STARS AND STRIPES (Black Stiletto 3). Raymond Benson

STARS AND STRIPES (Black Stiletto 3) - Raymond Benson


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aus Südchina. Ich nehme Unterricht im Jugendzentrum.«

      »Nun, du bist sehr gut. Du hast dich gegen diese Kerle behauptet.«

      »Nicht wirklich.«

      »Kannst du mir ein paar Techniken beibringen?«

      Wieder sah er über die Straße. Er hatte Angst, mit mir gesehen zu werden. »Damit könnte ich in große Schwierigkeiten geraten. Wushu ist nur für chinesische Männer gedacht.«

      »Das hat man mir über Karate und Judo auch erzählt. Pass auf, ich bezahle dich dafür. Ich wette, du und deine Mutter, ihr könnt etwas Geld gebrauchen, nicht wahr?«

      Das ließ ihn hellhörig werden.

      »Vielleicht. Aber … wo?«

      »Kennst du irgendwo einen Raum? Irgendeinen Ort, an dem uns keiner stört?«

      »Na ja … das Restaurant vielleicht. Es steht jetzt leer, bis die Tong es wieder übernehmen.«

      »Das ist doch perfekt! Das ist großartig, Billy.«

      In den nächsten Sekunden einigten wir uns auf den Preis. Ich würde ihm fünfundzwanzig Dollar pro Stunde bezahlen, was sich für ihn wie eine Million anhörte, und wir beschlossen, uns am nächsten Abend um 22 Uhr zu treffen.

      Er begann die Straße zu überqueren, blieb dann aber stehen und drehte sich noch einmal zu mir um. »Oh. Danke, dass du uns geholfen hast. In jener Nacht.«

      »War mir ein Vergnügen, Billy. Hat mich gefreut, dich kennenzulernen.«

      Da lächelte er. Was für ein süßer Kerl.

      Tja, liebes Tagebuch, wie es aussieht, habe ich einen neuen Freund gewonnen und werde ein paar neue Kampfsporttechniken lernen.

      Außerdem bin ich fest entschlossen, mehr über diese Tong zu erfahren.

      7| Judys Tagebuch 1960

      

       10. Februar

      Freddie kommt am Freitag nach Hause, weshalb ich in unserem Apartment alles vorbereite. Ich war eine nette Mitbewohnerin und hab seine Wäsche gewaschen und sogar die Küche saubergemacht! Außerdem habe ich das Gym geputzt, damit alles tipptop aussieht, wenn er wieder da ist. Jimmy war eine große Hilfe für mich, und Freddie und ich haben bereits darüber gesprochen, ihn halbtags einzustellen, damit Freddie nicht so viel arbeiten muss. Aber so, wie ich Freddie kenne, wird er wieder in sein altes Muster verfallen, also muss ich auf ihn aufpassen. Er ist für mich wirklich so etwas wie der Vater, den ich nie hatte.

      Mit Billy habe ich mich seither dreimal getroffen. Ich schleiche mich mit meinem Stiletto-Aufzug nach Chinatown und er lässt mich ins Restaurant. Es trifft sich ganz gut, dass seine Mutter früh zu Bett geht. So wie Soichiro ein Sensei war, lautete das chinesische Wort für Lehrer oder Meister Sifu. Billy ist kein Sifu. Er ist ein Kind und weiß noch nicht allzu viel, aber das, was er kann, bringt er mir bei. Er gibt selbst zu, dass er kein Experte ist und mir manche Dinge vielleicht falsch beibringt. Im Moment lerne ich einfache Grundlagen. Es nennt sich Chow Gar, was ein Teilgebiet des Gottesanbeterinnen-Wushu ist. Ich denke, man kann sagen, dass die japanische Kampfkunst mehr aus geradlinigen Kampftechniken besteht, während die Chinesen eher kreisende Techniken benutzen. Bis jetzt lerne ich nur Übungen, welche die Arme, Hände und den Rumpf betreffen. Ein Konzept des Chow Gar ist das Gen, die Schlagkraft. Dabei geht es darum, dass die Kraft hinter einem Schlag beispielsweise nicht nur aus der Faust oder dem Fuß kommt, sondern aus dem gesamten Körper. Es ist beinahe ein Reflex, ähnlich der Bewegung, wenn man seine Hand von einer heißen Herdplatte zurückzieht. Die Übungen sind im Vergleich zum Karate ziemlich abgehackt. Billy und ich trainieren auch bestimmte Praktiken miteinander, wie das »Armreiben«. Dabei drückt man die Außenseiten der Handgelenke aneinander und vollführt gleichzeitig eine kreisende, »reibende« Bewegung mit den Armen. Man muss darauf achten, den Körper in der richtigen Position zu halten. Das geht ziemlich auf den Oberkörper und die Taille. Ich kann jetzt schon sagen, dass ich Muskeln an Stellen ausbilde, von denen ich nie dachte, dass es dort überhaupt welche gibt.

