Wilderer und Jäger Staffel 2. M. Bachmann

Wilderer und Jäger Staffel 2 - M. Bachmann


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ihn habt, dann habt ihr wahrscheinlich auch den, der mir eine so hinterhältige Falle gestellt hat.«

      »Jetzt langt’s aber. Du schadest dir nur durch dein hartnäckiges Leugnen. Aber du wirst auch ohne Geständnis verurteilt werden. Und Jager bist eh die längste Zeit gewesen.«

      Der Gendarm machte keinen Hehl aus seinem Ekel und seiner Abscheu vor dem Mann, den er für einen feigen Wilderer hielt, der zudem sein Amt schändlich mißbraucht hatte. Mit so einem konnte man kein Mitleid haben, der gehörte hart bestraft!

      »Denk in deiner Arrestzelle noch einmal gründlich nach, ob du dich net doch lieber erinnern willst«, fuhr er Johann an.

      Dann wurde der junge Jäger abgeführt.

      Schwer schleppte er sich über den Gang. Er hatte keine Hoffnung mehr, daß sich alles aufklären würde. Wenn er nur wüßte, wer ihm das alles angetan hatte! Plötzlich blitzte in seinem zermarterten Gehirn ein Name auf.

      »Der Stirnthaler-Sepp!« murmelte er vor sich hin.

      »Was hast gesagt?« fragte der Gendarm, der ihn abführte.

      »Ach, nix!« Johann winkte ab. Es hatte keinen Sinn, davon zu sprechen. Hier würde ihm ohnehin niemand glauben. Schon gar nicht, wenn er, der Fremde, einen Verdacht gegen einen einheimischen Bauernburschen aussprach!

      So verbrachte der Aufreiter-Johann eine weitere Nacht in tiefster Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit in der Zelle.

      *

      Seit Marthl wieder ein winziges Hoffnungsfünkchen in all dem dunklen Elend sah, schöpfte sie neuen Mut. Sie wußte selbst, daß es der Mut der Verzweiflung war.

      Was konnte sie schon tun, als die Augen aufhalten? Denn wenn Johann wirklich nicht der Wildschütz war, dann mußte der echte Wilderer jetzt die Gelegenheit ausnutzen, wo er ungestört sein konnte bei seinem heimlichen Tun. Vielleicht machte es ihn leichtsinnig, daß der Jäger ihm nicht mehr gefährlich werden konnte.

      Doch Marthl konnte die Alm nicht verlassen. Ihre einzige Hoffnung war, daß der Wildschütz sich wieder bei den Murmeltieren zu schaffen machte.

      Öfter als sonst wanderte ihr Blick jetzt hinauf zu den schroffen Felshängen des Raffen.

      Eines Abends hatte sich Marthl ein wenig abseits der Almhütte ins Gras gesetzt. Die Tür war schon geschlossen, und jeder Beobachter mußte denken, daß die Sennerin bereits zu Bett gegangen war.

      Die Dämmerung war im Begriff, der Nacht zu weichen. Schon war das Gras feucht vom Tau.

      Marthl fröstelte ein wenig, doch sie konnte sich nicht entschließen, hineinzugehen. Dumpf erschien ihr die Luft in der Stube, und sie meinte, ersticken zu müssen. Auch floh sie der Schlaf, denn kaum schloß sie die Augen, da flogen ihre Gedanken zu Johann. Sie begann zu grübeln, und der Schmerz zerriß ihr schier das Herz.

      Deshalb lauschte sie auf die Geräusche der Nacht und versuchte unter dem klaren Himmel, an dem ein Stern nach dem anderen aufleuchtete, Frieden für ihre wehe Seele zu finden.

      Während ihre Augen, wie sie es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, hinauf zu den Hängen des Raffen glitten, die noch ein wenig heller schimmerten als die darunterliegenden Almweiden, meinte sie plötzlich, dort oben eine Bewegung wahrzunehmen.

      Noch war der Himmel im Westen, wo die Sonne untergegangen war, von einem hellen Grau. Und für eine Sekunde erhob sich oben an den Felshängen die Silhouette eines Mannes gegen diesen hellen Streifen Himmel. Deutlich konnte Marthl den Rucksack erkennen.

      Dann war das Bild wie eine Erscheinung verschwunden. Doch dem Madl war es, als kenne es die Gestalt dort oben auf dem Raffen!

      Es war ein Umriß gewesen, der ihr vertraut war.

      »Sepp!« hämmerte ihr Herz.

      Doch gleich darauf packte sie der Zweifel. Gab ihr der Widerwille gegen den Bauernburschen den Verdacht ein? Und selbst wenn es Sepp war, den sie gesehen hatte, gab es nicht viele harmlose Gründe, die ihn dort hinauf geführt haben konnten?

