Wilderer und Jäger Staffel 2. M. Bachmann

Wilderer und Jäger Staffel 2 - M. Bachmann


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zu.

      Jetzt bückte sie sich, machte sich dort zu schaffen. Marthl konnte nicht sehen, was der Mann dort tat, aber sie hatte ihn erkannt!

      Nun richtete er sich auf und hielt ein totes Murmeltier in der Hand. Der Rucksack glitt von den Schultern.

      »Sepp!« Wie ein Aufschrei hallte die Männerstimme über die Felsen. Der Mann mit dem Murmeltier fuhr zusammen.

      »Vater!« Fast unhörbar kam es über seine Lippen. Er glaubte, den Ruf eines Geistes vernommen zu haben.

      »Bist ein Feigling, Sepp!« fuhr der Alte unerbittlich fort und erhob sich jetzt aus seinem Versteck. »Das hab’ ich dich net gelehrt, die Schlinge zu benutzen. Auch ein Wildschütz sollte ehrlich mit dem Stutzen jagen.«

      Sepp hatte sich wieder gefaßt.

      »Was tust du heroben?« fragte er. »Ich hab’ geglaubt, du bist zu alt für so etwas. Oder willst mir gar helfen?«

      Unverkennbar war der Spott in der Stimme des Jungen, mit dem er die Furcht übertönen wollte, die ihn beim Anblick seines Vaters ergriffen hatte.

      Er konnte sich nicht erklären, was der hier oben wollte, aber ihm schwante nichts Gutes.

      »Schweig!« herrschte ihn der alte Stirnthaler an. »Sag mir, deinem Vater, nur eins. Hast du den Verdacht auf den Jager gelenkt?«

      Die Augen des Burschen flackerten unstet. Gehetzt sah er sich um.

      »Na und?« schrie er zurück. »Was ist denn dabei? Er hat’s net anders verdient. Ja, wenn du’s wissen willst! Ich hab’ ihm zum Schein ein Angebot in der Klamm gemacht und hab’ mit Alfons und dem Wirt alles geplant. Es war Absicht, daß der Wirt sich mit ihm auf dem Kirchplatz gezeigt hat.«

      »Und die Murmeltiere?« Die Stimme des Alten klang heiser.

      Sepp lachte gellend.

      »Ja, das war schlau!« schrie er voller Triumph. »Das hat ihm den Rest gegeben. Ich laß mir doch von so einem net das Geschäft verderben und das Madl ausspannen! Ich hab’ ihm hier heroben eins über den Kopf gegeben, aus seinem Stutzen geschossen und dann das tote Murmeltier hingelegt. Auch in seinem Haus hab’ ich eins versteckt!«

      Schauerlich hallte das Lachen des Burschen über die Felshänge. Die Schatten krochen jetzt auch zum Gipfel hinauf und löschten das letzte Tageslicht aus. Die graue Dämmerung überwältigte alles.

      »Schande über dich!« Wie ein Fluch hallten die Worte des Alten. »Hast du denn gar kein Ehrgefühl? Gut, es liegt dir im Blut, ein Wildschütz zu sein. Dafür kannst du nix, und das seh ich dir nach. Weiß eh, wie das ist! Aber das andere, das ertrag ich net! Schäm dich, deinem Vater das anzutun. Einen Unschuldigen absichtlich hinter Gitter zu bringen.«

      »Das sagst du mir, mein Vater?« Die Stimme des Stirnthaler-Sepp überschlug sich.

      »Das sag ich dir, und noch mehr! Mit dir will ich nix mehr zu schaffen haben. Laß dich bei mir nie mehr blicken, du Ehrloser. Und schau, daß du dein Unrecht wiedergutmachst. Das erwarte ich von dir!« Hart wie Stahl klangen die Worte des Alten.

      »Daß ich net lache. Du bist wohl narrisch geworden, Alter!«

      Etwas unsicher klangen die Worte des Burschen. Noch konnte er nicht ganz begreifen, daß ihn der eigene Vater von der Höhe seines Triumphes hinabstürzen wollte.

      Was faselt der Alte von Ehre? Was hatte ein Wildschütz mit der Ehre zu tun? Sepp wollte sich sonnen im Gefühl seiner Macht.

      Er hatte es dem Jäger heimgezahlt, hatte sich auch an Marthl für das gerächt, was er für ihren Verrat hielt.

      Und jetzt wollte sein Vater ihm Vorschriften machen?

