Der Synodale Weg - E-Book. Anne Preckel
Über grundlegende Fragen, die die ganze Weltkirche betreffen, wie den Zölibat oder die Frauenordination, kann die Teilkirche Deutschland sich zwar einigen, aber nicht entscheiden. Allein der Papst kann hier die Weichen neu stellen. Der Synodale Weg der deutschen Kirche will dieses Prinzip nicht in Frage stellen, wie die Veranstalter mehrfach betonten.
Ist der Synodale Weg wieder ein Gesprächsprozess?
Bereits zwischen 2011 und 2015 haben sich Bischöfe und Laien in Deutschland landesweit zusammengesetzt, um über Herausforderungen ihrer Kirche zu sprechen. In der Tat nennt die Deutsche Bischofskonferenz diesen „Überdiözesanen Gesprächsprozess ‚Im Heute glauben‘“ als einen Wegbereiter des Synodalen Weges. (1)
Gesprächsprozess und Glaubwürdigkeit
Ähnlich wie auch beim Synodalen Weg ging es beim Gesprächsprozess darum, die Kirche wieder glaubwürdig zu machen. (2) Begonnen wurde der Prozess noch unter dem damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, beendet unter Kardinal Reinhard Marx. An den bundesweiten Dialogtreffen nahmen Bischöfe und Laien, Vertreter katholischer Verbände und verschiedener Berufsgruppen der Kirche teil.
Reaktion auf sexuellen Missbrauch
Schon mit dieser Reihe an Treffen hatten die Bischöfe versucht, auf das Problem des sexuellen Missbrauchs in der deutschen Kirche zu reagieren. Dabei ging es jedoch vorrangig um die „gestörte Kommunikation“ zwischen Klerus und Laien, die man verbessern wollte; nicht um kirchliche Strukturreformen. Nachdem der Jesuitenpater Klaus Mertes im Jahr 2010 Fälle sexualisierter Gewalt am Berliner Canisius-Kolleg bekanntgemacht hatte und immer mehr Betroffene an die Öffentlichkeit traten, hatten sich Gräben in der Kirche aufgetan. Austritte und Generalverdacht war die Rechnung, die viele Gläubige der Institution ausstellten.
Vor diesem Hintergrund ging es den Bischöfen um Schadensbegrenzung: „Wir sehen die reale Gefahr, dass wir uns in unserer Kirche so zerstreiten, dass Brücken abgebrochen und bestehende Einheit aufgegeben wird. Auf Barrikaden aber lässt sich bekanntlich schlecht miteinander reden“, schrieben sie in einem Brief an die Gemeinden. (3) Die Glieder der Kirche müssten wieder zusammengeführt werden und sie luden das Kirchenvolk zum Gesprächsprozess ein.
Gesprächsthemen
Worüber wurde gesprochen? Weniger über kontroverse Themen wie Zölibat oder Sexualmoral als vielmehr über kirchliche Erneuerung allgemein. So ging es etwa um die „gemeinsame Verantwortung aller Getauften in der Kirche“, das „erneuerte christliche Zeugnis in unserer Gesellschaft“ und das „geschwisterliche Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche“; um ein paar Themenbeispiele zu nennen. (4)
Erfahrungen aus Gesprächsprozess
Vielen Menschen war das rückblickend nicht konkret genug; sie hätten sich angesichts des Missbrauchsdebakels mindestens ein paar bindende Beschlüsse gewünscht. Aus diesem Grund sind nach der Erfahrung des Gesprächsprozesses bei vielen Gläubigen die Erwartungen an den Synodalen Weg hoch. Sabine Demel, Professorin für Kirchenrecht in Regensburg, bemängelte in einem Interview, dass beim Gesprächsprozess letztlich „alles im Unverbindlichen geblieben ist“. Mit Blick auf die Struktur ist ihr Hauptkritikpunkt, dass es „keine transparente, geschweige denn gemeinsam erarbeitete Verfahrensordnung über die Steuerungs-, Planungs- und Themenkompetenz“ gegeben habe. (5)
Auch Kardinal Marx sieht die Unverbindlichkeit des Gesprächsprozesses rückblickend als falsch an: „Das machen die Leute nicht mehr mit, da war eine große Unzufriedenheit“, sagte er bei Ankündigung des Synodalen Weges im März 2019 in Lingen. (6) Der Synodale Weg soll also auf Augenhöhe stattfinden und zu gemeinsamen Beschlüssen führen; die Satzung des Reformweges ist dafür die formale Grundlage.
