Jagd mit Freunden. Udo Lau

Jagd mit Freunden - Udo Lau


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vorbei. Immerhin die Gewissheit, ich habe keine Sau krank geschossen, denn sie sind alle munter und wohlauf…noch! Und heute sind sie dichter dran, keine 50, 60 Meter.

      Also Udo, reiß dich zusammen und mach die Sache heute besser, jetzt gilt`s. Den Püster hoch, die Hand zwischen Schaft und Auflage, einstechen, entsichern. Als Haltepunkt merke ich mir den weißen Fleck vom Salzleckstein, etwa vierzig Schritt hinter dem Stück, so dass ich den Anschuss später leichter finde.

       SCHRADER-ROTTS-WIESE … DIE 3.

      Letzte Vergewisserung, ausatmen, Schuss!

      Alle drei Sauen sehe ich durch das Mündungsfeuer links von mir im Unterholz verschwinden, eine etwas langsamer, leicht abseits von den anderen, Einbildung, Wunschtraum? Dann Knacken, Grunzen, Blasen wie ein letzter Schnaufer, nochmal, leiser aber nahe, dann ist Ruhe.

      Liegt sie? Kann eigentlich gar nicht anders sein, bei dem ruhigen Schuss und dem sauberen Abkommen auf der gepolsterten Auflage und den Nachgeräuschen. Ich bin zuversichtlich.

      Trotz des guten Gefühls verbringe ich wieder eine unruhige Nacht. Morgen ist schulfrei, also keine Vertretungssorgen. Um 7: 00 Uhr bin ich schon im Revier, heute allein mit Fussel, Gummistiefeln und der großen Hoffnung auf eine erfolgreiche Nachsuche. Ich bin sicher, die Beute nur noch einsammeln zu müssen.

      Als erstes den Anschuss suchen. Der Salzleckstein hilft mir die Richtung zu finden. 5 Meter davor, dahinter, daneben, rechts, links, nichts! . Das gibt`s doch nicht, das ist unmöglich! Da…endlich, ein Riss in der Grasnarbe, die Kugel! Die Kugel, nachdem sie den Überläufer durchschlagen hat, nur so kann es sein. Also muss der Anschuss davor sein. Suchen, Zentimeter für Zentimeter, nichts! Verzweiflung macht sich breit.

      Da wo ich massenweisen Schweiß erwarte, finde ich nur Rostflecken auf dem Sauerampfer. Enttäuscht gehe ich zum Kugelriss zurück. Das einzige was ich aus dem feuchten Boden herauspule ist der Rest des Kupfermantel Hohlspitzgeschosses, kein Schweiß, kein Schnitthaar und im weitem Umkreis des Anschusses keine erlegte Sau!!

      Niedergeschlagen und frustriert breche ich die Nachsuche ab und berichte Klaus von meinem Unglück. Er tröstet mich und sagt, das komme mal vor und empfiehlt mir einen Probeschuss mit dem Drilling zu machen…mein Drilling, mein treuer Jagdbegleiter, mein Vertrauter, er hat mich noch nie im Stich gelassen. Aber Klaus hat Recht, ohne einen Probeschuss würden meine Sicherheit und mein Vertrauen nicht zurückkommen.

      Wir hatten uns ohnehin für den Nachmittag zu Revierarbeiten im Wald verabredet, wollten Ansitze und Leitern kontrollieren, Pirschwege säubern und die Fangplätze der Fallen überprüfen und sie für den Sommer sichern und abdecken. Das war gleichzeig eine gute Gelegenheit für einen Probeschuss.

      „Schrader Rotts Wiese“, Kanzel, Pappscheibe, 100 m. Distanz…der erste Schuss mitten drin, der zweite nur einen Zentimeter daneben! Also, am Drilling lag es nicht! Udo Lau, brauchst du eine Brille? Klaus bestätigte mit seinem dritten Schuss die Treffgenauigkeit der Waffe und beseitigte damit alle Zweifel, die ich unberechtigter Weise meinem „Magic Drilling“ in die Läufe schieben wollte.

      Was blieb, war mein Unbehagen und die offene Frage, was diese beiden Fehlschüsse am Ende ausgelöst hatte und welche Folgen sie bei mir hinterlassen würden? Diese Unsicherheit konnte sich schnell zu einem kleinen Trauma hochschaukeln. Und solange die Ursache nicht geklärt war, würden mich Zweifel und Bedenken verfolgen und beschäftigen. Die arme Jägerseele.

      Insolchen Augenblicken ist es so wichtig und hilfreich, einen verständnisvollen Freund an seiner Seite zu haben. Kein Vorwurf, keine Besserwisserei, ja nicht einmal der Hauch einer Kritik kam über seine Lippen. Im Gegenteil, die Einladung zu einem Wochenendbierchen bei Wollenweber und ein deftiges Stümpelessen brachten mich und uns auf andere Gedanken und lenkten den Blick nach vorn.

