Wilderer und Jäger Staffel 2. M. Bachmann

Wilderer und Jäger Staffel 2 - M. Bachmann


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andere zuckte gleichmütig die Achseln und tat erstaunt.

      »Eine Gams? Und die liegt einfach so herum?« Er zog die Augenbrauen hoch. »Und du bist sicher, daß du sie net selbst geschossen hast?«

      »Bist du narrisch! Ich werd doch um diese Zeit keine Gams schießen!« rief Johann empört.

      »Weiß man’s?« gab der Bauer zurück. »Man sagt, daß es Leute gibt, die net schlecht für ein Krickl zahlen. Warum sollt da net auch ein Jager in Versuchung kommen und nachher sagen, daß er die Gams gefunden hat?«

      »Das ist ungeheuerlich!« schrie Johann auf.

      »So beruhige dich doch«, brummte der Bauer und schickte sich an weiterzugehen. »Du mußt nur wissen, daß es bei uns keinen Wildschütz gibt und daß es dir net guttut, deine Nase allzutief in Angelegenheiten zu stecken, die dich nix angehen.«

      »Nix angehen?« Jetzt war es vollends um die Fassung des jungen Jägers geschehen. »Ich bin hier der Jäger, und es ist meine Pflicht, mich um mein Revier zu kümmern. Deshalb bin ich da!«

      »Wie du meinst!«

      Der Bauer schulterte jetzt wieder seine Axt und setzte seinen Weg, vor sich hin brummelnd, fort.

      Fassungslos sah ihm Johann nach.

      »So viel Verbohrtheit gibt’s gar net!« rief er. »Nur weil er net zugeben will, daß es im Dorf einen Wildschützen gibt, versteigt der sich dazu, mich zu beschuldigen, ich hätt mitten im Sommer die Gams geschossen! Was soll ich denn bloß tun, daß sich net alle gegen mich stellen! Sie können es doch auch net gutheißen, daß hier im Bergwald Geschwärzte ihr Unwesen treiben!«

      Aufgewühlt von seinem Erlebnis und von der Begegnung mit dem Bauern erreichte Johann endlich sein Haus.

      Still und friedlich lag es im Sonnenschein, und die Fenster starrten ihn am hellen Vormittag nicht ganz so abweisend an wie sonst.

      Eigentlich lag es recht schön dort am Rande des Bergwaldes mit der Aussicht ins Tal und auf die gegenüberliegenden Gipfel. Fast überwältigend erschien Johann die Stille und Einsamkeit ringsum.

      Er wußte nicht, daß noch vor ganz kurzer Zeit jemand hier gewesen und vergeblich auf ihn gewartet hatte. Vielleicht wäre manches anders geworden, wenn er an diesem Vormittag früher heimgekehrt wäre. So aber nahm das Schicksal seinen Lauf.

      *

      Lange hatte die Sennerin Marthl mit sich gekämpft.

      Am Tag nach dem unseligen Besuch von Johann war der Stirnthaler-Sepp wie immer auf die Alm gekommen, um Butter und Käse zu holen.

      Ein triumphierendes Funkeln stand in seinen Augen, als er die Sennerin an sich ziehen wollte.

      Doch zu seiner Überraschung entwand sich Marthl seinen Armen.

      »Was?« fuhr er sie an. »Ich denk, zwischen uns ist alles wieder in Ordnung? Oder wartest du etwa noch immer auf den Fremden?«

      Traurig schüttelte Marthl den Kopf.

      »Nein, der kommt nimmer!«

      »Na also!« brummte Sepp befriedigt. »Aber was hast du denn dann?«

      »Ich mag net, Sepp!« stieß Marthl hervor.

      »Also denkst du doch noch an ihn!« erriet der Bursch. »Das wird dir schon vergehen. Der wird nimmer lange unsern Bergwald unsicher machen. Das garantiere ich dir!«

      Er stieß sie von sich, daß sie taumelte.

      »Wirst schon sehen, was einem geschieht, der sich einem Stirnthaler in den Weg stellt!« stieß er grimmig hervor.

      »Aber es ist doch gar nix!« schluchzte Marthl, der bei den Worten des Bauernburschen Angst um den Jäger wurde. »Du hast doch gar keinen Grund, eifersüchtig zu sein!«

      »Aber du denkst an ihn, und das langt!« fuhr Sepp sie an. »Außerdem gibt’s noch einen anderen Grund, der ein Weiberleut nix angeht.«

      Damit stiefelte er davon, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen.