      Billy hat mir mehr über die Tong erzählt, und ich habe auch Freddie über sie ausgefragt. Freddie berichtete mir, dass die Tongs – denn es gibt mehr als eine – im achtzehnten Jahrhundert aus China herüberkamen, als man Chinatown gründete. Offenbar gibt es überall dort Tong-Netzwerke, wo es Chinatowns gibt, wie etwa in San Francisco. Freddie sagt, die Tongs seien die Kinder der Triaden. Die Triaden sind große Vereinigungen des organisierten Verbrechens und derzeit hauptsächlich in Hong Kong anzutreffen. Die Tongs hier agieren die meiste Zeit über unabhängig, aber einige von ihnen haben Verbindungen zu gewissen Triaden. Die Geschichten, die Freddie mir erzählte, sind unglaublich. Anfang dieses Jahrhunderts gab es in Chinatown Kriege zwischen den Tongs. Ihre Gang-Mitglieder lieferten sich Schießereien in Restaurants, Nachtklubs, Theatern und sogar auf offener Straße. Mittlerweile halten sie sich bedeckt, eher so wie die italienische Mafia in diesen Tagen. Natürlich warnte mich Freddie, mich von ihnen fernzuhalten, weil sie sehr gefährlich seien. Nach dem, was ich in jener Nacht im Januar erlebt habe, glaube ich das sofort.

      Billy klärte mich ein wenig über die gegenwärtige Situation auf. Er erzählte mir, dass die beiden Killer, gegen die wir kämpften, Mitglieder einer Tong namens Flying Dragons wären. Diese waren relativ neu in Chinatown, gehörten aber lose zu der Hip Sing Tong, die bereits seit den Anfangstagen existierte. Die Hip Sing Tong setzt sich sogar für die Gemeinschaft ein und gilt als eine der vielen wohltätigen Organisationen, die in New York existieren, seit die Chinesen das erste Mal hierher emigrierten. Aber sie haben eben auch eine lange Geschichte krimineller Aktivitäten. Einer der größten Bandenkriege fand in den 1920er Jahren zwischen den Hip Sing Tong und ihren Rivalen, den On Leong Tong statt. Die Hip Sing Tong verfügen über ein Gebäude auf der Pell Street, die Hip Sing Association, aber laut Billy weiß niemand, wo sich das Hauptquartier der Flying Dragons befindet. Da es sich bei ihnen nur um eine kleinere Ausgabe dieser Tong handelt, bestehen die Mitglieder nur aus jungen Männern, für gewöhnlich zwischen 16 und 24, die darauf hoffen, sich bewähren zu können, um sich dann einer der größeren Tongs anzuschließen.

      Die beiden Ganoven in jener Nacht waren wie ich Anfang zwanzig gewesen, vielleicht ein wenig jünger.

       12. Februar

      Freddie ist zuhause! Jippie!

      Jimmy und ich wollten eigentlich eine Willkommensparty für ihn schmeißen, aber Freddie bat mich ganz ausdrücklich darum, genau das nicht zu tun. Und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, hat er recht. Wir wollen nicht, dass sich Freddie zu sehr aufregt. Er muss noch eine Weile ruhig und entspannt bleiben, wenigstens einen Monat, bevor er wieder die Arbeit aufnehmen darf. Freddie hasst es, dass er nun Diät halten muss und mit dem Rauchen aufhören soll. Aber bislang schlägt er sich ganz gut. Sofern ihm niemand Zigaretten ins Krankenhaus geschmuggelt hat, hat er es jetzt sechs Wochen lang ohne ausgehalten. Schwierig wird es, wenn er wieder mit anderen Rauchern zusammen ist, und das wird besonders im Gym zu einer Herausforderung werden, denn es ist ausgeschlossen, dort das Rauchen zu verbieten. Dann würden alle einfach woanders hingehen.

      Ich habe die genauen Informationen darüber, was Freddie alles essen und nicht essen darf, also dünstete ich etwas frischen Fisch von der Canal Street – von einem chinesischen Fischmarkt – zusammen mit Kartoffeln und Karotten. Außerdem schenkte ich ihm die Schallplatte »Theme from a Summer Place« von Percy Faith, das alle so mögen. Er hatte es im Krankenhaus im Radio gehört und es gefiel ihm. Ich höre in letzter Zeit viel diese wilde »exotische« Musik aus Polynesien und Hawaii. Als ich Lucy besuchte, war Peter da und spielte uns eine Platte mit dem Namen Les Baxter’s Jungle Jazz vor. Die Musik klang seltsam, aber auch irgendwie schön, also kaufte ich sie mir. Dann erzählte mir der Verkäufer in dem Colony-Store auf dem Broadway von Martin Denny, und so kaufte ich auch dessen Langspielplatte Quiet Village, und ich liebe sie. Ich mag die Art, wie man im Hintergrund die Vögel und Grillen hören kann. Da fühle ich mich, als würde ich


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