Wilderer und Jäger Staffel 2. M. Bachmann

Wilderer und Jäger Staffel 2 - M. Bachmann


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was ist?« Der Alte wurde ungeduldig.

      »Ist Sepp net da?« fragte Marthl bang.

      Aufmerksam starrte der Stirnthaler ihr ins Gesicht. Dann schüttelte er langsam den Kopf.

      »Nein, er ist net da. Er ist in letzter Zeit selten daheim«, murmelte er, mehr zu sich selbst.

      Da nickte Marthl beklommen. Fast hatte sie diese Antwort erwartet. Sie nahm allen Mut zusammen.

      »Ich glaub, dein Sohn ist der Wildschütz und net der Jager, den alle dafür halten«, stieß sie hervor.

      Der Alte lächelte.

      »Glaubst du? Und wenn’s so wäre?«

      »Dann wär’s eine Schand!« ereiferte sich Marthl. »Es mag ja angehen, daß mal einer ein Stückl für den Braten schießt, aber Murmeltiere mit der Schlinge fangen, das geht zu weit. Das ist feig und hinterhältig und gehört bestraft.«

      »Hm«, brummte der Bauer. »Warum kommst ausgerechnet zu mir? Hast denn noch nie gehört, was man im Dorf über mich redet? Das ist zwar alles längst vorbei, denn jetzt bin ich alt. Aber es liegt halt im Blut.«

      »Du bist offen zu mir, also will ich auch ehrlich mit dir sprechen«, fuhr Marthl mit zitternder Stimme fort. »Es ist net nur wegen der Wilddieberei. Ich bin sicher, daß der Sepp dem Johann eine Falle gestellt hat, damit der Jäger als Wildschütz eingesperrt wird.«

      Die Faust des Alten krachte auf den Tisch, und Zorn umwölkte seine Stirn. Marthl zuckte erschrocken zurück. Sie selbst hatte das Donnerwetter, das nun folgen mußte, heraufbeschworen!

      Doch der Stirnthaler beherrschte sich.

      »Warum sollte mein Sohn so etwas tun?« fragte er.

      »Das weißt du besser als jeder andere, Stirnthaler«, gab Marthl tapfer zurück.

      »Ach so! Du meinst, weil er wegen dir eifersüchtig ist!«

      Die Augen des Alten verengten sich. In seinem faltigen, gegerbten Gesicht arbeitete es. In der Stube herrschte beklemmendes Schweigen. Das Madl wagte kaum zu atmen.

      Plötzlich, nach einer schier endlosen Zeit, begann der Alte wieder zu sprechen. Wie ein Donnergrollen klang seine Stimme.

      »Wenn du recht hast, Madl, ist’s eine Lumperei, die ich net dulden kann. Mag einer des Nachts einmal heimlich ein Stückl schießen – wer könnte das besser verstehen als ich? Ob’s nun mein Sohn ist oder ein anderer. Doch auch ein Wildschütz hat Ehr! Schlimm genug ist’s, wenn er die Schlinge benutzt statt den Stutzen. Doch wenn er einen anderen, Unschuldigen, in Verdacht bringt, dann Schand über ihn!«

      »Dann glaubst also auch, daß ich recht hab’?« stieß Marthl ungläubig hervor.

      »Unmöglich ist’s net. Ich kenne meinen Sohn und sein hitziges Temperament. Auch mir erschien einiges an seinem Verhalten recht seltsam, und ich habe mir meine Gedanken gemacht«, gab der Stirnthaler zu.

      »Dann wirst mir also helfen?« Noch konnte Marthl nicht daran glauben!

      »Gnade dir Gott, Dirndl, wenn du zu Unrecht mein Herz mit einem Verdacht gegen den eigenen Sohn vergiftet hast!« grollte der Alte. »Doch ich muß wissen, ob Sepp feige und hinterhältig einen Unschuldigen angeschwärzt hat. Wenn er das wirklich getan hat, dann will ich nix mehr von ihm wissen!«

      »Jessas, Bauer«, flüsterte Marthl, erschrocken über das, was sie mit ihren Worten ins Rollen gebracht hatte.

      Mit festem, hartem Blick schaute sie der Alte an.

      »Geh jetzt heim, Sennerin«, befahl er. »Morgen in der Früh hast Arbeit auf der Alm. Aber sei sicher, daß ich mich um Sepp kümmern werde!«

      Stumm nickte Marthl. Die Worte versagten. Furcht vor dem, was geschehen würde, wenn sie Unrecht hatte, mischte sich mit Hoffnung, daß für Johann doch noch alles gut wurde.

