Athanor 2: Der letzte König. David Falk

Athanor 2: Der letzte König - David  Falk


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hing fest. Spitzkinns Faust sauste auf Vindurs Kopf zu, als sich eine Ranke wie eine grüne Peitsche um das Handgelenk des Elfs schlang und den Hieb gerade noch abfing. Ein rascher Blick bestätigte Athanor, dass das magische Gespinst auch seine Füße an den Boden fesselte.

      »Schluss damit! Sofort!«, tönte die Stimme des Erhabenen über den Festplatz.

      Der scharfe Ton ließ Blondschopf innehalten, der außer Reichweite gekrochen war, um sich nun von hinten auf Vindur zu stürzen. Schuldbewusst sah er sich zu Peredin um, dessen Frau Merava in der Nähe stand und ihrem in sich gekehrten Blick nach zu urteilen den Rankenzauber wirkte.

      Obwohl er leises Bedauern über das jähe Ende der Schlägerei empfand, atmete Athanor auf. Peredin war ihm nicht nur freundlich gesinnt, sondern auch der Vorsitzende des Hohen Rats zu Anvalon und das Oberhaupt der Abkömmlinge Ardas. Bevor ihn der Rat zum Erhabenen gewählt hatte, war er hier in Ardarea zu Hause gewesen und nun auf einen Besuch in die Heimat gekommen.

      Die lebenden Fesseln lösten sich, während die Menge dem Erhabenen die letzten Schritte zu den Streithähnen freigab. »Schämt ihr euch nicht, das Fest der Heiligen Acht mit einem so unwürdigen Schauspiel zu verderben?«, tadelte er. Wie so oft trug Peredin eine schlichte Robe aus grüner Rohseide, die so verhalten schimmerte wie sein ergrauendes Haar. Ein ärmelloser brauner Ziermantel komplettierte die Farben der Abkömmlinge Ardas, wodurch der Erhabene die Zugehörigkeit zu seinem Volk unterstrich.

      »Der Mensch hat zuerst zugeschlagen«, blökte der Junge mit den schmalen Schultern.

      »Ich will nichts davon hören!«, herrschte Peredin ihn an. »Der Prinz von Theroia mag reizbar sein, aber auch Worte vermögen zu verletzen. Für euch ist das Fest zu Ende. Geht nach Hause und übt euch in angemessenem Verhalten!«

      Athanor öffnete den Mund, um sich zu entschuldigen, doch der Erhabene wandte sich ebenso harsch ihm zu.

      »Das gilt auch für Euch«, bestimmte Peredin und sah dabei auch Vindur an. »Ihr habt diesen Tag durch sinnlose Gewalt entweiht. Beleidigt die Heiligen Acht nicht länger durch Eure Anwesenheit!«

      Es fiel Athanor schwer, den Vorwurf widerspruchslos zu schlucken, doch Vindur stieß ihn mit dem Ellbogen an.

      »Er hat recht. Wir hätten uns am Riemen reißen müssen. Gehen wir.«

      Widerstrebend folgte Athanor seinem Freund, und die feindseligen Blicke der Elfen begleiteten sie. Athanor spürte sie wie Stiche in seinen Rücken. Wie sehr hatte er Elanyas Volk dieses Mal gegen sich aufgebracht?

      * * *

      »Baumeisters Bart!«, brach es aus Vindur heraus, sobald sie außer Hörweite der Festgäste waren. »Dem hast du vielleicht eine eingeschenkt! Dafür schulde ich dir ein Bier.«

      »Ach, Unsinn. Ich hätte ihm schon viel früher eine reinhauen sollen.« Prüfend betastete Athanor sein Kinn und bewegte den Kiefer. Mit einem kurzen Knirschen rastete das Gelenk wieder ein. »Hat sich verdammt gut angefühlt.« Er konnte sich das Grinsen nicht länger verkneifen.

      Vindur lachte. »Und ob! So viel Spaß hatte ich lange nicht mehr. Ich hab sogar den da oben darüber vergessen.« Vielsagend deutete er zum wolkenlosen Himmel.

      »Darauf sollten wir anstoßen.«

      »Sag ich doch!«

      »Aber nicht mit Bier.«

      Enttäuscht verzog Vindur das narbige Gesicht. »Warum?«

      »Weil ich etwas Besseres habe«, behauptete Athanor und schlug den Weg zum Gästehaus ein. »Komm mit! Dir werden die Augen übergehen.«

      »Wo du das gerade erwähnst, du hättest das Gesicht dieses langen Elends sehen sollen, das du im Schwitzkasten hattest«, prustete Vindur. »Ich habe noch nie einen Elf mit so rotem Kopf gesehen.«

      »Du hast aber auch ganz ordentlich hingelangt«, lachte Athanor.

