Wilderer und Jäger Staffel 2. M. Bachmann

Wilderer und Jäger Staffel 2 - M. Bachmann


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der alte Stirnthaler. »Bist ein rechter neuer Besen! Aber wart nur, du wirst auch schon noch lernen, wie es bei uns heroben zugeht!«

      Johann war das Blut in die Wangen geschossen, doch er schluckte eine scharfe Antwort rasch hinunter. Er wollte es nicht mit den Bauern verderben, sondern im Gegenteil ihr Vertrauen gewinnen.

      »Ich tu nur meine Arbeit so gut wie möglich«, gab er zurück. »Und ich wär froh, wenn ihr mir dabei helfen würdet!«

      »Habt ihr das gehört? Helfen!« höhnte der Stirnthaler. »Nein, mein liebes Bürschel. Ein Bergbauer hilft net einem Grünen. Nie und nimmer!«

      »Dann macht ihr doch gemeinsame Sache mit den Wildschützen! Es ist net recht, den Frevel zu decken!«

      »Wildschützen! Gibt’s hier Wildschützen?« Der Stirnthaler wandte sich an die Runde an den blankgescheuerten Buchenholztischen. »Das ist mir ja ganz neu!«

      »Genau! So was gibt’s bei uns net!« Ringsum erscholl beifälliges Gemurmel, doch die spöttisch funkelnden Augen der Bauern straften ihre Worte Lügen.

      »Na also!« brummte der Stirnthaler und stopfte sich seine Pfeife. »Laß dir einen guten Rat geben, Jager. Wenn du hier alt werden willst, dann mach es wie der alte Franz. Der hat gewußt, was er sehen darf und was net. Dafür ist er nie in Gefahr geraten, unversehens eine Kugel in den Rücken zu bekommen!«

      Der alte Bauer lachte schallend und schlug sich dabei auf die Schenkel. Auch die anderen stimmten ein.

      »Das ist ja ungeheuerlich!« ereiferte sich Johann. »Das ist eine Beleidigung für meinen Vorgänger, ja, für meinen ganzen Stand! Ihr wollt doch net behaupten, daß er absichtlich einen Wildschützen hat gewähren lassen!«

      »Nix für ungut, es war nur ein Spaß!« brummte der Stirnthaler. »Du verstehst doch Spaß? Also setz dich her und trink einen Schoppen mit uns, wenn du schon einmal da bist!«

      Zögernd folgte Johann der Einladung, die so unerwartet kam nach den hämischen Worten, die der Alte vorher gesagt hatte. Er wußte nicht recht, was er davon halten sollte.

      Gewiß, der Stirnthaler hatte alles für einen Spaß erklärt, doch Johann spürte genau, daß sie noch etwas anderes enthalten hatten. Eine unterschwellige Warnung, seine Pflicht allzu genau zu nehmen!

      *

      Johann hatte sich vorgenommen, eine Bestandsaufnahme des Wildes in seinem Revier zu machen. Täglich war er schon am frühen Morgen unterwegs im Bergwald, und bald kannte er die Wechsel der Hirsche und Rehe, wußte, wo weiter oben die Weideplätze der Gemsen lagen und hatte schließlich auch hoch oben auf einer Felszinne das Nest der Adler entdeckt.

      Der junge Jäger hätte zufrieden sein können, wenn er nicht ständig an Marthl hätte denken müssen. Oft kam er in Versuchung, noch einmal zur Schoberalm hinaufzusteigen. Einen Vorwand hätte er leicht gefunden, schließlich gehörte auch die Murmeltierkolonie in den Felsen des Raffen zu seinem Revier. Doch er schob diesen Gang immer weiter vor sich her. Nicht noch einmal wollte er sich zum Gespött machen, wollte sich nicht die Blöße geben, dem Madl vergeblich hinterherzulaufen. Auch er hatte seinen Stolz!

      Allzu frisch noch war die Wunde. Auch die anonyme Warnung an der Tür hatte ihn unsicher gemacht, obwohl er entschlossen war, sie einfach nicht zu beachten.

      Johann liebte die frühe Morgenstunde in den Bergen, wenn die Nebel sich hoben und alles, selbst die schroffen Felswände, in ein sanftes Licht getaucht war. Überall herrschte ein unbeschreiblicher Friede, und der Jäger genoß die Ruhe und Einsamkeit.

