Vergiss mein nicht!. Kasie West

Vergiss mein nicht! - Kasie West


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mein Dad, »sie sind nur eine Täuschung.«

      Ich setze mich hin und ziehe die Augenbrauen zusammen. »Sind sie nicht. Ich kann sie sehen.« Sie kreisen zwischen meinem Dad und mir, lassen seine Silhouette verschwimmen.

      Ein alter Mann geht an uns vorbei und lächelt. »Ein Geschenk für die kleine Dame«, sagt er. Mein Dad winkt ihm höflich zu. Als er mitsamt seinen Schmetterlingen verschwunden ist, nimmt mich mein Dad bei den Schultern und streckt seinen Zeigefinger aus. Ein einzelner Schmetterling sitzt anderthalb Meter von uns entfernt auf einer Blume. Seine schlichten weißen Flügel bewegen sich langsam auf und ab. »Der ist echt, Kleines. Ist er nicht hübsch?«

      Ich verziehe meinen Mund zu einem Schmollen. »Der ist langweilig.«

      Ein schrilles Lachen weckt mich aus meinen Erinnerungen. Ich werfe einen Blick über meine Schultern und entdecke ein paar Mädchen, die offensichtlich gerade gelästert haben. Ich funkle sie an. Bin ich die Einzige, die bei diesem bescheuerten Test durchgefallen ist?

      Beim Mittagessen braucht Laila mich nur einmal anzusehen und sagt: »Was für eine Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«

      Wir sind auf dem Weg zur Freiluftbühne – unser Treffpunkt zum Essen – und ich gebe ein Grummeln von mir. »Ich bin heute beim Illusionstest durchgefallen.«

      »Durchfallen ist doch total relativ.«

      »Nein, ist es nicht. Entweder man besteht den Test oder man tut es nicht. Nichts daran ist relativ.«

      Sie zuckt mit den Schultern. »Aber deine anderen hast du mit Auszeichnung bestanden, was es ausgleicht.« Sie setzt sich auf die Steinbühne und lässt ihre Füße baumeln. »Aus diesem Grund ist es also doch relativ.« Sie weist mit ihrem Kopf zur Seite. »Setz dich.«

      Sie so ruhig zu sehen, bringt mich auf den Gedanken, dass ich total überreagiert haben könnte. Ich neige dazu. Ich atme tief ein, wühle in meinem Rucksack nach meinem Essen und springe dann zu ihr auf die Bühne. Der Rasen ist halbmondförmig um die Bühne angelegt und bald ist es voll hier.

      Als ich meine Tüte mit Kartoffelchips öffne, beugt sich Laila vor. »Diese Bühne ist nicht besonders hoch, oder?«

      Was meint sie damit? Ich folge ihrem Blick nach unten. »Vermutlich nicht.«

      »Es würde also nicht besonders wehtun, wenn man jemanden hier runterschubst?«

      Ich schaue nach links, wo ein paar andere mit ihrem Lunch auf dem Schoß und baumelnden Beinen am Bühnenrand sitzen. »Wer soll denn wen ...« Bevor ich den Satz beenden kann, packt sie mich beim Arm und schmeißt mich von der Bühne. Ich schnappe entrüstet nach Luft und frage mich, was zum Teufel diese Aktion bezwecken sollte. Ich brauche nicht allzu lange zu grübeln, denn im nächsten Moment fällt Duke praktisch über mich.

      »Alles in Ordnung?«, fragt er, als ich mein Essen aufhebe, das um mich herum verteilt ist.

      »Ja.« Ich stopfe mein Sandwich und meine Kartoffelchips in meine eingerissene Lunchtüte und richte mich auf.

      »Addie«, ruft Laila mit vorgetäuschter Sorge. Sie springt zu mir herunter. »Bist du verletzt? Wie ist das passiert?« Aber ihre »Besorgnis« wird sofort von einem Lächeln abgelöst, das Duke gilt. »Hey Duke, wir haben dich gar nicht gesehen.«

      Wohl eher, ich habe ihn nicht gesehen. Laila hat ihn ja ganz offensichtlich schon aus einer Meile Entfernung entdeckt.

      Ray bückt sich und hebt meine Wasserflasche auf, die gegen seinen riesigen Fuß gerollt ist. Ganz im Ernst, er muss mindestens Schuhgröße achtundvierzig haben. Der Typ ist ein Hüne. »Hier«, sagt er und reicht sie mir.

      »Danke.«

      »Wo wollt ihr zwei hin?«, fragt Laila.

