Jagd mit Freunden. Udo Lau

Jagd mit Freunden - Udo Lau


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und Gehen, einen Wechsel von Trauer und Freude, aber immer eine Gegenwart, deren Herzlichkeit und Gastfreundschaft, Hilfe und Dankbarkeit Garanten für ein dauerhaftes Bündnis waren.

      Und Dreh – und Angelpunkt war die Jagdhütte. Hier traf sich die Familie, von der hundertjährigen Seniorin bis zu ihren Urenkeln, hier nahm jeder den typischen „Stallgeruch“ mit in seinen Alltag und die Gewissheit, ein Teil des Ganzen zu sein.

      Das galt auch für meine Familie: von Helga über Sohnemann Florens bis zur Enkeltochter Lilli holte sich jeder seine Portion Jagdhüttenromantik ab, die unvergessen bleibt. Die kurzen Momente ihrer Begegnung hinterlassen vielleicht bleibende Bilder in ihren Herzen.

      Unsere Kerntruppe war und blieb ein Jagdtrio, das die Anfänge machte, die Entwicklung bestimmte, die Maßstäbe setzte und die Atmosphäre prägte: Rudi, Fivos und Udo!

       JUNG UND ALT

      Der erweiterte Kreis unterlag einer sorgfältigen Auswahl und wurde eingeteilt in übernachtungsfähig, wochenendtauglich oder Treibjagd geeignet. Und diese Selektion bestimmte vor allem die Größe der Hütte, die Anzahl der Betten, die Veranlagung zur Improvisation, vor allem aber die Gütesiegel Traditionsbewusstsein, Einsatzbereitschaft, Trinkfestigkeit und Freude an der Jagd.

      Manche blieben Eintagsfliegen, einige waren Pflichtfiguren, andere erhielten eine zweite Chance, etliche kegelten sich selbst raus und nur ein harter Kern hatte die Hoffnung auf Einladungsgarantie und war zu Recht stolz darauf, aber nur eine Handvoll erreichte Kultstatus, der sie immer willkommen hieß.

      So erzählt die Hütte von Treibern, Anwärtern, Jungjägern, Profis, Hasardeuren, Rüdemännern, Sonntagsjägern, Naturverliebten und Waidmännern jeder Couleur, deren Namen, Profile, Charaktere und Arten so vielfältig sind wie ihre Hüte, Büchsen und Flinten. Nur eins vereint sie allesamt: sie haben eine Hütte kennengelernt, die die Zeit verändert hat, aber die doch gleich geblieben ist in ihrer Einmaligkeit, und sie haben in einer Natur gejagt, wie es sie heute kaum noch gibt.

      Hier wurden Traditionen gepflegt und Rituale geboren, Überlieferungen weitergegeben und Prüfungen zelebriert, Reden gehalten, wie sie Hermann Löns nicht besser hätte formulieren können. Hier wurden Jungjäger gestählt und Altjäger zu Tränen gerührt, hier erhielt jeder seinen Ritterschlag, wenn er ihn verdient hatte und sein Jagdgericht, wenn es nötig war. Die Hütte war Herberge, Kultstätte, Gourmettempel, Kaderschmiede, Bierfass und Märchenbuch zugleich. Ich fühlte mich als ein Teil von ihr.

      Eine symbolische Geschichte ganz am Anfang war der Auslöser: in kleiner Besetzung hatten wir die Hütte im November bezogen, Rudi und Fivos mit mir. Ich war noch weit von jeglicher jagdlicher Erfahrung entfernt, geschweige denn zu einer Ausbildung entschlossen, aber bereit, alles zu versuchen und mich vor nichts zu fürchten.

      „Leise“, flüsterte Rudi mir zu, „draußen auf der Eiche, eine Taube“, und drückte mir seine Flinte in die Hand. Auf eine Blechdose hatte ich zwar schon mal ein paar Probeschüsse gemacht, aber auch nicht mehr. Mit wichtigen Gesten, unterstützt von Fivos, öffneten sie vorsichtig die Tür und deuteten die Richtung an, wo sich das Ziel befand. Entschlossen trat ich raus, die Waffe im Anschlag, die Taube im Auge und den Schuss hinaus. Plums, lag sie auf dem Eichenlaub und stolz schaute ich meine beiden Lehrmeister an, die mir anerkennend auf die Schulter klopften. „Waidmannsheil“, riefen sie, während ich flugs zur erlegten Beute lief…und eine Gummilocktaube in der Hand hielt!

      Dieses war nur der Anfang meiner harten Ausbildung, die mir meine Freunde zuteilwerden ließen, aber meinen Ehrgeiz damit mächtig anstachelten. Ein halbes Jahr später hängte ich die Prüfungsurkunde des bestandenen Jagdscheins an die Hüttenwand, mein erster Beitrag zur liebevollen Erweiterung der Hüttendekoration und der nächste Schritt einer tiefen Verbundenheit zwischen meiner „neuen Liebe“ und mir.

