Ein erlesener Mord. Фиона Грейс
Bianca leicht nervös. „Das macht dir doch nichts aus, oder? Ich weiß, dass er nicht so gut ist wie der, den wir gerade hatten, aber alle von uns haben eine kostenlose Kiste zum Kampagnenstart bekommen.“
Olivia sah in ihr besorgtes Gesicht und entschloss, dass es Zeiten gab, in denen man zu seinen Prinzipien stehen musste und Zeiten, in denen es wichtiger war, freundlich zu sein.
„Ein kostenloser Wein ist immer ein guter Wein“, entgegnete sie tapfer.
Ihr Kopf pochte schon beim Gedanken daran, aber sie hob ihr Glas.
Sie tat ihr Bestes, nicht ihr Gesicht zu verziehen, als sie den gepanschten Traubensaft hinunterzwang, aber sie versprach sich eines.
Das war das letzte Mal, dass sie dieses industriell fabrizierte Spülwasser trank. Sie nahm sich vor, dass, egal, wie sehr sie James bitten musste und egal, wieviel Schaden es ihrer Karriere bereitete, sie sich weigern würde, weiter für Valley Wines zu arbeiten.
KAPITEL FÜNF
Die Morgensonne bohrte sich auf grausame Weise durch Olivias weiße Schlafzimmervorhänge und in ihren hämmernden Schädel.
„Und Kopfschmerz, wenn der Morgen graut“, stöhnte sie. Sie setzte sich vorsichtig auf und zuckte vor Schmerz zusammen.
Einer halben Flasche eines großartigen toskanischen Rotweins war ein großes Glas sulfitgeladener, geschmacksverstärkter, mit Alkohol versetzter Traubensaft gefolgt. Immerhin wusste sie, dass sie diese Kopfschmerzen tapfer verdient hatte. Und der Wein hatte ihr eine willkommene Taubheit verschafft, als sie in ihrer halbleeren Wohnung ankam, wo die unordentlichen Regale und die Schleifspuren auf dem Teppich Beweis waren, dass Matt sein Hab und Gut in einer spätabendlichen Ausräumaktion abgeholt hatte.
Den war sie also ein für allemal los. Tschüss und auf Nimmerwiedersehen.
Sie schlurfte ins Badezimmer und schluckte zwei Advil mit einem großen Glas Wasser. Dann kletterte sie zurück ins Bett und betete, dass die Wirkung schnell einsetzen würde, denn selbst das Denken tat ihr weh.
Um sich die Zeit zu vertreiben, scrollte Olivia sich durch die sozialen Medien auf ihrem Telefon. Sie hatte ihr Profil schon seit Wochen nicht mehr aktualisiert, geschweige denn nachgesehen, was ihre Freunde so trieben.
Sie scrollte sich durch Instagram und freute sich mit einer ihrer Kolleginnen aus einem vorigen Job, die zwei Kätzchen adoptiert hatte. Ihr Feed war voller Bilder von dem rot getigerten Pärchen, wie sie miteinander spielten, Spielzeuge jagten und schliefen.
Ein weiterer Bekannter hatte einer Hochzeit auf Hawaii beigewohnt, und Olivia war fasziniert von den bunten Bildern.
Doch dann blickte sie mit großen Augen auf das nächste Bild.
Es war eine dramatisch schöne, toskanische Villa. Olivenbäume, warme, sandfarbene Steine, mit einer Aussicht auf Hügel und Weingärten dahinter. Einen Momentlang fühlte sie sich, als hätte ihre eigene Einbildungskraft dieses Bild erträumt.
Dann sah sie, dass es ein Foto aus dem Feed ihrer Freundin Charlotte war.
Charlotte war Olivias älteste Freundin. Seit Schulzeiten waren sie beste Freunde gewesen. Als sie beide noch Kinder waren, hatten sie Leuten gegenüber, die sie nicht kannten, immer so getan, als wären sie Schwestern oder sogar Zwillinge. Im Laufe der Jahre hatten sie sich mehr und mehr auseinandergelebt, weil sie so lange in unterschiedlichen Städten gelebt hatten. Olivia erinnerte sich, dass Charlotte bald heiraten würde. Vielleicht waren sie und ihr Verlobter dort auf der Suche nach einem Schauplatz für ihre Hochzeit.
„#VillaVibes“, hatte Charlotte geschrieben. „#ToskanischerSommer #Wein #Freiheit.“
Olivia kommentierte ihr Bild.
„Sieht klasse aus!“
Zu ihrem Erstaunen kam das Ping einer Antwort beinahe sofort.