      Duke deutet in Richtung Parkplatz. »Raus hier.«

      »Wirklich?«, sagt Laila, als wäre das ein Riesenzufall. »Wir wollten gerade los, um etwas aus meinem Auto zu holen. Macht es euch etwas aus, wenn wir uns anschließen?«

      Ich könnte Laila auf der Stelle umbringen. Wenn ich bloß irgendeine Waffe zu fassen bekäme – ein Schuh mit Größe achtundvierzig würde reichen.

      »Natürlich nicht.«

      Und selbstverständlich drängt sich Laila zwischen Duke und Ray, sodass mir keine andere Wahl bleibt, als die Seite von Duke einzunehmen. Nach nur wenigen Schritten hat Laila es geschafft und Ray in ein Gespräch verwickelt, das so leise abläuft, dass Duke und ich uns selbst überlassen sind. Ein unbehagliches Schweigen entsteht.

      »Tut mir leid«, sage ich irgendwann, denn für alle, die nicht totale Idioten sind, ist es ziemlich offensichtlich, was Laila da gerade macht.

      »Mir nicht. Jetzt brauche ich mir keine Ausrede einfallen zu lassen, um dich anzusprechen.«

      Ich bin verwirrt. »Haltet ihr Jungs nicht zusammen?« Ich hab keine Ahnung, warum ich das gesagt habe; es ist mir einfach rausgerutscht, aber ich kann es nicht mehr zurücknehmen.

      »Was meinst du damit?«

      Jetzt muss ich es erklären und darauf habe ich überhaupt keine Lust. Ich lasse mich für einen Moment von einem Rucksack ablenken, der vor mir durch die Luft schwebt. Irgendwann landet er in den Armen seines Besitzers und ich wende mich Duke zu, der auf meine Antwort wartet. »Bobby und du, ihr seid doch gute Freunde.«

      »Ja.«

      »Bobby hat mich gefragt, ob ich mit ihm zum Ehemaligenball gehen will.«

      »Und du hast Nein gesagt.«

      »Habt ihr da nicht irgendeine Regel, von wegen, wenn dein bester Freund auf ein Mädchen steht, ist sie für dich tabu?«

      »Wenn jedes Mädchen, auf das Bobby steht, für mich tabu wäre, könnte ich ja nie ausgehen. Die einzigen Mädchen, bei denen ich mich zurückhalte, sind die, die er schon geküsst hat. Du hast ihn doch noch nicht geküsst, oder?«

      »Nein!« Jedenfalls nicht im echten Leben. In der Vorhersage schon, aber das wusste Bobby ja nicht. Ich spüre, wie mein Gesicht knallrot wird.

      Duke zieht die Augenbrauen zusammen. »Bist du dir ganz sicher?«

      »Ja, da bin ich mir sicher. Ich habe ihn nicht geküsst.«

      »Tja, dann passt es ja. Keine Jungs-halten-zusammen-Regel.«

      Ich bemühe mich, so gut ich kann, mich nicht geschmeichelt zu fühlen, aber es fällt mir schwer. Hey, das hier ist Duke Rivers! Er lächelt und ich ertappe mich, wie ich zurücklächle.

      »Was muss ich machen, damit du zu einem meiner Spiele kommst?«

      »In einem Team von Normalen spielen«, sage ich, ohne nachzudenken.

      Er legt seinen Kopf schief. »Im Ernst? Darum geht es also die ganze Zeit? Du hältst nichts davon, dass Leute ihre Talente benutzen, um beim Sport zu gewinnen? Bist du Naturalistin? Sollten wir uns mit den Normalen zusammenschließen?«

      Wir umrunden ein Ziegelsteingebäude und biegen in einen breiten Weg Richtung Parkplatz ein. »Nein, überhaupt nicht. Ich halte Talente für wichtig. Die Menschen können sie nutzen, um ihr Leben in vielen Belangen voranzubringen. Meine Gabe hat mir geholfen. Ein Leben ohne kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber Para-Football, ich finde das einfach nur langweilig.«

      »Autsch. Du willst also beim Spiel mehr Spieler sehen, die sich gegenseitig über den Haufen rennen? Ist es das? Moment mal«, sagt er, bevor ich ihm eine Antwort geben kann. »Willst du damit sagen, dass du regelmäßig Norm-Football guckst?«

      »Nicht regelmäßig.«

      »Das wird ja immer schlimmer. Sag mir eins: Hast du mich je spielen sehen?«

      Ich massiere meine Stirn. Die Beule ist schon lange verschwunden, aber ich stöhne noch einmal, um ihm eins auszuwischen.

      Er lacht und boxt mich mit dem Ellenbogen in den Arm. »Das zählt nicht. Ich meine, in einem Spiel.«

      »Nein,


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