Wilderer und Jäger Staffel 2. M. Bachmann

Wilderer und Jäger Staffel 2 - M. Bachmann


Скачать книгу
wurde es Zeit für den Aufreiter-Johann, den Heimweg anzutreten. Er stand auf.

      »Auf Wiedersehen, Marthl! Ich darf dich doch wiedersehen?« sagte er und senkte seine Augen in die ihren.

      »Pfüat dich, Jäger!« flüsterte Marthl. »Ja, du darfst wiederkommen!« Schnell wandte sie sich ab, weil er ihre Verlegenheit nicht bemerkten sollte. Wie sehr wünschte sie sich, daß er wiederkam! Doch das durfte sie nicht verraten.

      »Warte auf mich!« murmelte er und zog sie kurz und heftig an sich.

      Bevor Marthl sich sträuben konnte, ließ er sie wieder los und lief mit schnellen Schritten bergab. Erst als er an der Kehre des Pfades angelangt war, wandte er sich um und schwenkte sein Hütl.

      Marthl sah ihm versonnen nach und hob die Hand, um ihm zu winken. Dann war er ihren Blicken entzogen. Tief in Gedanken versunken kehrte sie zu der Holzhütte zurück.

      Plötzlich wurde sie jäh an den Schultern gepackt und herumgerissen. Ein harter Mund preßte sich auf ihre Lippen, daß sie aufschrie.

      »Mir gehörst du, mir!« preßte der Stirnthaler-Sepp hervor und umarmte sie leidenschaftlich. »Komm mit hinein!«

      Rauh klang seine Stimme, Zorn und Begierde ließen seine dunklen Augen funkeln.

      »Sepp!« Marthl hatte sich noch nicht von ihrer Überraschung erholt. »Laß mich los! Das schickt sich net!« rief sie.

      »So, das schickt sich net!« spottete Sepp, der gar nicht daran dachte, das Madl in seinen Armen loszulassen. Er preßte sie nur noch stürmischer an sich, als er ihren Widerstand spürte. »Aber es schickt sich, mit fremden Mannsbildern anzubandeln. Vergiß nur net, daß ich dein Schatz bin, ich und kein anderer. Zeig mir, daß du mich liebhast!« forderte er, und sein Mund saugte sich an ihren Lippen fest.

      »Das, was du willst, tu ich net!« Marthl versuchte, sich zu befreien. »Wir beide sind noch net einmal versprochen. Aber wenn’s dich beruhigt, so kann ich dir sagen, daß mit dem fremden Jäger nix war.«

      »Ha, ein Jäger! Hab’ ich doch richtig gesehen!« schleuderte Sepp ihr ins Gesicht. »Mit so einem gibst du dich ab. Wenn ich dich noch einmal mit dem erwisch, dann…«

      »Du vergißt dich, Sepp!« Marthl war es endlich gelungen, sich zu befreien. Der plötzliche Überfall des Stirnthaler-Sohnes trug nicht gerade dazu bei, ihn sympathischer zu finden. »Was tust du überhaupt hier mitten in der Woche?«

      »Gell, das möchtest gern wissen!« wich der Bursch aus, und sein Blick flackerte. »Damit du dich demnächst ungestört mit dem anderen treffen und heimlich ein Gspusi anfangen kannst! Aber ich sag dir, daraus wird nix! Du mußt immer damit rechnen, daß ich in der Nähe bin!«

      Wild und triumphierend blitzten die dunklen Augen.

      »Jetzt redest einen Schmarrn, Sepp!« versuchte Marthl einzulenken. »Wegen mir brauchst net in der Woche aufzusteigen. Du hast doch gewiß Arbeit auf dem Hof.«

      »Es gibt Arbeit, die mehr einbringt«, gab Sepp rätselhaft zurück. »Aber mach dir nur keine Gedanken. Mit dir hat es nix zu tun, daß ich heroben bin, wenn ich auch froh bin, daß ich dich auf frischer Tat ertappt hab’ und dem gleich einen Riegel vorschieben kann!«

      »Du tust grad so, als ob ich dir gehöre«, begehrte Marthl auf.

      »Das tust du auch«, gab der Bursch herrisch zurück. »Ich will dich, und ein Stirnthaler bekommt immer, was er will. Und gnade Gott dem, der ihm das streitig machen will!«

      Unwillkürlich hatte Sepp die Rechte zur Faust geballt und sie in Richtung des Bergpfades geschüttelt, wo der Jäger verschwunden war. »Alles, verstehst du mich!« zischte er. »Das Madl und auch sonst alles. Es wird nur reizvoller, wenn ich dafür kämpfen muß, denn ein Stirnthaler gibt net eher Ruh, bis er seinen Gegner am Boden zermalmt hat!«

      Marthl war während seiner Rede zurückgewichen. Unheimlich war ihr der Bursch in diesem Moment, als sein wildes, ungezügeltes Temperament die Oberhand gewann. Nein, an der Seite dieses Mannes wollte sie kein Leben verbringen. Das wurde ihr immer klarer, je länger sie Sepp kannte!

