Athanor 2: Der letzte König. David Falk

Athanor 2: Der letzte König - David  Falk


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Klinge frei, stach von unten nach der Kehle des Gegners. Die Schwertspitze glitt im gleichen Moment hinein, da der Kerl mit der Axt samt Helm zum Hieb ausholte wie mit einem unförmigen Hammer. Aus hervorquellenden Augen starrte er Athanor an. Der Waffenarm zuckte im Ansatz des letzten Hiebs, bevor er kraftlos herabsank.

      Hastig zog Athanor sein Schwert zurück und sah sich nach dem anderen Gegner um, doch der drosch bereits auf einen neuen Theroier ein. Vergeblich versuchte Athanor, das Blut aus seinem Auge zu wischen, das ihm die Stirn hinabrann. Blinzelnd wandte er sich dem Kyperer zu, der mit erhobenem Speer auf ihn zukam. Athanor spürte eine Kälte in seinem Herzen, als ob er einen Klumpen Eis in der Brust trug. Sollte das hier das Ende sein? Würde er auf diesem Schlachtfeld sterben, nur weil die götterverfluchten Drachen das Bündnis brachen? »Was zum Dunklen hält euch so lange auf?«, brüllte er den Barbaren an, ohne ihn zu meinen.

      Für einen Lidschlag verwirrten die Worte den Mann. Der Moment genügte Athanor, um sein Pferd herumzuwerfen, sodass der Speer nur den Schild traf und darin stecken blieb. Mit einem Ruck riss er dem Feind den Speer aus der Hand, der sich unwillkürlich vorbeugte, um die Waffe wieder zu ergreifen. Athanors Schwert zuckte dem Kerl entgegen, drang durch ein Auge in den Schädel. Der Barbar schrie auf, bevor er abrupt verstummte.

      In diesem Moment glitt ein riesiger Schatten über Athanor hinweg. Einen Lidschlag später tauchten weiße Flammen das Schlachtfeld in grelles Licht. Die verdammten Drachen waren endlich da.

      1

      Ardarea, zwei Jahre nach Theroias Untergang

      Wer ein Held werden will, muss im richtigen Moment sterben. Den hab ich wohl verpasst. Athanor lächelte sarkastisch.

      Verwirrt wich der Elf, der ihn so finster angestarrt hatte, seinem Blick aus und ging rasch an ihm vorbei. Er kannte ihn nicht. Vermutlich war der Kerl nicht einmal aus Ardarea, doch umso mehr ärgerte Athanor die Feindseligkeit. Behandelte man so den Retter, der die Elfenlande vor der Vernichtung bewahrt hatte? Nur weil er ein Mensch war?

      Wenn das so weiterging, konnte ihm das Fest der Heiligen Acht gestohlen bleiben – auch wenn ihn Elanya wieder mit ihren großen, grünen Elfenaugen ansah. Aber wäre das nicht Feigheit? Er hatte doch nicht ein Trollheer in die Schlacht geführt, um jetzt vor ein paar überheblichen Elfen zu kneifen. Aus allen Himmelsrichtungen wurden Gäste für diese Feier erwartet, mit der die Abkömmlinge Ardas alle acht Jahre ihre Ahnfrau ehrten. Seit Tagen lag Vorfreude in der Luft. Kinder halfen eifrig dabei, Blumen für Girlanden und Gestecke zu sammeln. Erwachsene schleppten heran, was die Gärten für das Festmahl hergaben. Aus einigen Häusern wehte bereits der Duft süßen Gebäcks, und auf allen Gesichtern lag ein Lächeln – bis Athanor vorüberging.

      Nicht alle Elfen hassten ihn. Vereinzelt rief ihm sogar jemand einen fröhlichen Gruß zu. Doch die meisten erwiderten seinen Blick mit versteinerter Miene oder wandten sich wie zufällig ab. Sie wussten genau, was sie ihm verdankten, aber es war ihnen so angenehm wie ein Splitter im Hintern.

      »Soll ich euch was sagen?«, herrschte er im Vorübergehen eine Gruppe Fremder an, die ihn misstrauisch beäugte. »Ich hab’s nicht mal für euch getan!«

      Beunruhigt wichen die Elfen in ihren von der Reise staubigen Umhängen zurück.

      »Es war für die Trolle«, murmelte er. »Und für mich.«

      Er hielt auf das kleine runde Haus am Waldrand zu, das die Elfen seinem Freund Vindur geschenkt hatten. Während die Dächer aller anderen Gebäude in Ardarea von den silbrigen Kronen besonderer Bäume gebildet wurden, war dieses mit Ziegeln gedeckt, damit sich Vindur nicht wie unter freiem Himmel fühlte. Athanor fand, dass es aussah, als rage das oberste Stockwerk eines Turms aus dem Boden. Die Elfen liebten nun einmal Häuser ohne dunkle Ecken und harte Kanten.

