Wilderer und Jäger Staffel 2. M. Bachmann

Wilderer und Jäger Staffel 2 - M. Bachmann


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Bursch mit den schwarzen Locken vertrat dem Jäger den Weg.

      »Die Stirnthaler haben hier immer Vortritt. Daran wirst du dich gewöhnen müssen, Jäger!« spottete er.

      »Wenn’s dir Freude macht, dann geh nur zuerst!« gab Johann friedfertig zurück. Er wollte sich seine schöne Stimmung nicht durch die Provokation dieses Bauernburschen verderben lassen.

      »Aha, bist wohl kein Mannsbild, daß du kneifst!« höhnte der andere und versperrte massig den Zutritt zum Steg. »Hast die Lektion ja schnell verstanden, daß du keinem Stirnthaler in die Quere kommen darfst. Merk’s dir nur gut!«

      »Was soll das?« Johann wurde nun doch ärgerlich. »Geh nur und laß mich auch weitergehen.«

      »Du gehst dann, wenn ich will und keinen Augenblick eher. Wirst dich gedulden müssen, bis ich dich durchlasse!« Sepp maß den Jäger mit den Blicken. Dem würde er es schon zeigen, gleich von Anfang an! Kräftig war er ja, aber ihm war er nicht gewachsen!

      »Jetzt langt’s aber. Geh aus dem Weg. Mach dein Spiel mit anderen, aber net mit mir!« Johann trat einen Schritt auf den anderen

      zu.

      »Du, ich warne dich! Komm mir net zu nah!« zischte Sepp gefährlich leise.

      Doch Johann ließ sich nicht einschüchtern.

      »Aus dem Weg, sag ich, sonst schaff ich mir Platz!« Er war jetzt entschlossen, dem Burschen klarzumachen, daß mit ihm nicht zu spaßen war.

      Sepp ballte die Fäuste und duckte sich. Johann versuchte, ihn zur Seite zu drängen, um auf den Steg zu gelangen, doch in diesem Augenblick rempelte Sepp ihn an, und er stürzte zu Boden. Sepp, der nur darauf gewartet hatte, warf sich über ihn und bearbeitete Johann mit den Fäusten. Dabei schob er ihn immer weiter, Zentimeter für Zentimeter auf den Abgrund zu, in dem der Wasserfall schäumte und rauschte.

      Entsetzt erkannte Johann die Gefahr, er sah den Haß und die tödliche Entschlossenheit im Blick des anderen, auch wenn er deren Grund nicht verstehen konnte.

      Jäh wurde ihm bewußt, daß er nicht nur um den Vortritt am Steg kämpfte, sondern um etwas anderes. Vielleicht sogar um sein Leben!

      Das verlieh ihm ungeahnte Kräfte. Er bäumte sich auf, stieß den schweren Körper des Burschen von sich, rappelte sich auf und versetzte dem Taumelnden einen Faustschlag aufs Kinn, der ihn auf den Bergpfad stürzen ließ.

      »Das mag dir genügen. Laß mich in Zukunft in Frieden!« rief er und begab sich auf den schwankenden Steg, dessen Überquerung seine ganze Aufmerksamkeit erforderte.

      Er warf keinen Blick zurück, als er sich über die glitschigen Planken tastete.

      Deshalb sah er nicht, daß ihm die dunklen Augen in ohnmächtigem Zorn nachstarrten.

      Johann grübelte auf dem Heimweg darüber nach, was der Vorfall wohl bedeuten mochte. Was hatte der Bauernbursch von ihm gewollt? Lehnte er ihn als Fremden ab? Wollte er seine Kräfte mit ihm messen? Johann war erschrocken über die Ablehnung, die er erfahren hatte, ohne daß der andere ihn überhaupt kennengelernt hatte.

      Doch eine große Bedeutung maß er der Auseinandersetzung an der Klamm nach einiger Überlegung nicht bei.

      Er würde sich schon einleben, und dann würden ihn auch die Dörfler akzeptieren, wenn sie erst begriffen, daß er nicht anders war als sie!

      Doch darin sollte sich Johann täuschen. Er ahnte nicht, daß zwei schwerwiegende Gründe dem im Wege standen. Noch weniger ahnte er, daß er sich an diesem Tag einen Todfeind geschaffen hatte.

      *

      Bleich und mit brennenden Augen kam Sepp auf dem Stirnthalerhof an.

      Aufmerksam musterte der Stirnthaler-Magnus das Gesicht seines Sohnes, in dem sich deutlich die Spuren einer tätlichen Auseinandersetzung abzeichneten.

