Athanor 2: Der letzte König. David Falk

Athanor 2: Der letzte König - David  Falk


Скачать книгу
den Kopf. »Du magst dein Volk verloren haben, aber immerhin hast du das Herz einer Elfe erobert.«

      »Das ist wahr«, gab Athanor zu. Er hatte mehr, als sich sein Freund auch nur erträumen durfte. Wenn er mit Elanya allein war, vergaß er, dass er der letzte Mensch war und dieses Schicksal selbst über sich gebracht hatte. Dennoch … »Aber den anderen Elfen wäre es lieber, ich wäre gestorben. Dann könnten sie jetzt Heldenlieder über mich singen, ohne mich aus Dankbarkeit ertragen zu müssen.«

      Der Zwerg brummte in seinen Bart, und für einen Moment schämte sich Athanor für sein Selbstmitleid. Er mochte ein nur widerwillig geduldeter Gast sein, aber wenn Vindur das Haus verließ – was er selten genug tat –, betrachteten die Elfen seine Narben mit schlecht verhohlener Abscheu.

      Schweigend blickten sie erneut in die Glut.

      Hol’s der Dunkle! »Sieh uns nur an! Wir haben ein Heer von Untoten und einen Drachen besiegt, und jetzt sitzen wir hier und blasen Trübsal, weil uns die hochnäsigen Elfen nicht zu Füßen liegen.«

      Vindur lachte auf. »Du hast recht. Wer braucht schon Elfen? Selbst ist der Zwerg! Und der Mensch natürlich. Auf dich!« Er hob seinen Humpen und leerte ihn.

      Athanor tat es ihm nach. Schöne Worte. Aber was bedeuteten sie? Es gelang ihm nie lange, die unterschwellige Feindseligkeit zu ignorieren. Früher oder später nagte sie doch wieder an seiner Laune – und an seinem Stolz. Hätte es Elanya nicht gegeben, wäre er längst weitergezogen. Doch wohin? Aus den Stollen der Zwerge war er für immer verbannt, weil er zwei Elfen dort eingeschmuggelt hatte. Und die Trolle hatten zu viel Hunger auf Menschenfleisch, um bei ihnen zu leben. Orkzahn, ihr Anführer, hatte ihn gewarnt. Dafür, dass er sie aus der Knechtschaft der Elfen befreit hatte, waren sie ihm in die Schlacht gegen die Untoten gefolgt. Mehr Dankbarkeit konnte er von ihnen nicht erwarten.

      »Wie wäre es, wenn wir nach dem Fest in den Dienst der Grenzwache treten?«, schlug er vor. »Wir sind doch beide Krieger und langweilen uns hier nur.«

      Vindur lächelte gequält. »Nun ja, das klingt sicher verlockend für dich. Ich habe die Herumsitzerei ja auch satt, aber …« Er richtete den Blick zur Decke empor, und schon bei der Vorstellung hinauszugehen, schlich sich ein ängstlicher Zug in seine Miene.

      Athanor entfuhr ein Knurren. »Komm schon, Vindur, der Himmel wird dir nicht auf den Kopf fallen! Eher wirst du vom Blitz erschlagen.«

      Um die Nase des Zwergs wurde die Haut noch ein wenig bleicher.

      »Schon gut, das war nicht gerade das hilfreichste Beispiel. Aber du kannst dich nicht für den Rest deines Lebens hier vergraben.«

      »Du hast gut reden. Du verstehst das nicht. Sobald ich kein Gestein um mich habe, kommt es mir vor, als müsste ich nackt gegen eine Horde Trolle kämpfen.«

      »Damit würdest du ihnen nur das Schälen ersparen.«

      Vindur prustete den Schluck wieder hervor, den er gerade genommen hatte. »Glaubst du, ein Zwerg ist nur eine Nuss für sie?«

      »Gehen wir sie fragen! Hauptsache, wir müssen eine Weile keine Elfen sehen.«

      »Baumeisters Bart! Du bist hartnäckiger als eine hulrat, die Futter riecht.«

      »Heißt das, dass du mitkommst?«

      »Zu den Trollen? Ich bin vielleicht trübsinnig, aber nicht lebensmüde.«

      »Nicht zu den Trollen, zur Grenzwache!«

      Wieder stahl sich die Furcht in Vindurs Blick. »Können wir uns nicht erst einmal auf einen kürzeren Ausflug einigen? Lass uns ein paar Tage jagen gehen.«

      »Also gut. Wildschweine.« Sich mit einem wütenden Keiler zu messen, versprach immerhin Abwechslung.

      Der Zwerg atmete erleichtert auf.