      Marthl schlug die Hände vors Gesicht. Tränen standen in ihren Augen.

      War es nicht schon schlimm genug, daß Johann nicht mehr zu ihr kam, weil Sepp glaubte, ein Recht auf sie zu haben? Mußte der narrische Sepp in seiner Eifersucht nun auch noch dem Jäger, der wahrscheinlich völlig ahnungslos war, Rache schwören?

      Marthl litt unter den unseligen Verwicklungen, in die sie scheinbar ausweglos verstrickt war. Dabei hatte sie gehofft, hier oben auf der Alm Friede und so etwas wie eine Heimat zu finden!

      Sie ahnte, daß Sepp nicht eher ruhen würde, bis er dem Jäger Schaden zugefügt hatte. Was sollte sie nur tun?

      Ja, sie mußte ihn vor Sepp warnen, der in seiner Eifersucht und mit seinem hitzigen Temperament zu allem fähig war. Und… Ihr Herz machte einen Satz. Vielleicht konnte sie auch das Mißverständnis aufklären!

      Fast wagte sie selbst nicht daran zu glauben, aber vielleicht konnte doch noch alles gut werden, wenn sie ihren Stolz und ihre Scheu überwand und zu ihm ging.

      Marthl wußte genau, daß sich das nicht schickte. Vielleicht dachte der Jäger, sie würde ihm nachlaufen und mißverstand ihren Besuch. Doch dies Wagnis mußte sie eingehen. Ihr Herz befahl ihr, zu Johann zu gehen, und sie würde dem Ruf ihres Herzens gehorchen, was auch immer nachher geschehen mochte!

      Marthl war von einer wohligen Ruhe erfüllt, als sie diesen Entschluß gefaßt hatte und machte sich mit frischen Kräften an die Arbeit.

      Doch zu ihrer Enttäuschung regnete es am nächsten Tag in Strömen, und am darauffolgenden Tag ließ es die Arbeit nicht zu, zum Jägerhaus hinabzusteigen.

      Dann endlich, nachdem sie in aller Herrgottsfrühe schon ihre Morgenarbeit getan hatte, konnte sie es wagen, die Alm für zwei oder drei Stunden allein zu lassen!

      Sie zog ihr schönstes Dirndl an, bürstete besonders sorgfältig ihr schweres Blondhaar und steckte es auf. Dann machte sie sich auf den Weg durch den Morgen. Eben schickte die Sonne ihre ersten Strahlen durch die Frühnebel,

      und sie schienen geradewegs in Marthls Herz.

      Sie war so von Zuversicht erfüllt, daß sie mit den Vögeln um die Wette sang.

      Freundlich schimmerten die Fenster des Jägerhauses am Waldrand in der Morgensonne, als wollten sie das Madl von der Alm willkommen heißen. Noch war die Haustür fest verschlossen.

      Ob Johann noch schlief? Mit klopfendem Herzen stand sie schließlich vor der Tür und pochte.

      Von drinnen kam keine Antwort. Sie pochte noch einmal, diesmal lauter. Doch noch immer blieb alles still.

      »Johann!« rief sie schließlich. »Ich bin’s, Marthl!«

      Sie drückte die Klinke. Doch die Tür war verschlossen.

      »Er ist nicht da!« entfuhr es ihr voll bitterer Enttäuschung.

      Noch einmal ging sie rund ums Haus. Doch es gab keinen Zweifel mehr: Sein Besitzer war fort.

      »Und ich hab’ mir so viel erhofft von diesem Morgen! Ich hab’ mich so überwinden müssen, herzukommen. Nun war alles umsonst. Wer weiß, wann ich wieder von der Alm herunterkommen kann!« Tränen der Enttäuschung verschleierten Marthls blaue Augen. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie ihre Gedanken weiterspann. »Wer weiß, ob es dann noch früh genug ist, Johann vor Sepps Eifersucht zu warnen!«

      Kaum wollten ihr die Füße gehorchen, als sie sich auf den Rückweg machte. Tränen rannen über ihre Wangen.

      Sie sah nicht den Bauern mit der Axt im Bergwald verschwinden. Aber selbst wenn sie ihn gesehen hätte, so hätte sie ihm keine Beachtung geschenkt. Doch das sollte sich als verhängnisvoll erweisen.

      *

      Der Stirnthaler-Sepp saß im Wirtshaus »Zum Gamskrickl« vor einem Schoppen und brütete vor sich hin. Es war


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