      Doch der alte Bauer verlor kein Wort darüber.

      »Na, hast Erfolg gehabt?« fragte er statt dessen.

      »Es wird schon noch!« stieß Sepp zwischen den Zähnen hervor. »Die Idee ist gut!«

      Der Alte wiegte bedächtig den Kopf.

      »Also, ich weiß net… Was du vorhast, geht gegen die Ehr von unsereinem. Ich mein, es ist net recht.«

      »Net recht! Das mußt du grad sagen. Der größte…«

      »Pst! Behalt es nur für dich. Auch wenn die Zeiten vorbei sind, so solltest du doch net darüber sprechen. Zumal du selbst…«

      »Jetzt sei du still!«

      Die beiden Männer, der junge und der alte, die sich verblüffend ähnelten, wäre nur der Altersunterschied nicht gewesen, tauschten einen verschwörerischen Blick.

      »Hast schon den neuen Jäger getroffen?« wechselte der Stirnthaler-Magnus das Thema.

      »Und ob!« knirschte Sepp und ballte wieder die Fäuste.

      »Nimm dich nur in acht!« warnte der Alte. »Das ist ein junger, scharfer. Der ist aufmerksamer als der alte Franz.«

      »Wir werden ja sehen«, murmelte Sepp, und seine Augen funkelten hinterhältig. »Ich prophezeie dir, daß der net lang hier im Hochtal bleibt. Der wird über seine eigenen Taten stolpern und sich dabei das Genick brechen«, sagte er düster.

      »So, wird er?« Der Alte schaute seinen Sohn aufmerksam an. »Weißt du etwa was über ihn, daß du so redest?«

      »Wirst es ja erleben!« Sepp zuckte betont gleichmütig die Schultern.

      Dann wandte er sich ab, um seinen Anteil an der Stallarbeit zu erledigen. Schließlich mußte auch die getan werden, damit das andere nicht auffiel. So hatten es die Stirnthaler immer gehalten.

      Sepp war ein Bauer. Sollte einer wagen, etwas anderes zu behaupten!

      *

      Zwei Tage hielt es Johann im Jägerhaus, in denen er nicht untätig war. Bald blitzte das Haus, das etwas heruntergekommen war, als der alte Franz nach dem Tod seiner Frau allein dort gewohnt hatte, in neuem Glanz.

      Johann hatte das Dach repariert, die Fenster geputzt, den Kamin hergerichtet und nicht eher geruht, bis er alles so hatte, daß er sich darin wohl fühlen konnte.

      Doch am Freitag zog es ihn mit Macht auf die Alm. Er mußte Marthl wiedersehen!

      Über den Bergen ballten sich Gewitterwolken zusammen und bildeten eine bedrohliche Wand, als Johann bergauf stieg. Er wollte nicht spüren, daß sich etwas zusammenbraute, denn er war voll froher Erwartung. Zwei Tage lang hatte er das Madl nicht gesehen, bei dem seine Gedanken jede wache Stunde des Tages weilten!

      Über ihm erhob sich aus dem grünen Kranz des Bergwaldes der Raffen, steil und unnahbar ragte er auf. Bald mußte er die Alm erreicht haben!

      Die Sonne verfinsterte sich, als die vom Alter dunkle Holzhütte vor ihm lag. Johann hatte nur Augen für die Alm, weil er inständig hoffte, Marthl irgendwo zu erspähen.

      Deshalb sah er nicht die Gestalt, die auf dem Bergpfad abwärts eilte und sich hastig verbarg, als er sich näherte. Dunkle Augen verfolgten ihn aus einem Versteck hinter einem Felsbrocken, bis er vor der Almhütte stand. Augen, in denen der Haß glühte!

      Lautlos erhob sich dann die Gestalt, schulterte einen Rucksack und glitt auf dem Pfad bergab, während der junge Jäger erwartungsvoll nach der Sennerin rief.

      Marthl trat ihm aus dem Haus entgegen.

      »Johann!« Wie von selbst entschlüpfte der freudige Ausruf ihren Lippen, und sie lief ihm entgegen.

      Er fing sie mit seinen starken Armen auf, und einen Augenblick lang konnte sie den heftigen Schlag seines Herzens spüren, als sie ihren Kopf an seiner Brust barg.

      Dann machte sie sich, wenn auch widerwillig, frei aus seinen Armen und sah ihn strahlend an.

      »Du bist wirklich gekommen!«


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