„Komm vorbei! Ich bin allein hier und auf der Suche nach jemandem, mit dem ich das hier teilen kann. Zwei Schlafzimmer und den ganzen Sommer über gemietet!“
„Allein?“, textete sie, zusammen mit einem überraschten Emoji. „Was ist mit deiner Hochzeit?“
„Abgesagt. #Singleseinistfreisein #einguteslebenistdiebesterache“, kam die Antwort von Charlotte mit einer langen Reihe von Smileys.
Olivia starrte geschockt auf die Nachricht. Was hatte bei ihrer Freundin nur zu so einer drastischen Entscheidung geführt? Olivia verspürte einen Stich aus Neid, denn Charlotte hatte sich ganz klar für einen Tapetenwechsel entschieden und brachte ihr Leben in einer exotischen Umgebung wieder in Ordnung.
Olivia, in der gleichen Situation, hatte bisher nur genug getrunken, bis ihr Kopf beinahe explodierte.
„Schön wärs! Vielleicht beim nächsten Mal!“, antwortete sie.
Sie schloss ihre Augen. Wenn sie in ihrem Leben bessere Entscheidungen getroffen hätte, würde sie jetzt auf einer gusseisernen Schaukel sitzen, sich unter einem Olivenbaum mit Charlotte unterhalten und auf einen gepflasterten Hof mit Hügeln und Weinreben im Hintergrund hinausblicken. Sie konnte beinahe fühlen, wie eine sanfte Brise durch ihr Haar strich, während sie an einem Glas mit gekühltem Chianti nippte.
Charlottes Bewältigungsmechanismus war dagegen viel konstruktiver. Allerdings war Charlotte auch nicht in den Zwängen einer gigantischen Kampagne gefangen wie sie.
Olivia erinnerte sich an das wichtige Meeting, das heute Morgen stattfinden sollte. Hatte sie wirklich die Nerven, zu tun, was sie sich letzte Nacht versprochen hatte, und sich eine Auszeit zu nehmen und James zu sagen, dass sie an einem anderen Projekt arbeiten wollte?
Jetzt, im grellen Licht des Tages und mit monströsen Kopfschmerzen, schien das lächerlich. Zu so einer unverantwortlichen, spontanen Sache war sie nicht fähig. Sie würde damit Menschen im Stich lassen. Man würde schlecht über sie denken. Und James würde sowieso nein sagen. Er würde ihr wahrscheinlich ins Gesicht lachen.
Als sie ihre Aufmerksamkeit schließlich von Instagram losriss, sah Olivia zu ihrem Entsetzen, dass es schon sechs Uhr war.
Während sie ihre Zeit vertrödelte, indem sie online chattete und von der Toskana träumte, war eine Textnachricht auf ihrem Telefon eingegangen. Sie war von James.
„Olivia, ich brauche dich spätestens um 06:50 Uhr im Büro. Jetzt nimmt auch die komplette Geschäftsführung von Kansas Food und Valley Wines an dem Meeting teil. Ich muss dich zehn Minuten vorher unbedingt briefen.“
Egal, wie schnell sie jetzt ihr Apartment verließ, sie würde zu spät zu ihrem wichtigen Briefing kommen.
Vor sich hin fluchend sprang Olivia aus dem Bett, schnappte sich den erstbesten Businessanzug, den sie zu fassen bekam, schlüpfte hinein und flitzte ins Badezimmer für ihr Make-Up.
Als sie das Licht anknipste, brannte mit einem Plopp die Glühbirne durch.
Olivia fluchte erneut. Sie war fast nie zu spät. Nun ja, zumindest nicht auf regelmäßiger Basis. Aber wieso musste sich in einem solchen Fall immer ihr gesamtes Leben gegen sie verschwören?
Sie trug ihr Make-Up im Halbdunkeln auf und machte sich die mentale Notiz, später zu prüfen, ob ihr Mascara auch nicht verschmiert war.
Dann griff sie ihre Handtasche und Arbeitsmappen und sprintete aus der Wohnung.
Als sie an der Nachbarswohnung vorbeijoggte, ging die Tür auf.
„Hallo, Fremde. Mit dir wollte ich sprechen.“
Es war Len, ihr Nachbar. Langatmiger Len, wie sie ihn nannte, weil er seine Unterhaltungen nie schnell beenden konnte. Er konnte sie nicht einmal schnell anfangen, wenn sie ehrlich war. Len verdiente sich mit irgendeinem IT-Kram dumm und dusselig und war auffallend exzentrisch.
Olivia lächelte, obwohl sie spürte, dass sie nur eine angestrengte Grimasse zustande brachte. Von allen Tagen musste sich Langatmiger Len ausgerechnet den heutigen Tag aussuchen, um seine Wohnung zur gleichen Zeit wie sie zu verlassen.
„Es tut mir leid. Ich bin spät dran und –“, begann Olivia.
Len fuhr fort,