Stumbling Into Love. Aurora Rose Reynolds

Stumbling Into Love - Aurora Rose Reynolds


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jetzt?«, frage ich mich laut.

      Ich kann nicht zurückgehen und an seine Tür klopfen. Ich würde wie eine komplette Idiotin aussehen, wenn ich das täte.

      Was würde ich sagen? Hallo! Ich habe mich gerade aus deinem Bett und deiner Wohnung geschlichen, aber ich bin zurückgekommen, weil ich glaube, dass ich mein Handy bei dir vergessen habe. Kann ich reinkommen und danach suchen?

      »Google ist die Antwort.« Ich nehme meine Hände von meinem Gesicht, lehne mich zurück und sehe den Mann an, der vor mir steht. Sein weißes Haar ist ein wildes Durcheinander und ragt in alle Richtungen, sein Gesicht ist blass und seine Kleidung ist schmutzig und zerrissen. »Google ist immer die Antwort. Folgen Sie Google.«

      Er kommt noch ein Stück näher und dreht seinen Kopf hin und her. Seine Pupillen sind geweitet und sein Puls pocht heftig unter der Haut an seinem Hals. Sofort ist mir klar, dass er high ist. Was bedeutet, dass er labil ist. Mein Dad hat mir immer eingetrichtert, ich solle niemals Angst zeigen, niemals jemanden glauben lassen, er könne mich einschüchtern. Diese Worte habe ich mir zu Herzen genommen. Ich recke das Kinn, und er bleibt stehen, doch ich entspanne mich nicht. Keinesfalls darf ich unachtsam werden. Ich schiebe meine Hand in die Tasche meines Mantels, lege meine Finger fest um mein Pfefferspray, und stehe auf.

      Er bewegt sich nicht, sein Blick bleibt jedoch auf mich gerichtet, als ich langsam vor ihm zurückweiche und mich neben ein junges Paar stelle, das gerade miteinander rummacht. Daneben sitzt ein älterer Herr, der Zeitung liest. Als ich das Geräusch der Bahn höre, die durch den Tunnel rast, seufze ich erleichtert auf. Es ist die Bahn, die ich nehmen muss. Sobald sie anhält und sich die Türen öffnen, steige ich in ein überfülltes Abteil und setze mich auf einen Platz gegenüber der Türen. Dann beobachte ich, wie sie sich schließen, und die Bahn anfährt.

      Etwas Schwarzes erregt meine Aufmerksamkeit, und ich drehe mich zur Seite. Als ich Wesley erblicke, weiten sich meine Augen. Er trägt eine graue Jogginghose, einen schwarzen Hoodie sowie Turnschuhe – und er rennt den Bahnsteig entlang hinter meinem Waggon her. Ohne nachzudenken, stehe ich auf. Sein enttäuschter Blick trifft meinen, kurz bevor wir in den Tunnel fahren und er aus meinem Sichtfeld verschwindet.

      Ich nehme wieder Platz, senke die Lider, lehne meinen Kopf zurück und positioniere meine Handtasche vor meinem Bauch. Gleichzeitig versuche ich, die Welle von Übelkeit zu stoppen, die mich überrollt.

      Er ist mir nachgelaufen.

      Ich habe keine Ahnung, woher er wusste, dass ich die Bahn nehmen würde.

      Aber er ist mir nachgelaufen. Oder zumindest glaube ich das.

      Stirnrunzelnd spüre ich, wie mir schwer ums Herz wird, als mir der Gedanke kommt, dass er wahrscheinlich mein Handy gefunden und nur versucht hat, mich einzuholen, damit er es mir zurückgeben kann. Die Augen wieder öffnend, atme ich einmal tief ein und aus. Ich muss herausfinden, wie ich mein Mobiltelefon zurückbekomme. Es wird unangenehmer sein, als mit ihm aufzuwachen, aber ich kann es mir nicht leisten, ein neues zu kaufen.

      Sobald ich meine Haltestelle erreicht habe, eile ich die Stufen ins Freie hinauf und gehe die restlichen drei Blocks zu Fuß nach Hause. Libby und ich teilen uns eine Wohnung mit einem Schlafzimmer im zweiten Stock eines Dreifamilienhauses. Das Haus ist ein traditioneller New-Yorker-Sandsteinbau mit einer breiten Veranda davor. Im Sommer sitze ich morgens gern dort und schaue den Kindern in der Nachbarschaft beim Spielen zu, während ich meinen Kaffee trinke.

      Ich habe die Wohnung gekauft, als ich nach New York gezogen bin. Es war das Einzige, was ich jemals hatte, das nur mir gehörte, das Erste, was ich nicht mit meinen Schwestern teilen musste. Nun, bis Fawn in die Stadt kam, um aufs College zu gehen. Libby stieß kurz darauf ebenfalls zu uns. Zum Glück lebt Fawn inzwischen nicht mehr bei uns. Ich liebe meine Schwestern, aber als wir drei uns den wenigen Platz teilen mussten, haben wir uns oft gestritten.

