Polnische Novellen. Wladislaw Reymont

Polnische Novellen - Wladislaw Reymont


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Tomek hin, was sie gebracht hatten; die eine einen mächtigen Brotlaib, die andere Kartoffeln, dann Grütze, ein paar Mass Mehl, einen Klumpen grünen Salzes, einen Kranz getrockneter Pilze, eine Speckschwarte, einen Quarkkäse, und zu guter Letzt legte Jagustynka eine an den Beinen gefesselte Glucke neben ihm hin.

      »Sie legt dir schon was, Tomek; Eier wirst du haben und zum Lenz auch Kücken, wie es sich gehört.«

      Tomek aber erhob sich von der Bank, sah alles der Reihe nach an, hörte zu und wunderte sich; allmählich fing etwas in seinem Herzen an zu zucken und eine süsse Wärme durchdrang ihn ganz und es begann ihn immer stärker im Halse zu würgen, so dass er nicht mehr länger an sich halten konnte und in ein mächtiges Weinen ausbrach.

      »Liebe Brüder, Christenseelen, womit soll ich das bei euch gutmachen!« murmelte er unter Tränen, aber sie liessen ihn nicht weiter reden, sondern nahmen ihn der Reihe nach in die Arme und küssten ihn, er aber gab die Umarmungen zurück, neigte sich den Älteren zu Füssen und dankte; alles bebte in ihm vor grosser Rührung.

      »Mit Güte bezahlst du es uns wieder oder mit einem Gebet,« sagte Czerwinski ernst.

      »Dominus vobiscum, ament!« fügte der Kirchendiener hinzu.

      »Wir haben ausserdem auf den Rat von Hochwürden beschlossen, damit es dir leichter wird, durch den Winter zu kommen, dass ich die Juswa, der Klemb die Maryscha, der Gulbas die Jaguscha und Boryna die Anka nimmt; den Mädchen soll bei uns kein Unrecht geschehen, und du wirst dir allein schneller helfen können. Die Jagustynka haben gesagt, dass sie zu dir übersiedeln werden, damit du immer was Warmes in den Leib bekommst und Frauenfürsorge hast.«

      »Ich bleibe bei dir, Tomek, eine Waise bin ich so wie du, arm werde ich dich nicht essen, selbst verdiene ich was dazu und es wird mir doch auch unter Männerschutz besser sein.«

      »Mein Gott! liebe Leute, von eurer Güte ist mir doch so, als hätte ich den Frühling im Herzen.«

      »Mit der Not hast du dich zu sehr verbrüdert, Tomek, so dass man dich mit Gewalt von ihr losreissen muss.«

      »Vom fremden Wagen muss einer herunter, selbst mitten ins Wasser.«

      »Ora pro nobis, Domine, ament!« schloss der Kirchendiener, holte aus der Tasche eine Schnapsflasche, räusperte sich, goss das Glas voll und begann also:

      »Hofbauern, so zum Beispiel redet die Heilige Schrift: Ave marysteli Deo gratias, ament ...« und er trank das Glas leer. »Da es gut ist, ein Gläschen Schnaps zu trinken, um die bösen Säfte aus der Leber zu vertreiben, so trinkt auch Ihr, Tomek Baran, und dann wollen wir gemeinsam ein Gebet zu des heiligen Josephs Ehren beten und zum Schluss: Mea culpa, mea maxima culpa, ament.«

      Sie setzten sich, wo ein jeder Platz fand, tranken etwas Schnaps vor lauter Rührung, assen Brot dazu, sangen fromme Lieder für den Verstorbenen und gingen schliesslich auseinander.

      Gleich am nächsten Tag kamen die Frauen, um die Mädchen zu holen.

      Es wurde Tomek schwer, sich von den Kindern zu trennen, denn sie weinten, fielen ihm zu Füssen, baten, dass er sie nicht zu den Leuten fortgeben sollte, aber der Tomek hatte sich ganz in sich verbissen und herrschte sie zuletzt rauh an:

      »Macht, dass ihr fortkommt, sonst werd' ich euch verprügeln wie gottverdammtes Vieh!«

      Und kaum dass sie fort waren, machte er sich selbst auf und davon, um den ganzen Tag im Wald umherzustreifen.

      Der Winter begann milder zu werden, es kam ein grosses Tauwetter und so viel Schnee schmolz dabei weg, dass man im Walde unaufhörlich das Aufschlagen der Äxte hören konnte und die Holzstösse sich unübersehbar schichteten.

      Tomek ging alltäglich auf Arbeit.

