Damnificados. JJ Amaworo Wilson

Damnificados - JJ Amaworo Wilson


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höheres Stockwerk ziehen. Aber er weiß auch, dass er kurz vor der Verzweiflung ist. Jeden Tag versucht er, die Nachrichten und den Wetterbericht im Radio zu hören. Aber der Empfang ist schlecht und der Bericht verrauscht. Er fingert an den Radioknöpfen, bekommt aber nur einen Sender mit aserbaidschanischen Volksliedern, eine Kaffeewerbung auf Swahili, einen Tennisbericht auf Gujarati, eine Sketch-Sendung auf Isländisch.

      In seiner Verzweiflung befragt er ein Medium im fünfundvierzigsten Stock. Der Chinese nimmt ihn auf die Schultern und steigt die nasse Treppe hinauf. Die Frau öffnet die Tür in einem schmutzigen, rosafarbenen Morgenmantel und sagt: »Entschuldige meinen Aufzug. Ich habe niemanden erwartet.« Sie bittet sie herein, schaut sich Nachos Handfläche an und sagt: »Du wirst ein langes und glückliches Leben führen«. Und er erwidert: »Danke, aber ich brauche einen Wetterbericht.« Sie rührt in ein paar Teeblättern in einem Becher mit Wasser, studiert diese und sagt: »Regen.«

      Der Chinese bringt Nacho die letzten fünfzehn Stockwerke hinauf bis aufs Dach und Nacho betrachtet die sie umgebende Wasserlandschaft. Der Regen ist jetzt ein dichtes Nieseln, ein grauer Schleier, der den Himmel verbirgt. Mit Mühe kann er eine Handvoll anderer Türme und Wolkenkratzer in der Stadt ausmachen, die noch stehen.

      Er sagt: »Wir müssen eine Botschaft aussenden. Wir brauchen Hilfe. Lebensmittel. Wasser. Aber wie? Wir sind Nicht-menschen. Damnificados. Niemand wird uns helfen, weil wir nicht existieren.«

      Der Chinese steht neben Nacho und schaut in den Abgrund, scheint zustimmend die Lider zu bewegen.

      Nacho, dem der Regen durchsichtige Perlen ins Haar zaubert, wendet sich plötzlich zu seinem Freund um. Er hat eine Idee.

      »Wir brauchen Brieftauben.«

      Eine Umfrage im Gebäude ergibt, dass von den sechzehn Tauben, die die Damnificados hielten, zehn gegessen wurden, zwei sind nicht mehr die alten, seit sie von Übermoskitos gestochen wurden und das Zittern bekamen, eine ist an natürlichen Ursachen gestorben und drei sind geflohen. Nacho gibt die Idee wieder auf und beschlagnahmt stattdessen ein Dutzend weiße Laken.

      »Was zum Teufel soll das werden – eine Gespensterparty?«, fragt Regenmantel, als Hans sich sein schönstes kunstseidenes Laken schnappt und Dieter die Schaumstoffmatratze wieder zurechtschiebt.

      »Buhuuuuuuuuuuuuuu!«, heult Hans Regenmantel ins Gesicht.

      »Verpiss dich«, sagt Regenmantel. »Hast du gehört?«

      »Er spricht deutsch!«, sagt Dieter zu Hans.

      »Ja, und ich will mein Laken bis heute Abend wiederhaben, sonst trete ich euch zwei abgehalfterte Krauts ins Nirwana. Verstehst du?«

      »Ja, mein Herr!«, sagt Dieter, die Füße bereits auf den Stufen.

      Nachdem sie die Laken zusammengenäht haben, so dass jetzt vier große Rechtecke entstanden sind, malt Nacho auf jedes Laken »Hilfe!« in acht Sprachen und hängt sie im dreißigsten Stockwerk auf, eines auf jede Seite des Gebäudes. Der Regen peitscht die Laken, durchnässt sie, bis die Worte nur noch Suppe sind und Nacho nimmt sie ab und fängt von vorne an. Dies macht er sechs Mal die Woche. Aber er weiß, dass die Stadt blind ist. Er hat seit zwölf Tagen keine Menschenseele mehr in der Nähe des Turms gesehen. Er hat Autos die Straße heruntertreiben sehen, Laternenpfähle, einen Chinarindenbaum, Moskitos und Libellen, die sich im gebrochenen Licht duellieren, aber niemanden von der Außenwelt.

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      Und was ist das?

      In den trüben Wassermassen, im peitschenden grauen Regen, zeichnet sich ein Umriss ab, bewegt sich durch die Stadt, nähert sich dem Turm, klein und resolut. Nacho kann ihn gerade so erkennen. Er bewegt sich im Slalom zwischen den Dächern der wenigen verbliebenen Bodegas hindurch, den Spitzen der noch aufrechten Laternenpfähle, dem umhertreibenden Abfall. Im Näherkommen wird der Umriss immer größer, auch wenn er kaum über einen Meter misst.

      Eine Stimme singt in geschmeidigem Bariton und nur ein kleines bisschen schief: »Row row row your boat gently down the stream! Merrily merrily merrily merrily, life is but a dream!«

      Die Stimme wird vom strömenden Regen gedämpft, aber sie wiederholt den Refrain. Der Umriss wird als Boot erkennbar. Eine verbeulte Rostwanne aus Blech und Balsaholz, ein Stück gewelltes Plastik als Dach. Seitlich sind Reifen mit Stricken befestigt. Eine schlaffe Fahne auf dem Dach, ein Flickwerk an Lumpen in gelb, schwarz und grün. Vorne im Boot sitzt ein adretter Pirat, dem der Regen nichts auszumachen scheint, herausgeputzt mit Kopftuch und einem Zweiwochenbart, er hat einen Fuß auf eine Kiste gestellt, während er mit den Händen steuert. Das Boot wird mit Säcken, Kisten und Plastiktüten beschwert. Es ist fast schon am Eingang des Turms.

      »Row row row your boat gently down the stream! Merrily merrily merrily merrily, life is but a dream!«

      Nacho ruft: »Emil! Emil!«

      Andere Gesichter kommen an die Fenster auf der Nordseite. Sie jubeln. Und in diesem Augenblick schaut auch Maria, die Friseurin, hinaus und verliebt sich.

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