Lost Places fotografieren. Peter Untermaierhofer
Ort zu übersehen, ich habe jedoch die Chance, ganz neue Bilder zu machen, unbeeinflusst vom Blick anderer. Durch diese Vorgehensweise wird meine Kreativität im Vorfeld nicht schon in bestehende Bahnen gelenkt. Stattdessen kann ich den Lost Place mit offenen Augen und unvoreingenommen erkunden, meine eigenen Einstellungen finden und meinen eigenen Stil pflegen und entwickeln.
Versuchen Sie Neues, was man nicht schon hundertmal auf diversen Fotoportalen gesehen hat. Das ist kein einfacher Weg, doch kann er Sie dahin führen, dass Sie etwas ganz Neues entdecken oder auf neue Ideen kommen, die Ihren Bildern ein Alleinstellungmerkmal geben.
Vielleicht sind Sie ja schon dabei, Ihren eigenen Stil zu entwickeln? Am besten betrachten Sie Ihre Bilder einmal alle und machen sich Notizen dazu. Wo fallen Ihnen Übereinstimmungen auf, wo sind Unterschiede? Was haben alle Bilder gemeinsam, das Ihnen gefällt?
Verschiedene Wege zum HDR-Bild
HDR aus einer Belichtungsreihe
In den meisten Fällen wird ein HDR-Bild aus einer mehr oder weniger umfangreichen Belichtungsreihe erstellt. (Die entsprechende Funktion Ihrer Kamera heißt vermutlich Bracketing.) Diese Reihe kann bereits mit zwei Bildern starten, wobei (theoretisch) nach oben hin keine Grenzen gesetzt sind (was nicht heißt, dass die Belichtungsreihe umso besser ist, je mehr Bilder vorhanden sind.) Im nachfolgenden gebe ich Ihnen einen Überblick über dieses Verfahren – eine detaillierte Beschreibung finden Sie ab Seite 136.
Bei einer Belichtungsreihe erstellen Sie nicht nur ein Bild mit der für die Szene laut Belichtungsmesser optimalen Belichtung, sondern Sie fotografieren zusätzlich weitere Bilder, die entweder unter- oder überbelichtet sind. Sie müssen also vorab entscheiden, wie viele dieser zusätzlichen Bilder Sie benötigen und wie groß die Abstände dieser Belichtungen untereinander sein sollen.
Die Belichtungsabstände werden in EV-Werten gemessen (Exposure Value, 1 EV entspricht einer ganzen Blenden- oder Zeitstufe), die der Belichtungsmesser der Kamera misst und in der Regel im Kameradisplay anzeigt. Wenn Sie z.B. eine Belichtungsreihe mit sieben Aufnahmen und Belichtungsabständen von jeweils 1 EV erstellen, erhalten Sie neben dem Foto »in der Mitte der Reihe« mit O EV sechs weitere Bilder mit -3 EV, -2 EV, -1 EV sowie mit +1 EV, +2 EV und +3 EV. (Die Bracketing-Funktion Ihrer Kamera wird ab Werk auf kleinere Schritte eingestellt sein – etwa 2/3 EV oder 1/3 EV.)
Wenn Sie das Bracketing definiert haben und den Auslöser drücken, fotografiert Ihre Kamera die Belichtungsreihe in einem Rutsch durch. Die folgenden Bilder zeigen das Prinzip am Beispiel eines Treppenhauses.
Nikon D800, 14 mm, 0,4 s, f/9, ISO 100
Nikon D800, 14 mm, 1,6 s, f/9, ISO 100
Nikon D800, 14 mm, 6 s, f/9, ISO 100
Nikon D800, 14 mm, 25 s, f/9, ISO 100
Nikon D800, 14 mm, 96 s, f/9 ISO 100
Es versteht sich, dass die Kamera während der Belichtungsreihe nicht bewegt werden darf. Die Verwendung eines Stativs ist also unerlässlich, da sonst beim späteren Übereinanderlegen der Bilder in der HDR-Software Unschärfen oder sogenannte Geisterbilder entstehen können. So werden Bilder genannt, bei denen der Bildausschnitt nicht exakt derselbe ist, wodurch im fertigen Bild halbdurchsichtige Konturen auftreten. Geisterbilder entstehen auch, wenn sich während der Aufnahme der Belichtungsreihe verschiedene Objekte im Motiv bewegen. Vor allem Wind ist bei Bäumen oder leichten Gegenständen wie Vorhängen oder dünnen Blechen ein großes Problem.
