Auf keinen Fall wir. Iris W. Maron

Auf keinen Fall wir - Iris W. Maron


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seinen Freunden. Ich sehe ihm nach, bis er in der Menge verschwunden ist. Ich kann es kaum erwarten, ihm die Kleider vom Leib zu reißen.

      Erst als ich Sven nicht mehr sehen kann, mache ich mich auf den Weg zur Garderobe. Wieder gebrauche ich mitunter meine Ellbogen, um mir meinen Weg zu bahnen. Deswegen bin ich dann auch ziemlich schnell wieder im Besitz meiner Jacke.

      Zum Glück lässt Sven mich nicht lange warten. Geduld gehört nicht zu meinen Stärken. Mit einem Lächeln steht er schließlich neben mir. Schnell holt er sich noch seine Jacke, dann verlassen wir auch schon den Club. Die Stille auf der Straße ist ohrenbetäubend. Meine Ohren dröhnen und der Bass steckt noch in meinem Körper.

      »Wir müssen in die Richtung«, sage ich viel zu laut und deute nach links.

      »Alles klar.«

      Beschwingt schlage ich den Weg zur U-Bahn ein, Sven immer an meiner Seite. Wir haben Glück und die Bahn kommt rasch. Sie ist zwar ziemlich voll – andere Leute sind auch auf dem Heimweg und einige davon reichlich betrunken –, doch wir ergattern noch zwei Sitzplätze.

      »Was machst du so?«, fragt Sven, sobald wir sitzen.

      Okay, Sven will also reden. Na dann: Auftritt Stefan. »Ich bin Pilot.«

      Svens Augen blitzen auf. Offenbar steht er auf Piloten. War eine gute Wahl.

      »Was fliegst du denn?«

      »Ich bin bei einer großen Airline. Meistens mache ich innereuropäische Flüge, eher so die Business-Strecken, nach Brüssel und Paris und so. Aber manchmal mache ich auch Langstreckenflüge, der letzte war nach Sydney.«

      »Cool.«

      Ich nicke und erzähle ihm weiter von meiner Karriere als Pilot. Dass ich früher neben dem Linienfliegen viel Kunstflug gemacht habe, aber jetzt kaum noch Zeit dafür habe. Dass ich aber wieder mehr Kunstflug machen will, weil ich das Adrenalin so geil finde. Und dass die Passagiere immer so hysterisch reagieren, wenn ich mit der 737 einen Looping fliege. Er lacht bei dem Kommentar. Steht ihm gut. Er ist wirklich attraktiv und keiner von den Typen, die eine entstellende Lache haben. Nicht zu viel Zahnfleisch, gerade Zähne. Dass seine Zähne ein bisschen kurz sind, ist der einzige Makel, den ich bis dato an ihm ausmachen konnte. Darüber sehe ich großzügig hinweg.

      Ich steigere mich ein bisschen hinein in die Ausführungen, was das Fliegen für mich bedeutet. Freiheit und Abenteuer und so. Ist natürlich voller Klischees, aber ich bringe es überzeugend rüber. Wenn es etwas gibt, das ich kann, dann ist das reden. Sven ist dafür ein aufmerksamer Zuhörer. Finde ich gut.

      Die Fahrt vergeht erstaunlich rasch. Gefühlt drei Minuten nachdem wir in die U-Bahn eingestiegen sind, steigen wir auch schon wieder aus. Als wir dann die Treppe erklimmen, ertönt plötzlich ein lautes Grollen.

      »Was war denn das?«, gluckse ich.

      »Mein Magen.«

      »Hunger?«

      »Und wie. Vielleicht… oh, ich kauf mir dort drüben noch schnell einen Döner.«

      Sven deutet auf einen Stand am U-Bahn-Ausgang. Ich ziehe skeptisch eine Augenbraue nach oben. »Das willst du essen?«

      »Ja. Ist der beste Döner weit und breit.«

      »Sorgt auch für den besten Mundgeruch.«

      »Hmmm, hattest du etwa vor, mir so nahe zu kommen, dass du das merken würdest?«, erkundigt sich Sven und zwinkert mir zu.

      »Hatte ich.«

      »Dann gibt es nur eine Möglichkeit: Du musst auch einen essen. Dann stinken wir beide und wie heißt es so schön? Geteilter Gestank ist halber Gestank.«

      Er grinst von einem Ohr zum anderen und ich kann nicht anders, ich muss sein Grinsen erwidern.

      »Na schön«, stimme ich zu, zumal ich von dem Gerede übers Essen tatsächlich Hunger bekommen habe.

