufgaben einer Empfangsdame gehört es, höflich zu den Gästen zu sein, oder?«, änderte sie ihre Taktik.

      »Allerdings.«

       »Und man sollte nicht schlecht über seinen Chef sprechen.«

      »Sicher.«

      Jetzt schaute sie Thariel direkt ins Gesicht, »der Glasmeister ist der größte Spinner von allen, gleich nach Ihnen!«

      »Also«, Thariel suchte nach Worten, »ich werde mich über Sie beschweren.«

      »Beim Glasmeisterspinner? Mir egal, er ist nicht mein Chef und ich arbeite hier nicht.«

      Und so gingen sie auseinander. Die Frau, die hier nicht arbeitete, blieb sitzen und Thariel fing an, durch die Gänge des Gebäudes zu laufen. Ohne Ziel und Grund und nur in der Hoffnung, dass die Wartezeit auf diese Weise schneller verging.


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