      »Steig ab, Alter, das hier ist nix mehr für dich. Misch dich net ein in Dinge, die dich nix angehen. Jetzt bin ich an der Reihe.«

      »Den Teufel werd ich tun!« brüllte der Alte. »Wenn du dich net selbst stellst und alles aufklärst, werd ich es tun!«

      »Das wirst du net!«

      Wie eine Welle schoß dem Stirnthaler-Sepp das Blut in den Kopf, sein aufbrausendes Temperament riß alle Vernunft und allen Verstand mit sich hinweg.

      »Du wirst mich net dran hindern!« gab der Alte zurück.

      »Bleib stehen, sonst werd ich dich hindern!« Eine tödliche Drohung schwang in den Worten des Burschen mit. Er riß unbeherrscht den Stutzen von der Schulter und legte an.

      »Sepp!« schrie Marthl auf, die von ihrem Versteck aus alles atemlos mit angesehen und -gehört hatte.

      Den Stutzen im Anschlag, fuhr der Bursch herum. Wie von selbst krümmte sich der Finger am Abzug.

      Ein Schuß zerriß die Abendstille auf dem Gipfel des Raffen.

      Marthl stand wie gelähmt. Die Kugel pfiff an ihr vorbei. Im schwachen Licht hatte Sepp sein Ziel verfehlt.

      Doch plötzlich schrie er auf. Die Kugel war von einem Felsbrocken abgeprallt und hatte ihn selbst in den Leib getroffen!

      »Zur Hölle mit euch allen!« schrie er und wollte den Stutzen noch einmal hochreißen, doch er entfiel seinen Händen.

      Sepp brach zusammen, die Hände auf den Leib gepreßt. Dunkel quoll das Blut hervor.

      Sofort waren Marthl und der Vater bei ihm.

      »Lauf und hol Hilfe!« befahl der Alte mit einer Stimme, die Marthl kaum wiedererkannte.

      So schnell sie konnte, stolperte sie bergab. Im Almhäusl nahm sie die Lampe. Und doch schien es ihr endlos, bis sie bleich und verstört im Dorf Bruchstücke davon berichten konnte, was oben am Raffen geschehen war.

      Den Männern, die sich sofort mit einer Trage auf den Weg machten, bot sich auf dem Gipfel ein erschütterndes Bild.

      Sie kamen zu spät. Zusammengesunken beugte sich der Stirnthaler-Magnus über seinen toten Sohn.

      Über diese letzte Stunde, die er mit seinem Buben verbracht hatte, kam nie ein Wort über seine Lippen.

      Wie in einem schweren Traum folgte er später den Lichtern des kleinen Zuges bergab, um seinen Sohn zum letzten Mal heim auf den Stirnthalerhof zu begleiten.

      *

      Marthl hatte eine schlaflose Nacht auf der Alm verbracht. Lebhaft standen ihr noch die schrecklichen Ereignisse vor Augen. Nickte sie ein wenig ein, dann gellte der Schuß durch ihren Schlummer und ließ sie hochfahren.

      Kaum hatte sie am nächsten Tag die Tiere versorgt, da hielt es sie nicht mehr oben am Berg.

      Sie mußte ihre Aussage machen über das, was am Abend geschehen war. Und dann…

      Sie wagte nicht weiterzudenken.

      Mit zitternden Knien betrat sie die Gendarmerie, um alles zu Protokoll zu geben. Freundlich und mitfühlend halfen ihr die Gendarmen, wenn die Worte versagen wollten.

      Schließlich nickte der jüngere von ihnen.

      »Du hast alles bestätigt, was der Stirnthaler-Magnus uns schon berichtet hat. Der Gamskricklwirt und Alfons werden uns einiges zu sagen haben. Damit gibt es wohl keinen Zweifel mehr, daß der Jäger unschuldig ist!«

      Wie betäubt saß Marthl auf ihrem Stuhl. Mit Verspätung drang der Sinn der Worte in ihr Bewußtsein.

      »Dann ist Johann… frei?« stammelte sie.

      »Freilich!«

      Kaum nahm Marthl wahr, wie die Arrestzelle aufgeschlossen wurde.

      Sie fand sich wieder, als sie draußen im hellen Sonnenschein in den Armen Johanns lag, die sich fest und beschützend um ihre Schultern schlossen.

      »Komm, laß uns von hier fortgehen!« flüsterte er. »Hier gibt’s zu viele neugierige Augen und boshafte Leut!«

      Der junge Jäger nickte stumm. Hand in Hand stiegen sie bergauf, und mit jedem Schritt, den er


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