Ist der Synodale Weg eine zweite Würzburger Synode?
Als einen weiteren Wegbereiter des Synodalen Weges nennen die deutschen Bischöfe die Gemeinsame Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland, also der westdeutschen Bistümer, die von 1971–1975 im Würzburger St.-Kilians-Dom stattfand und deshalb auch „Würzburger Synode“ genannt wird. (1)
Approbierte Synode durch den Vatikan
Diese historische Synode, die vom Vatikan abgesegnet war, veränderte das Gesicht der Kirche nachhaltig. Ihre Beschlüsse prägen die kirchliche Struktur und Seelsorge in Deutschland bis heute. Fünf Jahre lang rangen Laien und Bischöfe in Würzburg um eine Erneuerung der Kirche, darunter eine stärkere Mitsprache der Laien. Im Großen ging es um die Umsetzung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965), das einen Wandel in der Weltkirche eingeleitet hatte. Diese Aufbruchsstimmung schlug sich in Deutschland in lebhaften Debatten nieder, unter Eindruck der 68er-Bewegung brodelte es im Kirchenvolk; kontrovers wurde zum Beispiel über Sexualmoral und Empfängnisverhütung sowie wiederverheiratete Geschiedene diskutiert.
Neuer Ton im kirchlichen Miteinander
Die Würzburger Synode bot dafür einen geordneten Rahmen und schlug einen neuen Ton im kirchlichen Miteinander an. Die über fünf Jahre dauernden Gespräche etablierten eine neue Streitkultur in der Kirche, die Bischöfe wie Laien als hilfreich empfanden. „Wir wurden zu einem Prozess gezwungen, dem wir einen neuen Stil des Miteinander-Redens und Miteinander-Umgehens zwischen Bischöfen, Priestern und Laien verdanken, und den möchten wir nicht mehr missen. Wir haben gelernt, miteinander zu streiten, ohne uns zu zerstreiten“, bilanzierte der Synodenpräsident, der damalige Münchner Kardinal Julius Döpfner, in seiner Schlussansprache. (2)
Gemeinsame Entscheidungen
Doch es wurde nicht nur gestritten, sondern auch entschieden, und zwar gemeinsam. Der damalige Papst Paul VI. hatte für die Würzburger Synode eine eigene kirchenrechtliche Sonderregelung approbiert, die alle Schritte und Kompetenzen genau festlegte. Demnach besaßen die Stimmen von Bischöfen und Laien gleiches Gewicht. Wenn die Bischöfe eine Abstimmung verhindern wollten, mussten sie zuvor ein Veto einlegen. (3) Der Papst wünschte sich von der Synode, sie möge „unter der Leitung und in enger Zusammenarbeit mit ihren Bischöfen die Zeichen der Zeit richtig verstehen und fruchtbare Aufbauarbeit leisten“. (4)
Zölibat im Niederländischen Pastoralkonzil und in der Würzburger Synode
Vor dem Hintergrund der allgemein aufgeheizten bis nahezu revolutionären Stimmung im Kirchenvolk war dem Papst daran gelegen, dass die Veranstaltung nicht aus dem Ruder lief. Schließlich hatten Laien ein paar Jahre zuvor beim „Niederländischen Pastoralkonzil“ (1966–1970) bereits für eine Freigabe des Zölibats und eine schrittweise Zulassung von Frauen in Weiheämtern gestimmt. (5) Auch die deutschen Laien brachten in Würzburg Vorschläge zu verheirateten Männern als Priester vor, den sogenannten „Viri probati“. (6)
Doch anders als in den Niederlanden hielten sich die deutschen Bischöfe im Rahmen des Erlaubten. Während der holländische Kardinal Bernard Jan Alfrink über Fragen wie den Zölibat abstimmen ließ und sich damit dem Willen des Papstes widersetzte, nutzten die deutschen Oberhirten ihr Veto, um dieses „heiße Eisen“ von Beschlüssen auszunehmen. Sie machten die Erlaubnis, über das Thema weiter zu diskutieren, davon abhängig, dass die Frage der Zulassung verheirateter Männer zum Priestertum ausgeklammert würde. (7) Aufgrund dieser Weisung