      Doch ihr Verdacht war geweckt und ließ sich nicht beschwichtigen.

      Konnte es nicht sein, daß Sepp, der, wie sie gemerkt hatte, des öfteren heimlich heraufkam, der Wildschütz war? Erzählte man im Dorf nicht auch über den alten Stirnthaler allerhand wilde Geschichten?

      Marthl mahnte sich selbst zur Besonnenheit. In ihrer Sorge um Johann durfte sie nicht über das Ziel hinausschießen und andere zu Unrecht verdächtigen!

      Aber wenn sie recht hatte? War Sepp in seiner maßlosen Eifersucht nicht zu allem fähig? Hatte er nicht gedroht, den Jäger zu vernichten und mit seinem Triumph geprahlt?

      Marthl mußte Klarheit haben. Doch allein konnte sie nichts ausrichten. Sie brauchte Hilfe!

      Doch so sehr sie auch nachgrübelte, niemand wollte ihr einfallen, den sie darum fragen konnte.

      Nur zu gut konnte sie sich vorstellen, welche Antworten man ihr im Dorf geben würde, wenn sie jemandem erzählte, daß sie nicht den Jäger, sondern den Stirnthaler-Sepp für den Wildschützen hielt, der zudem auch noch absichtlich den Verdacht auf den Jäger gelenkt haben sollte.

      Man würde sie bestenfalls mitleidig anschauen, sie, die sich an einen Frevler gehängt hatte und sich nicht damit abfinden wollte. Beißender Spott und Hohn würden sie empfangen.

      Nein, niemand würde ihr zur Seite stehen. Sie war ganz auf sich allein gestellt!

      Mutlos ließ Marthl den Kopf auf die Brust sinken. Schwach und hilflos fühlte sie sich in diesem Augenblick.

      Doch dann hob sie trotzig den Kopf und strich sich energisch eine blonde Locke aus der Stirn. War das ihre Liebe? Gab sie so schnell auf und ließ Johann im Stich, der vielleicht unschuldig in seiner Zelle saß?

      Ein kühner Gedanke schoß durch ihren Kopf. Einer im Dorf hatte ihr Hilfe angeboten: der Stirnthalerbauer. Aber würde er auch zu seinem Wort stehen, wenn es vielleicht gegen den eigenen Sohn ging?

      »Ich muß es wagen!« rief Marthl laut in die Finsternis, um sich selbst Mut zu machen. »Mehr als mißlingen kann der Versuch net, und schlimmer als jetzt kann’s gar nimmer werden. Wahrscheinlich wird er mich fortschicken, doch ich muß es wagen. Es ist die einzige Möglichkeit, die mir noch bleibt!«

      Marthl zögerte keinen Augenblick. Wenn sie wirklich Sepp oben am Gipfel gesehen hatte, mußte der alte Stirnthaler allein daheim sein, und sie konnte ungestört mit ihm sprechen, denn so bald würde sein Sohn nicht von seinem ungesetzlichen Treiben heimkehren.

      Die Mondsichel lugte über die Berggipfel. Wo ihr Licht nicht ausreichte, nahm Marthl die Handlampe zu Hilfe, die sie zur Vorsicht mitgenommen hatte.

      Sie lief, so schnell es das schwache Licht zuließ, denn plötzlich schien ihr die Zeit zu drängen.

      Im Dorf brannten nur noch wenige Lichter, als sie um die letzte Kehre des Bergpfades bog. Hoffentlich war der Stirnthaler noch nicht zu Bett gegangen!

      Als Marthl vor dem prächtigen Hof stand, wurde ihr das Ungeheuerliche ihres Tuns erst recht bewußt. Sie zögerte und wäre am liebsten umgekehrt.

      Doch der Hofhund hatte sie erkannt und sprang ihr freudig bellend entgegen.

      In diesem Moment wurde die Tür geöffnet.

      »Ruhig, Hektor! Wer kommt denn da noch so spät?«

      Der alte Stirnthaler spähte in die Dunkelheit hinaus. Dann entdeckte er Marthl, die unschlüssig im Hof stand.

      »Marthl!« rief der Alte erschrocken. »Ist was geschehen? Bist krank oder hat’s ein Unglück auf der Alm gegeben?«

      Er zog sie besorgt ins Haus.

      »Mei, du bist ja ganz blaß. So rede doch!« Er schüttelte sie ein wenig.

      »Ich muß mit dir reden, Bauer!« preßte Marthl hervor.

      »So! Da setz dich nieder, und dann fang an!« befahl der Alte und deutete auf die Ofenbank.


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