      Unsere Freundschaft hatte eine so unerschütterliche Grundlage, dass wir uns in hundert ähnlichen oder anderen Situationen immer auf sie und uns verlassen konnten. Ich war stolz, sein Jagdeleve gewesen zu sein, von ihm gelernt zu haben und mit ihm durch jagdliches und persönliches Dick und Dünn gegangen zu sein. Und er war sich sicher, dass unsere gemeinsamen heimatlichen Wurzeln dazu beigetragen haben, ein Bündnis auf Dauer mit mir eingehen zu können.

       …einen Monat später.

      Es ist ruhig geblieben, jagdlich hat sich nichts getan, nur der Mond steht wieder kurz davor, seine helle Scheibe zu vervollständigen. Mittwochabend, das traditionelle Bläsertreffen, Übungsabend bei Glenn mit Wildschweinpastete – wie passend – und magenfreundlicher Schafswurst… So kann der Tag nicht zu Ende gehen!

      Kurzentschlossen melde ich bei Klaus einen Ansitz an. Er hat bereits damit gerechnet, ahnt er doch, was mich seit vier Wochen quält. Ich mache mich gerade fertig, da kommt die kleine Riekemaus, mein 16-jähriges Töchterchen, sie möchte gern mit raus! Ein seltener Wunsch, umso mehr freue ich mich, und fünf Minuten später sind wir beide fertig. Jeder ein Glas, warm angezogen, ein Sitzkissen, denn es ist frisch draußen, sozusagen maikühl, und auf geht`s

      Mich plagen immer noch das ungute Gefühl und die Erinnerung an die beiden Fehlschüsse vom April; ein unbewältigtes Problem und ein Grummeln in der Magengegend.

      Um 21: 00 Uhr sitzen wir an „Schrader Rotts Wiese“, dem Ort der Schande. Wenn ich meine Unsicherheit und Zweifel verlieren will, dann an diesem Platz! Ich nehme wieder die offene Leiter und überlasse Rieke die Kanzel, rechts von mir am Waldweg, sodass wir beide Blickverbindung haben. Auf der Fahrt ins Revier habe ich ihr von meinem Unglück erzählt und sie selbst ganz nervös gemacht.

      Drei Hasen tummeln sich schon beim Angehen auf der Naturweide herum, ansonsten bleibt es eine knappe Stunde ruhig und beschaulich. Da höre ich das erste Knacken links hinter mir im Stangenholz. Elektrisiert zucke ich zusammen, sollten sich die Ereignisse auf eine merkwürdige Weise wiederholen? Wie im Film läuft die Erinnerung vor meinem geistigen Auge ab und wie eine Kopie legt sich die Realität darüber; mich beschleicht ein seltsames „Déjà-Vu“ Gefühl und verstärkt meine Aufregung. So etwas habe ich vorher nie erlebt!

      Munter und völlig vertraut erscheinen sie – auf die Minute pünktlich – „die Drei von der Tankstelle“ – um 22: 00 Uhr. Langsam lösen sie sich aus dem dunklen Schatten der Waldkante, ziehen auf die helle Fläche und bearbeiten den Boden auf der Suche nach tierischem Eiweiß. Es sind definitiv die drei Gesellen vom letzten Vollmond, die zweimal von mir beschossenen, die doppelt gefehlten… eine kleine Wut baut sich in mir auf, ein Zorn über mein eigenes Unvermögen.

      Sie unterscheiden sich nur wenig in Farbe und Größe, vielleicht haben sie etwas an Gewicht zugelegt und könnten so knapp über 50 kg. wiegen. Was geht mir da alles für ein Schwachsinn durch den Kopf? Beende endlich dein Trauma, muss die Devise lauten.

      Wie im Lehrbuch bereite ich mich dieses Mal noch akribischer vor. Der Lodenmantel lag längst gefaltet auf der vorderen Schießauflage, den Körper hatte ich in das Holzgeviert des Ansitzkorbes regelrecht verkeilt, die Waffe lag fest an der Schulter, alle Abläufe wie immer, aber dennoch ein wenig bewusster.

      Was Rieke wohl jetzt machte? Ob sie die Sauen wohl auch im Glas hatte und sich fragte, was wohl gleich passieren würde? Sie hatte eine solche Situation noch nie erlebt…

      Ich zwang mich zur Konzentration, jetzt durfte mich nichts mehr ablenken!

      Einstechen, entsichern, den rechten Zeigefinger noch lang am Schaft, warten bis der Kleinste Richtung offene Wiese frei und breit steht, , den Hintergrund für alle Fälle fixiert, nochmalige Kontrolle, ausatmen, mittig vorn drauf, Finger am Abzug, ruhig durchgezogen…Bautz!!

       EINE SKITZE DER SCHANDE

      Laut hallt der Schuss von den Waldkanten zurück. Ich schaue durch den Schuss und präge mir minutiös die Reaktion der Sauen ein: zuerst flüchten die beiden größeren Stücke, dann mit geringer Verzögerung das beschossene, alle drei auf gleicher Fluchtfährte


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