      »Wie schön, dass ihr euch so gut amüsiert«, ertönte Elanyas Stimme hinter ihnen.

      »Ähm, ich glaube, ich muss jetzt nach Hause.« Vindur wedelte wieder vage nach oben. »Der freie Himmel und so. Ihr wisst schon.«

      »Und mit wem trinke ich jetzt die Essenz des Lebens?«, rief Athanor ihm nach. Peredin selbst hatte ihm eine Flasche dieses magisch veredelten Weins verehrt.

      »Du willst auch noch feiern, dass du mir und allen anderen das Fest verdorben hast?« Kopfschüttelnd schritt Elanya an ihm vorbei zum Eingang. »Ich fasse es nicht!«

      »Wer hier wem das Fest verdorben hat, kann man auch anders sehen«, erwiderte Athanor und folgte ihr ins Haus. »Wenn du gehört hättest, was sie gesagt haben, wärst du genauso wütend geworden wie ich.«

      Elanya brachte die halbkreisförmige Bank um die Feuerstelle zwischen ihn und sich, als ob sie sich hinter etwas verschanzen müsste. Das Gästehaus bestand aus drei Räumen, und an der Rückwand gab es ein Fenster. Doch das meiste Licht sickerte durch die Baumkronen, die das Dach bildeten. Wie es seinen Weg hereinfand, obwohl der Regen so zuverlässig nach außen abgeleitet wurde, gehörte für Athanor zu den Rätseln der elfischen Baukunst. Bestimmt war dabei Magie im Spiel. Geradeso wie beim Errichten der Wände, die als Gebilde aus schlanken Steinsäulen und dünnen Baumstämmen aus dem Boden wuchsen.

      »Es spielt keine Rolle, was sie gesagt haben«, rief Elanya. »Du hast sie geschlagen! Es ist sogar Blut geflossen. Am Tag der Heiligen Acht! Elfen tun so etwas nicht.«

      »Jetzt komm mir nicht wieder mit dieser alten Leier! Kavarath war auch ein Elf, und seinetwegen sind über hundert Elfen im Kampf gegen die Untoten gestorben. Und sein Sohn? Hat sogar eigenhändig die Erhabene ermordet.«

      »Soll das deine Rechtfertigung sein, halbstarke Maulhelden zu verprügeln?«

      »So jung waren sie nun auch wieder nicht. Aber vielleicht hätte es ihnen gut getan, wenn sie schon früher einmal jemand übers Knie gelegt hätte!«

      »Du würdest ein Kind schlagen?«, fragte Elanya entsetzt.

      »Wie soll man ihnen sonst Respekt einbläuen?« Er erinnerte sich noch gut an die Ohrfeige, mit der ihn sein Vater dafür bestraft hatte, dass er dessen Lieblingsmätresse nachgestiegen war.

      Elanya schüttelte erneut den Kopf. »Vielleicht hatten unsere Ahnen doch recht, sich von den Menschen abzuwenden. Sie kennen nichts als Gewalt.«

      Das wird ja immer besser. Athanor verschränkte die Arme vor der Brust. »Ach ja? Auch Worte können verletzen. Peredin hat es selbst gesagt.«

      »Deshalb schlägt man noch lange nicht zu!«

      »Er hat uns alle beleidigt!«

      »Kennst du nur eine Antwort auf alles? Ein Schwert in die Rippen oder eine Faust ins Gesicht?«

      »Wenn du mich so siehst, warum bist du dann hier? Anscheinend gefällt es dir.«

      Elanya drehte sich abrupt um und marschierte zum Fenster. Kurz hielt sie dort inne, dann wandte sie sich Athanor wieder zu. Schimmerten etwa Tränen in ihren Augen? Schon dafür verspürte Athanor Lust, diesem Widerling noch einmal die Faust ans spitze Kinn zu rammen.

      »Ich habe immer mehr in dir gesehen als jene, die euch Menschen hassen«, brachte Elanya heraus. »Vielleicht solltest du jetzt lieber gehen, bevor ich den Eindruck gewinne …«

      Ich werde mir das nicht länger anhören. »Du findest mich bei Vindur!«, fiel er ihr ins Wort und stürmte hinaus.

      2

      Davaron kehrte erst vom Teich der Mondsteine zurück, als er sicher war, keine Feiernden mehr zu treffen. Im Lauf der Jahre hatte er eine Abneigung gegen Feste jeder Art entwickelt, und jedes Mal, wenn er doch wieder eines besuchte, langweilten ihn das sinnlose Geplauder und die schlecht maskierten Eitelkeiten. Lieber hatte er am Weiher gesessen und im Schein einer Laterne die alte Handschrift aus Omeons Bibliothek gelesen. Die Erzählung des Seefahrers begann so dröge, wie Davaron befürchtet hatte. Doch nachdem Eleagon auf eine


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