Zusätzlich sollten Sie für das Auslösen der Kamera einen Fern- oder Kabelauslöser verwenden. (Ersatzweise können Sie auch den Selbstauslöser auf ein paar Sekunden Vorlauf einstellen.) Dies verhindert, dass die Kamera beim Berühren der Auslösetaste verwackelt und es dadurch zu Unschärfe im fertigen Bild kommt.
Sollte die verwendete Kamera kein Bracketing unterstützen, können Sie mit etwas mehr Aufwand trotzdem Belichtungsreihen erstellen. Dazu müssen Sie den Belichtungsmesser der Kamera auf Spotmessung einstellen und einmal den hellsten und einmal den dunkelsten Punkt im Motiv ausmessen (eine genaue Anleitung finden Sie weiter hinten auf Seite 136). Hierbei arbeiten Sie im Modus Blendenpriorität, bei dem der Blendenwert fest eingestellt ist und die Kamera die Belichtungszeit anhand der herrschenden Lichtverhältnisse automatisch nachführt.
Im nächsten Schritt richten Sie die Mitte des Kamerasuchers auf die hellste bzw. dunkelste Stelle im Motiv aus, notieren sich jeweils die von der Kamera berechnete Belichtungszeit und stellen dann in den manuellen Modus um. Ist das Motiv eingerichtet, beginnen Sie mit der kürzesten Belichtung. Nach dem ersten Bild erhöhen Sie die Belichtungszeit um zwei bis drei Schritte, je nach Motiv, persönlichen Erfahrungen und gewünschter Anzahl der Bilder in der Belichtungsreihe. Dies machen Sie so lange, bis die Belichtungszeit erreicht ist, die Sie an der dunkelsten Stelle des Motivs gemessen haben. Aber Vorsicht: Bei dieser Variante besteht die Gefahr, dass sich bei jedem Anpassen der Belichtungszeit die Kamera leicht verschiebt.
Durch eine Belichtungsreihe behalten Sie in jedem Bereich Ihres Motivs Bildinformationen, die in einer einzelnen Aufnahme entweder ins reine Weiß ausfressen oder ins reine Schwarz absaufen würden. Die Informationen, die jetzt noch auf verschiedene Bilder verteilt sind, müssen Sie nun mit der HDR-Software in ein einzelnes Bild zusammenrechnen, um ein Motiv so wiederzugeben, dass es für das menschliche Auge wieder realistisch wirkt.
HDR aus einer RAW-Datei (Pseudo-HDR)
Da es nicht ohne Weiteres möglich ist, HDR-Bilder mit sich bewegenden Objekten fehlerfrei mit einer Belichtungsreihe zu erstellen, gibt es noch eine weitere Methode, um einen höheren Dynamikumfang zu erhalten. Dieses Verfahren heißt Pseudo-HDR, da als Ausgangsmaterial dieser Bilder keine Belichtungsreihe, sondern ein einzelnes Bild im RAW-Format direkt in der HDR-Software verarbeitet wird.
Auch hier sollten Sie beim Fotografieren bereits darauf achten, dass im Histogramm möglichst viel Bildinformation in den hellen und dunklen Stellen vorhanden ist und nichts in reinem Schwarz bzw. Weiß verloren geht. Die Reserven, die das RAW-Format hier bietet, werden nun genutzt, um eine künstliche Belichtungsreihe zu berechnen und diese zu einem HDR zusammenzufügen. Dadurch lassen sich, je nach Dynamikumfang des Kamerasensors, beeindruckende HDR-Bilder erstellen. Das Ergebnis reicht bei einem hohen Dynamikumfang des Motivs zwar nicht an ein HDR-Bild heran, das aus einer Belichtungsreihe erstellt wurde, kommt diesem aber deutlich näher als eine herkömmliche Einzelaufnahme.
Reines HDR
Fertiges Ergebnis nach der Optimierung in Photoshop
HDR ohne HDR-Software
Dank der steten Verbesserung der RAW-Konverter wie Camera RAW hat sich in den letzten Jahren noch eine weitere Methode etabliert, um die Dynamik eines Einzelbildes zu erhöhen. Adobes Camera RAW hat umfangreiche Kontrollregler zu Licht und Schatten, sodass Sie ganz ohne HDR-Software ein hochdynamisches Bild erzeugen können. Dies funktioniert vor allem über die zwei Regler Tiefen und Lichter. Mit ihnen können Sie ausfressende