      »Ich nehme dich beim Wort, Vindur. Keine Ausflüchte! Sobald dieses Fest vorbei ist, ziehen wir los.«

      * * *

      Wie kann eine Hand schmerzen, die man nicht mehr hat? Je öfter sich Davaron die Frage stellte, desto absurder kam es ihm vor. Anfangs hatte er es auf die Wunde geschoben, die die Axt des zwergischen Henkers hinterlassen hatte. Der Schmerz war so verzehrend gewesen, dass es auf die genaue Stelle nicht ankam. Doch mit der Zeit – und dank Elanyas Magie – war der Stumpf verheilt. Davaron hob ihn vor sein Gesicht, sodass der lange Ärmel, mit dem er ihn verbarg, herabrutschte. Angewidert betrachtete er die wulstigen Narben, die selbst im Mondlicht abstoßend aussahen. Manchmal fand er es schwer zu glauben, dass etwas so Hässliches zu ihm gehören sollte. Er war ein Elf. Alles an ihm hatte makellos zu sein.

      Instinktiv versuchte er, die Finger zu bewegen, die es nicht mehr gab. Die unsichtbare Hand schmerzte stärker. Er stellte sich vor, wie im fernen Zwergenreich bleiche Finger wackelten. Bewahrten die Zwerge die Hand auf? Als Andenken an den Narr, der geglaubt hatte, unbemerkt in ihre Schatzkammern einbrechen zu können? Oder war sie im Schweinefutter gelandet? Wenn es so war, hatte er damit wenigstens einen Teil seiner Schuld gegenüber dem Sein abgetragen. Durch den Tod vieler Orks und Chimären hatte er genug davon auf sich geladen. Wenn das mal dein schlimmstes Vergehen am Sein wäre, höhnte eine Stimme in seinem Kopf.

      Ich tue nur, was nötig ist, antwortete er im Stillen und tauchte den Stumpf in den kühlen Teich, an dem er saß. Obwohl nur eine Mondsichel am Himmel stand, waren die Steine am Grund des flachen Weihers zu erkennen. Deshalb wurde er Teich der Mondsteine genannt. Davaron kam gern abends her, um allein zu sein, doch nun wurde es Zeit zu gehen. Omeon erwartete ihn. Der legendäre Alte …

      Obwohl Davaron nicht zum ersten Mal in Ardarea weilte, hatte er Omeon noch nie gesehen. Es hieß, er blicke auf ein ganzes Jahrtausend zurück. Wenn es stimmte, war er der älteste Elf unter der Sonne Ardaias. Allerdings mied er diese Sonne schon so lange, dass sich die Kinder Schauergeschichten über ihn zuraunten wie über einen Geist. In sein Haus zu spähen, war bereits in Davarons Jugend eine Mutprobe gewesen. Auch er hatte sich angepirscht, aber im dunklen Innern niemanden entdeckt.

      Schon damals war das Gerücht umgegangen, dass Omeon verbotener Magie anhing. Daran hatte sich nichts geändert. Manche behaupteten hinter vorgehaltener Hand, dass er sein unnatürlich hohes Alter nur diesen Freveln verdankte. Gerade deshalb war Davaron auf dem Weg zu ihm.

      Seit seiner Ankunft in Ardarea hatte er sich so beiläufig wie möglich nach Omeon und dessen Machenschaften erkundigt. Was er in Theroia gesehen hatte, bestätigte ihn darin, dass alles möglich war, wenn man nur die richtigen Zauber kannte. Und Omeon besaß vielleicht den Schlüssel dazu. Doch wenn er einfach am helllichten Tag in dessen Haus spazierte, konnte er seine Frevel ebenso gut beim Fest der Heiligen Acht verkünden.

      Er hatte herausgefunden, dass entfernte Verwandte dem Alten Essen und frische Kleidung brachten. Schon am nächsten Tag war der Junge, den er ausgehorcht hatte, wieder bei ihm aufgetaucht. »Ihr sollt morgen zu meinem Uronkel kommen, wenn der Abend in die Nacht übergeht«, hatte er verkündet und war davongerannt. Der Alte musste so ausgehungert nach Besuchern sein, dass er keine Zeit verschwendete.

      Neugierig näherte er sich dem Haus. Selbst er, den man hinter seinem Rücken düster und übellaunig nannte, spürte die Ahnung des Todes, die wie ein Schatten über dem Anwesen lag. Von einem Schritt auf den anderen kam es ihm vor, als sei die Nacht dunkler geworden. Doch die Mondsichel stand unverändert am Himmel.

      Nach alter Sitte war die Tür nicht verriegelt, um den Besucher willkommen zu heißen. Dennoch klopfte Davaron an, bevor er über die Schwelle trat. Dahinter empfingen ihn Stille und Dunkelheit. Nur spärlich sickerte Mondlicht durch die Fenstergitter und erlaubte ihm, die Umrisse der Einrichtung zu erahnen. Wo steckte Omeon? Die Bank um die erloschene Feuerstelle war leer.

      »Davaron?« Wo die kratzige, leise Stimme herkam, glühte schwacher Feuerschein auf und enthüllte den Durchgang in einen weiteren Raum.

      Davaron antwortete erst, als er das Nebenzimmer betrat. »Der bin ich.«

      Omeon saß hinter einem steinernen Kohlebecken, in dessen Glut er schürte. Im unsteten Licht der glimmenden Kohle


Скачать книгу