      Im Foyer mache ich bei den Postfächern Halt und ziehe eine Handvoll Briefe aus meinem, wobei es sich größtenteils um Werbemüll handelt. Im Augenwinkel sehe ich, wie Miss Ina ihre Wohnungstür einen Zentimeter öffnet, um zu erspähen, wer sich im Flur aufhält. Ich bin nett und lächle sie an, was ich jedoch sofort wieder bereue, denn sie missversteht meine Geste als Einladung, die Tür vollständig zu öffnen.

      Miss Ina ist achtzig Jahre alt. Eine kleine, alte Frau mit einem Buckel, der sie noch kleiner erscheinen lässt, als sie ohnehin schon ist. Ihr weißes Haar sieht aus wie eine große, aufgetürmte Wolke und ihre Haut ist praktisch bereits durchsichtig. Ihre braunen Augen hingegen sind so dunkel, dass sie fast schwarz wirken. Ich schwöre, wenn sie dich ansieht, ist es, als würde sie dir direkt in die Seele blicken und diese nach all den Fehlern, die du in deinem Leben begangen hast, durchleuchten. Sie ist über alles, was in diesem Haus passiert, informiert. Sie weiß alles über jeden – manchmal noch, bevor derjenige selbst weiß, was bei ihm los ist.

      »Wir müssen reden«, sagt sie ihre Gehhilfe vor sich herschiebend, als sie in den Eingangsbereich hinaustritt.

      »Wie kann ich Ihnen helfen, Miss Ina?«, frage ich und beobachte, wie sie näher humpelt und mit quietschender Gehhilfe auf mich zuschleicht.

      »Ich kann nicht schlafen, wenn es da oben so laut ist.«

      »Miss Ina, wir haben darüber gesprochen. Das Haus ist alt. Es ist nicht schallisoliert. Libby und ich versuchen beide, leise zu sein, aber Sie können nicht erwarten, dass wir die ganze Zeit auf Zehenspitzen herumlaufen«, entgegne ich so nett wie möglich.

      Sie schnaubt. Dabei tut sie mir sogar leid. Ich weiß genau, was sie durchmacht, da über uns eine Familie mit drei kleinen Kindern lebt. Wir können alles hören, was sich oben tut – und ich meine damit wirklich alles – von den Kindern, die mit Autos auf dem Boden spielen bis zu Mrs und Mr Kinds Bett, das nachts gegen die Wand schlägt, während sie an einem vierten Baby basteln.

      »Ich brauche meine Ruhe. Ihr Mädchen müsst rücksichtsvoller gegenüber euren Nachbarn sein«, verlangt sie.

      Ich seufze. Ich habe diese Sache oft genug mit ihr durchgekaut, um zu wissen, dass sie nicht ohne meine Einwilligung aufgeben wird, auch wenn ich ihr diese eigentlich gar nicht gebe. »Wir werden uns bemühen, leiser zu sein.«

      Ihre Antwort besteht aus einem weiteren Schnauben. Ich versuche erst gar nicht, sie zufriedenstellen zu wollen, weil es unmöglich ist. Stattdessen stecke ich meine Post in meine Tasche, mache einen Bogen um Ina und ihre Gehhilfe herum, und gehe zur Treppe.

      »Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Miss Ina!«, rufe ich über meine Schulter hinweg, sobald ich die Hälfte der Treppe erklommen habe. Sie antwortet nicht – was ich auch nicht erwartet hätte.

      Ich schließe die Tür zu meiner Wohnung auf, die beim Aufdrücken laut knarrt. Nach dem Eintreten schließe ich sie hinter mir. Okay, ich knalle sie eher ein wenig ins Schloss, damit sie zugeht – und um Ina zu ärgern. Dann entledige ich mich meiner Handtasche sowie meiner Jacke und lege beides auf die Couch. Als Nächstes ziehe ich meine Stiefel aus und lasse sie neben mir auf den Boden fallen.

      Die Wohnung ist klein, nur knapp vierzig Quadratmeter. Das Wohnzimmer erstreckt sich gleich hinter der Eingangstür und ist kaum groß genug für die Couch, die unter der Durchreiche zur Küche steht. Der Fernseher befindet sich direkt gegenüber. Die Küche ist ebenfalls winzig, was für Libby und mich allerdings kein Problem darstellt, da keine von uns kochen kann. Die Wohnung mag vielleicht nicht fabelhaft ausgestattet sein, aber das Badezimmer ist fantastisch – oder besser gesagt, meine Badewanne ist es. Die alte Klauenfußwanne ist der einzige Grund, warum ich noch nicht ausgezogen bin.

      Da Libby noch bei der Arbeit ist, ziehe ich mich auf dem Weg ins Badezimmer aus. Ich liebe es, ein Bad zu nehmen, das ist genau das, was ich jetzt brauche, um mich nach der Aufregung des Morgens zu entspannen. Ich fülle die Wanne bis zum Rand, schütte eine Handvoll Badesalz ins Wasser und lasse mich hineinsinken. Nach einer Stunde Einweichen trockne ich mich ab und ziehe eine Jogginghose sowie ein T-Shirt an, ehe ich mich mit einer Schüssel Cheerios auf die Couch vor den Fernseher setze. Ich sage mir, dass ich erst nach dem Wochenende darüber nachgrübeln werde, wie ich mein Handy zurückbekomme, mache mir aber dennoch


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