      Plötzlich war Sepp wie umgewandelt.

      »Ich muß heimgehen!« meinte er freundlich. »Am Samstag komm ich wieder, dann machen wir uns ein paar schöne Stunden!« Er zwinkerte ihr zu. Marthl konnte diese plötzliche Verwandlung kaum begreifen. »Gib gut auf dich acht!« meinte Sepp zum Abschied und drückte ihr einen sanften Kuß aufs Haar, als ob nichts gewesen wäre. »Warte auf mich!«

      Damit lief er bergab.

      »Warte auf mich!« Seine Worte klangen Marthl in den Ohren. Genau das hatte der Jäger zu ihr gesagt, als er sie an sich gezogen hatte und es sie wie Feuer durchzuckt hatte.

      Die Sonne stand schon niedrig über den Berggipfeln gegenüber und tauchte den Raffen in ein blutiges Rot. Doch Marthl saß wie gelähmt auf der Bank und dachte an die beiden Männer, die so unverhofft in ihre beschauliche Einsamkeit eingedrungen waren und ihr Herz in Aufruhr versetzt hatten.

      Sepp glaubte, die älteren Rechte zu haben und wollte sie besitzen. Doch Marthl mußte sich eingestehen, daß ihr Herz dem Jäger zuflog, jenem Fremden, der einen süßen, nie gekannten Schmerz der Sehnsucht in ihr geweckt hatte.

      Auf ihn wollte sie warten! Doch die Gewißheit darüber erfüllte sie nicht mit Freude. Wie die Sonne jetzt hinter den Bergen versank und den dunklen Schatten der Nacht den Weg freimachte, so versank ihre Hoffnung in einer Woge der Furcht. Sie ahnte, daß Sepp es nicht dulden würde, daß sie Johann wiedersah.

      Wenn sie ihrem Herzen folgte, würde etwas Schreckliches geschehen!

      Tief unten lag das Dorf im Schatten, schon konnte man die Häuser nicht mehr erkennen. Unaufhaltsam krochen die Schatten jetzt bergan, leckten nach den Almen, schließlich nahmen sie Besitz von der Sennhütte.

      Unruhig brüllten die Kühe, denn sie wollten gemolken werden. Bevor sich Marthl eilig an die Arbeit machte, warf sie einen letzten Blick hinab ins Tal, und ihr war, als sie in die wachsende Dunkelheit hinabschaute, als blickte sie in ihre eigene Zukunft.

      *

      Der Aufreiter-Johann machte bei seinem Abstieg einen Umweg durch den Bergwald. Er wollte noch nicht ins kahle und unwohnliche Jägerhaus zurückkehren. Dort erwartete ihn niemand. Noch stand der Hausrat zum Teil in Kisten verpackt herum, denn er hatte erst begonnen, sich einzurichten.

      Außerdem wollte er nachdenken, und das konnte er am besten beim Gehen. Die Begegnung mit der Sennerin Marthl hatte ihn mehr aufgewühlt, als er sich selbst eingestehen wollte! Johann hielt sich für einen eingefleischten Junggesellen, doch so ein Madl mochte diese Tatsache ins Wanken bringen…

      Golden schimmerte die Abendsonne durch das Blätterdach des Bergwaldes, brach sich im grünen Geäst und malte bewegte Muster auf den Waldboden.

      So recht ein Anblick zum Träumen! Versonnen lauschte Johann dem Zwitschern der Vögel. Wirklich, Marthl hatte recht. Ringsum gab es nichts als Ruhe und Frieden. Doch täuschte diese Ruhe, war der Friede trügerisch? Brodelte es unter seiner Oberfläche? Fast mochte Johann selbst nicht mehr daran glauben, was der alte Franz ihm mit auf den Weg gegeben hatte. Wenn nicht einmal die Sennerin etwas ahnte, die es doch hätte wissen müssen!

      Aber was wußte er, ein Fremder, schon von den Menschen hier im Gebirge? Er stammte aus einer anderen Gegend und mußte damit rechnen, daß man ihm hier mit Vorsicht und Mißtrauen begegnete.

      Doch Marthl? Sie hatte so ein offenes, ehrliches Gesicht. Nie würde sie ihm einen Frevel, von dem sie wußte, verheimlichen. Und wenn ihn nicht alles täuschte, dann mochte sie ihn ebenso wie er sie!

      Ganz in Gedanken war Johann vor der kleinen Brücke angelangt, die sich hoch über die Salachklamm spannte. Der Wildbach, der vom Raffen herabstürzte, bildete hier einen Wasserfall. Die Brücke war eigentlich mehr ein schwankender Holzsteg, der immer feucht war vom Spritzen des Wassers.

      Vor der Brücke mündete ein anderer Bergpfad in den, auf dem sich der Jäger dem Steg näherte. Auf diesem kam ein Mann mit langen


Скачать книгу