      Wir haben heute wohl wieder einen schlechten Tag, folgerte er, als er die geschlossenen Fensterläden sah. Auch das war ein Zugeständnis an Vindurs lächerliche Ängste. Wenn Elfen zu viel Wind oder Regen durch die Fenster wehte, setzten sie raffiniert gefertigte Gitter in die leeren Rahmen.

      Etwas zu laut klopfte Athanor an die mit Schnitzereien verzierte Tür.

      »Komm rein!«, rief Vindur. »Es ist offen.«

      Immerhin etwas. Manchmal hatte die Angst den Zwerg so fest im Griff, dass er von innen den Riegel zuschob. Athanor öffnete die Tür und trat in das Halbdunkel dahinter. Außer der Flamme einer Öllampe spendete nur die Glut in der Feuerstelle etwas Licht. Die Luft war schwer von Rauch und einem süßlichen Geruch.

      »Ist das etwa Malz?«, fragte Athanor.

      Vindur tauchte aus den Schatten seiner Behausung auf und grinste stolz. Obwohl das schwache Licht seinen Narben schmeichelte, wirkten sie, als habe sein Gesicht einst angefangen zu schmelzen und sei dann wieder erstarrt. Auch der blonde Bart hatte unter den Verbrennungen gelitten und war zu schütter nachgewachsen, um viele Narben zu verdecken. »Malz aus echter Gerste! Weißt du, wie lange ich kein solches Bier mehr getrunken habe?«

      »Seit die Händler ausblieben?«

      Vindur nickte und rührte in dem Kessel, in dem er das Getreide röstete. »Ohne Menschen keine Gerste. Und kein Brot. Das habe ich den Drachen am meisten verübelt.«

      Athanor schnaubte. »Brot ist also alles, was den Zwergen von uns im Gedächtnis bleiben wird.«

      »Nun ja …« Vindur warf ihm einen schuldbewussten Blick zu. Aber was konnte der Zwerg dafür, dass die Drachen die Menschheit ausgelöscht hatten? Daran hatte er selbst deutlich größeren Anteil. Und hätten sich die Drachen nicht am Ende gegen Theroia gewandt, wäre er wohl niemals einem Zwerg begegnet.

      »Willst du von meinem neuesten Versuch kosten? Ich glaube, ich habe endlich den richtigen Pilz für die Gärung gefunden.« Bevor Athanor antworten konnte, verschwand Vindur wieder in den Schatten und kehrte mit zwei tropfenden Krügen zurück.

      Einen reichte er Athanor, der ihn zögernd annahm. Sosehr es ihn erleichterte, dass der Zwerg endlich eine erfüllende Beschäftigung gefunden hatte, so abschreckend lag ihm der Geschmack der bisherigen Brauversuche noch auf der Zunge.

      »Das ist gut! Glaub mir!«, beteuerte Vindur und hob theatralisch die kaum noch vorhandenen Augenbrauen, während er einen tiefen Schluck nahm.

      Was soll’s. Schlimmer als beim letzten Mal kann es nicht sein. Athanor nahm einen kräftigen Zug. Unter der zähen Schaumkrone verbarg sich ein überraschend gutes Bier.

      »Na?«, bohrte Vindur.

      »Etwas zu hefig, aber nicht übel.«

      »Wie bitte? Nicht übel?« Der Zwerg schwenkte drohend seinen Krug. »Setz dich, du Banause! Zur Strafe wirst du den ganzen Bottich mit mir leeren.«

      »Es gibt Schlimmeres als die Gesellschaft eines heimwehkranken Zwergs.« Athanor setzte sich auf die steinerne Bank, die nach elfischem Geschmack im Halbkreis die Feuerstelle umgab.

      »Noch schlimmer?«, fragte Vindur mit gespieltem Entsetzen.

      »Allerdings.« Athanor nahm einen weiteren Schluck, um den Gedanken an die Elfen zu vertreiben, doch es half nichts.

      Vindur schob den Bottich heran, in dem das schaumige Gesöff schwappte, und setzte sich neben ihn. Gemeinsam starrten sie in die schwelende Glut unter dem Malzkessel und leerten die Krüge, die Vindur sogleich wieder füllte.

      »Ist dir eigentlich schon aufgefallen, wie viel wir gemeinsam haben?«, fragte Athanor nach einer Weile. Sofort musste er schmunzeln. Der Zwerg reichte ihm nur bis zur Brust, hatte viel helleres Haar und ein entstelltes Gesicht.

      »Du meinst, weil wir beide Prinzen ohne Reich und heimatlos sind?«

      »Ich dachte eher daran, dass wir beide noch leben, obwohl wir besser gestorben wären.«

      Vindur sah ihn zweifelnd an. »Auf mich trifft das ganz sicher zu.« Sein Volk hatte ihn verstoßen, weil er nicht mit seinem Schildbruder im Feuer gestorben war, wie es ihr Eid verlangte. Anstatt ihn für den Sieg über den untoten Drachen zu feiern, hatten sie ihn schwer


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