      Sie spürte, wie Tränen aufsteigen wollten. Deshalb wandte sie sich hastig um und lief in die Nacht hinaus. Sie wollte jetzt stark sein!

      Grimmig sah ihr der alte Stirnthaler nach. Niemand konnte ermessen, was in dieser Nacht in ihm vorging!

      *

      Noch nie war Marthl ein Tag so quälend langsam vergangen wie der folgende. Die Stunden schleppten sich nur so dahin. Über allem stand bleiern ein fahlgrauer Himmel.

      Sie war so voller Unruhe, daß ihre Hände zitterten. Zu allem Überfluß hatte sie auch noch den Melkeimer umgestoßen. Nichts wollte gelingen!

      Wenn sie nur gewußt hätte, was der alte Stirnthaler vorhatte!

      Als habe er ihre Gedanken gespürt, stand er plötzlich in der Abenddämmerung schwer atmend von der Anstrengung des Aufstiegs auf der Alm. Aufmerksam sah er sich um.

      »Bauer!« rief Marthl überrascht. Sie hatte erwartet, daß er seinen Sohn zur Rede stellte, aber nicht, daß er in seinem Alter den Aufstieg wagte.

      »Siehst, ich steh zu meinem Wort«, brummte er. »Jetzt werd ich hinaufkraxeln zu den Murmeltieren, und dann werden wir sehen!«

      »Da hinauf? Aber das kannst du net!« rief Marthl besorgt.

      »Und ob ich kann. Ich will Klarheit haben. Ich will nur hoffen, daß der, den du heroben gesehen haben willst, heute wiederkommt.«

      »Dann geh ich mit dir!« rief Marthl entschlossen.

      »Das ist nix für ein Weiberleut«, gab der Bauer barsch zurück.

      »Du bleibst da! Vielleicht wird’s gefährlich, denn wenn wirklich ein Wildschütz sich dort oben herumtreibt, hat er auch einen Stutzen. Das ist eine Sache für Mannsbilder.«

      Marthl schwieg dazu und ließ ihn gewähren. Doch heimlich beschloß sie, ihm zu folgen. War es nicht vor allem ihre Sache, was dort oben bei den Murmeltieren geschah? Wenn überhaupt etwas geschehen würde!

      Es war schließlich sehr fraglich, ob der Mann, dessen Umriß sie gestern abend gesehen hatte, wiederkehren würde! Wenn es nun ein harmloser Bergwanderer gewesen war!

      Nicht auszudenken, wie peinlich es sein würde, wenn sich der Stirnthaler plötzlich auf einen Unbeteiligten stürzen würde!

      Rasch schob Marthl ihre Zweifel beiseite und gab sich gefügig.

      »Schon recht, Bauer«, beschwichtigte sie ihn.

      Dann sah sie dem Alten nach, wie er sich überraschend geschickt für sein Alter an den beschwerlichen Aufstieg zu den Felshängen machte.

      Als sie sicher war, daß er nur noch auf den Aufstieg achtete, machte sie sich selbst daran, den Spuren des Stirnthalers zu folgen.

      Blutigrot färbten die letzten Strahlen der untergehenden Sonne den Gipfel des Raffen, während sogar schon die Alm im Schatten lag.

      Aus dem Tal tief unten kroch die Nacht unaufhaltsam herauf.

      Marthl verbarg sich hinter einem Felsbrocken und sah, wie auch der Alte sich ein Versteck suchte.

      Die Murmeltiere hatten sie längst erspäht und hatten sich in ihre Höhlen zurückgezogen.

      Es war totenstill auf dem Gipfel des Raffen. Nichts verriet, daß zwei Menschen reglos und gespannt warteten.

      Ein kühler Wind machte sich auf und kündete schon davon, daß bald auch das Licht hier oben auf dem Berg schwinden würde. Unaufhaltsam wanderten die violetten Schatten bergan, griffen nach den felsigen Abhängen und eroberten unaufhaltsam Stück für Stück des mächtig aufragenden Gipfels.

      Warteten sie umsonst?

      Doch plötzlich ein Geräusch, als habe jemand einen Stein losgetreten!

      Marthl hielt in ihrem Versteck den Atem an. Kam der Wildschütz, um seine Beute zu holen? Hatte er noch immer Schlingen für die Murmeltiere aufgestellt, jetzt, wo er sich unbeobachtet wähnte?

      Vorsichtig spähte das Madl um die Kante des


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