      Er sehnte sich nach den Mädchen, besonders an den Abenden, wenn er von der Arbeit heimgekehrt war, und obgleich immer das Abendessen fertig war, fehlten ihm doch die lieben Kinderköpfe um die Schüssel herum sehr, dann auch das frohe Gezwitscher seines Jusek.

      Manchmal kam eins der Mädchen aus dem Dorf angerannt, blieb eine Weile sitzen, erzählte allerlei über ihre Wohltäter, über das Essen und ihre neuen Kleider und eilte sich wieder davonzukommen, denn schon hatte sie Sehnsucht nach dem Dorf und nach den Menschen; die elende, verwahrloste Hütte stiess sie alle ein wenig ab. Tomek verstand das recht gut, denn einmal nach dem Fortgang von Maryscha sagte er zu Jagustynka, welche die ganze Zeit, die ihr von der Besorgung des armseligen Haushalts übrig blieb, dazu benutzte, Flachs zu spinnen, Wolle zu krempeln oder Garn zu haspeln:

      »Mein lieber Toter wäre nicht so von mir gegangen. Gut sind die Mädchen schon, so wie die Meinen auch, aber es sind doch bloss Mädchen,« und er machte eine wegwerfende Handbewegung.

      »Wahr ist es schon, ich selbst bin doch eine Frau, aber das sage ich: ein Junge, das ist – ein Junge. Zur Zügellosigkeit ist so einer bereit, versteht sich, und schneller bei der Hand, aber auch bei der Arbeit ist es so. Wenn er so alt gewesen wäre wie die Maryscha, dann hätte er doch an der Bahn Geld verdienen können, nicht wahr?«

      »Versteht sich, dass er was verdient hätte, denn wenn sie mir auch keine Arbeit geben wollen, ihm würden sie sie gegeben haben.«

      Und im Anschluss daran begann Tomek sich seines Elends und des ihm geschehenen Unrechts zu erinnern, bis er endlich die Alte fragte: »Warum ist denn das so, Mutter, dass, obgleich wir mit den Herren des gleichen Glaubens und der gleichen Sprache sind, diese gegen uns immerzu was zu bellen haben, wie die bissigen Hunde, nicht ein gutes Wort sagt so einer dem Menschen, und wenn er einen benachteiligen kann, dann tut er es auch sicher – und alles gehört ihnen oder den Juden?«

      »Warum? Eine Teufelseinrichtung ist das und nichts anderes. Wodurch hält denn der Teufel die Seelen im Pech, wie unsereiner Hanf unter Wasser?« fragte sie und liess ihre Spindel auf dem Lehmboden aufsurren.

      »Es scheint mir dadurch, dass die Seelen der Menschen sündig sind.«

      »Und das dumme Volk ist vielleicht nicht sündig?«

      »Warum ist es denn dumm?«

      »Hale? Wenn jeder wüsste, wie? was? und wofür? – dann würde ihn niemand am Kopf festhalten wie einen hilflosen Beissker und würde ihm nicht den Atem abdrücken, wie einem Schwein, das geschlachtet werden soll; das versteht sich.«

      »Schlecht geht es zu in dieser Welt.«

      »Es muss wohl so sein müssen, wenn es so ist.«

      »Gewiss. Ein Bauernkopf findet dagegen keinen Rat.«

      »Auch ein anderer nicht, wenn er selbst so gelehrt wäre wie dem Pfarrer seiner und so klug wie ein zweiter Papst.«

      »Sondern? ...«

      »Sondern es wird von selbst geschehen, wenn die Zeit danach sein wird. Merk' dir dies bloss: warum sät einer nicht Hafer in der Zeit der Kartoffelernte?«

      »Na, es ist doch nicht die Zeit, Hafer zu säen im Winter.«

      »Warum geht keiner im Februar, zu Maria Lichtmess, mit dem Pflug oder mit der Egge ins Feld? Warum schert man nicht die Schafe zur Fastenzeit? – Weil es die Zeit nicht ist, weil der Herr Jesus für alles seine Zeit und seine Stunde festgesetzt hat. Merke es dir, dass dieses alles Gottes Einrichtung ist.«

      »Es ist schon wahr, Mutter, ich merk' es wohl, aber es tut einem leid, dass der Mensch, wenn er im voraus was Gutes haben möchte, doch nichts bekommen kann.«

      »Aber wollen muss jeder und seine Zeit abfassen. Kommt die Zeit, im Lenz die Kartoffeln zu pflanzen, Hafer zu säen – und du würdest weder säen noch pflanzen wollen – wie würdest du dann zur Zeit der Kartoffelernte etwas


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