      Was sich dann in den folgenden Jahrzehnten in ihrem liebevollen Charme, ihrer vertrauten Umgebung und mit ihrer unwiderstehlichen Anziehungskraft abspielte, sind Kapitel einer Freundschaft, Erinnerungen an Tagträume und die Gewissheit, das Wichtigste erlebt zu haben.

       EIN WINTERMÄRCHEN

      RÜBEZAHL

      Oktober 1992

      Nur Rudi und ich waren diesmal unterwegs. Alle anderen Planungen waren fehlgeschlagen: Andorra wegen Schule und Österreich wegen Gamsblindheit. So wurde dann über Bundeswehr, Sippel und viele andere Kanäle und Verbindungen der Kontakt zu den neuen Bundesländern geknüpft und eine Jagdmöglichkeit im Erzgebirge organisiert.

      Die Anfahrt war beschwerlich und zeitraubend. Nach fünf Stunden hatten wir endlich das Ziel erreicht: Forstamt Heinzebank, Hilmersdorf, 50 km. südlich von Chemnitz, am Rande des Erzgebirges.

      Der zuständige Forstamtsleiter empfing uns freundlich bürokratisch und verdiente sich im Laufe unseres Aufenthaltes den Zusatztitel „Kanzleirat“. Viel Zeit durften wir mit den Formalitäten nicht verlieren, denn es war bereits 15: 00 Uhr und die Jagdführer erwarteten uns bereits in einer Dreiviertelstunde.

      Also wurde nicht lange gefackelt und wir fuhren die sieben Kilometer zügig bis zum vereinbarten Treffpunkt an der „Bornwaldschänke“, einer mittelmäßigen Waldkneipe an einer einsamen Straße, die mitten ins Revier führt.

      Dort warteten zwei Waidgesellen auf uns, deren Äußeres gegensätzlicher gar nicht hätte sein können: der eine ein pausbäckiger, glattrasierter und gutmütig dreinschauender Revierförster, etwa Mitte dreißig, mit typischem Sepplhütchen und einfacher Forstkleidung, der andere ein schwarzbärtiger, langhaariger Rübezahl mit grimmigem Blick und camouflagefarbenem Overall, an dessen rechter Seite ein furchterregender Revolver der Marke „Peace-Maker“ geschnallt war.

      Letzterer war unverkennbar der weit über die Reviergrenzen hinaus bekannte und von allen ehrfürchtig genannte „Muffel-Uhlmann“, der das Muffelwild angeblich besser kennt als seine Frau.

      Stefan, der Revierförster, nahm sich neben seinem Jagdkollegen aus wie ein braver Pensionatszögling neben einem kubanischen Guerillakämpfer. Es wurden deshalb auch nicht viele überflüssige Worte gewechselt und die Zuteilung, wer wen als Führer bekommt, von „Rübezahl“ mit knapper Geste entschieden: Rudi mit ihm, Stefan mit mir.

      Rudi und ich ziehen uns neben unserem Wagen um, machen uns jagdfertig und schon fahren wir hinter den beiden in ihrem Lada ins Revier: 16: 00 Uhr Die Fahrt dauert nur knapp 10 Minuten, als wir uns dann am Ziel trennen und paarweise verschiedene Richtungen einschlagen. Wir gehen durch einen Mischbestand aus Buchen und Fichten leicht hangaufwärts. Dunst und Nebel wabern durch die mittelalten Bäume und die Sicht reicht gerade 50 Meter und wird zunehmend schlechter, je höher wir kommen.

      Nach zwei drei Biegungen erreichen wir einen felsigen Abschnitt, der sich wie eine graue Theaterkulisse vor uns auftut. Rechts und links wird sie durch Fichtenkulturen eingerahmt, dazwischen stehen stämmige Altbuchen, die ihre reichhaltige Mast in das herbstbraune Laub werfen.

      Wir steigen auf eine neue Kanzel, die zwei Leuten genügend Platz bietet und aus vier Fenstern ein perfekte Rundumsicht ermöglicht. Ich übernehme den rechten Teil, mein Begleiter die linke Seite; schusstechnisch wäre es für mich als Rechtshänder umgekehrt besser gewesen, dachte ich im Stillen, aber na ja, wer weiß wie`s kommt? Bei einem Probeanschlag stelle ich außerdem fest, dass die Gewehrauflage viel zu niedrig ist für ein Gelände, das vor uns deutlich ansteigt.

      Die Zeit verrinnt, der Dunst nimmt zu, da zerreißt ein Schuss die gedämpfte Stille…Rudi!! 16: 35 Uhr…alle Achtung. Ein Blick zu Stefan und dessen Nicken bestätigt meine Vermutung. Der Schuss kam aus Rudi`s Richtung! Was war dort passiert?

      An dieser Stelle gebe ich den Originalbericht meines Freundes wieder, der das Geschehen dokumentarisch festgehalten hat.

       RUDI:

       „Muffel Uhlmann“ und ich zogen gemeinsam los. Er


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