      »Ausgezeichnet. Ich lade dich ein.«

      Und das tut Sven dann auch tatsächlich. Kurze Zeit später halten wir unsere Döner in den Händen und überqueren die Straße.

      »Ich weiß, was wir jetzt tun!«, ruft Sven plötzlich aus.

      »Zu mir gehen, um zu vögeln?«

      »Auch. Aber erst…« Sven schnappt sich meine Hand und biegt links ab, obwohl wir eigentlich nach rechts gehen müssten. »Komm mit.«

      Ich lasse mich tatsächlich von diesem verrückten Kerl ein Stückchen weiter die Straße entlangzerren, bis wir einen Spielplatz erreichen.

      »Ich bin hier in der Gegend aufgewachsen und damals haben die coolen Jungs hier oft abends abgehangen. Ich wollte das auch immer mal machen.«

      »Na, dann ist das heute natürlich die Gelegenheit.«

      »Finde ich auch.«

      Sven steuert die Schaukeln an und schnappt sich eine, während ich auf der zweiten Platz nehme. Vergnügt schaukle ich ein bisschen vor und zurück, ehe ich in meinen Döner beiße. Ich muss sagen, er ist tatsächlich sehr lecker.

      »Gut?«, nuschelt Sven da auch, den Mund voll von seinem eigenen Döner.

      »Sehr gut«, mampfe ich.

      »Siehst du.«

      Sven nimmt etwas mehr Schwung und ich bin beeindruckt von der Koordination, mit der er zugleich schaukeln und essen kann.

      Während wir essen, reden wir nicht wirklich miteinander. Schon verrückt, hier zu sein. Normalerweise verbringe ich mit meinen One-Night-Stands nicht sonderlich viel Zeit, bevor es zur Sache geht. Und schon gar nicht Döner essend nachts auf dem Spielplatz. Dabei ist es nicht wirklich warm, immerhin haben wir erst Anfang April. Trotzdem finde ich es angenehm hier mit ihm. Sven ist ein lustiger Typ und hat verrückte Ideen. Ich hoffe, das setzt sich heute noch fort.

      Sven ist schneller mit seinem Döner fertig als ich. Er beobachtet mich grinsend beim Essen und als auch ich aufgegessen habe, nimmt er Schwung und schaukelt schneller, höher. Sehr hoch. Plötzlich springt Sven ab, fliegt durch die Luft und landet sicher auf beiden Beinen. Und wow, das sieht wirklich elegant aus.

      Feixend wendet Sven sich mir zu und hält mir eine Hand hin. »Auf geht's.«

      So ein Angeber. Ich schüttle grinsend den Kopf, dann ergreife ich seine Hand und lasse mich wiederum mitziehen. Ein paar Schritte zumindest, dann bleibe ich stehen und ziehe meinerseits Sven zu mir.

      »Muss da was testen«, erkläre ich.

      »Nämlich?«

      »Wirst du gleich sehen.«

      Ich lege meine Arme um Svens Nacken und küsse ihn. Er riecht und schmeckt nach Döner, aber ich werde tatsächlich darüber hinwegsehen. Seine eigene Note kann ich immer noch schmecken. Es fühlt sich gut an, ihn zu küssen. Nach wie vor. Noch besser wird es, als er meinen Kuss begierig erwidert, seine Hände ihren Weg auf meinen Hintern finden und er mich wieder eng an sich zieht.

      Ich weiß nicht, wie lange wir so dastehen. Irgendwann lösen wir uns schwer atmend voneinander. Svens Augen wirken fast schwarz im schwachen Licht der Straßenlaternen.

      »Lass uns abhauen«, meine ich ächzend und diesmal bin ich es, der Svens Hand ergreift und ihn hinter mir herzieht.

      Der Weg zu Thomas' Wohnung ist nicht mehr weit. Nachdem uns U-Bahn und Park zunächst etwas abgekühlt haben, habe ich das Gefühl, dass die kurze Strecke die sexuelle Spannung zwischen uns wieder deutlich steigert. Ab und an streife ich wie unabsichtlich mit meiner Hand gegen seine und einmal rempelt Sven mich daraufhin schmunzelnd an.

      Bei Thomas' Haus angekommen, kann ich gar nicht schnell genug aufsperren.

      »Dritter Stock«, murmle ich und marschiere zur Treppe.

      Sven erklimmt hinter mir die Stufen. Unmittelbar hinter mir. Fast meine ich, seinen Atem im Nacken spüren zu können. Seine Präsenz ist mir jedenfalls nur zu bewusst.


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