      Er hatte keine Ahnung, daß er nicht immer allein auf seinen Gängen im Revier war. Manchmal folgte ihm ein Augenpaar, um den Moment zu nutzen, wenn er den Rücken kehrte und müde zum Jägerhaus zurückkehrte.

      An einem Morgen stieg er hoch hinauf, dorthin, wo nur noch niedriges Latschengestrüpp die Felshänge bedeckte. Er streifte durch eine unwegsame Gegend, in die er bisher noch nicht gekommen war.

      Wie von Riesenhand herabgeschleudert, lagen überall zackige Felstrümmer umher. In den Mulden wucherte Brombeergestrüpp und zerrte mit seinen stacheligen Ranken nach den Kleidern des Jägers. Noch war die Sonne nicht aufgegangen, und Nebelfetzen waberten zwischen den Felsbrocken. Alles schien in geisterhafter Bewegung zu sein.

      Johann mußte höllisch aufpassen, um nicht unversehens in ein Loch zu treten, das, halb verborgen unter den Ranken, zur Falle werden konnte. Sein Fuß stieß an Steinbrocken, die er im Zwielicht zu spät erkannte.

      Alles war feucht vom Nebel und vom Tau. Ein kühler Wind machte sich auf und brachte die grau-weißen Schwaden in Bewegung.

      Der Jäger fröstelte. Er war schon im Dunkeln aufgestanden, und nun machte sich die Müdigkeit bemerkbar. Er sehnte sich nach einer heißen Tasse Kaffee.

      Wenn ihn doch nur daheim jemand erwarten würde! Nein, nicht irgendwer! In seiner Vorstellung trug dieser Jemand eine blonde Zopfkrone und die Gesichtszüge von Marthl.

      Doch gleich darauf schalt der Jäger sich selbst einen Narren. Die Müdigkeit mußte schuld sein, daß er sich dieses Madl noch immer nicht aus dem Kopf schlug. Er sollte umkehren, diesen unwirtlichen Ort verlassen und heimgehen.

      Er wußte selbst nicht, was ihn hierhergetrieben hatte, denn auch das Wild schien das Trümmerfeld zu meiden.

      Johann kehrte um und kämpfte sich durch Brombeerranken und Steine abwärts. Plötzlich zuckte er zusammen. Sein Fuß war an etwas Weiches gestoßen! Er bückte sich, um besser sehen zu können.

      »O nein!« Ein überraschter Aufschrei entfuhr seinen Lippen.

      Gut verborgen im Gebüsch lag dort der Kadaver einer Gemse. Nach seinem Zustand zu schließen, mußte er schon längere Zeit dort versteckt gewesen sein. Die Decke war zerrissen, das Tier war wohl, nachdem es geschossen worden war, über die Felshänge herabgestürzt.

      »Deshalb hat der Wildschütz es wohl liegenlassen!« murmelte Johann mit grimmigem Lächeln. »Mit der zerfetzten Decke konnte er kein Geschäft machen!«

      Denn daß hier ein Wildschütz am Werk gewesen war, daran gab es für den Jäger keine Zweifel. Säuberlich war das Krickl abgetrennt worden.

      »So ein Lump!« Johann war außer sich vor Zorn. »Na warte, dir werd ich schon das Handwerk legen. Also hat der alte Franz doch recht gehabt. Wahrscheinlich hat der Geschwärzte bisher still gehalten, um mich in Sicherheit zu wiegen. Er soll nur net wagen, wieder mit seinem frevlerischen Tun zu beginnen!«

      Johann suchte die Umgebung nach Spuren ab. Zu gern hätte er einen Hinweis darauf gefunden, wer der Wildschütz sein mochte. Doch Regen, Wind und Sonne hatten längst alles verwischt.

      Niedergeschlagen und erschöpft machte sich der Jäger schließlich auf den Heimweg. Später würde er sich um die Gams kümmern.

      Die Sonne brach jetzt durch die Nebel und ließ die Tropfen auf den Blättern der Sträucher blitzen wie Edelsteine. Dunkelgrün glänzten die Latschen an den Hängen. Wie ein Schleier, der feierlich fortgezogen wird, gab der Dunst allmählich die Gipfel der Berge frei. Die Vögel begrüßten den neuen Tag, der sich jetzt in seiner ganzen Pracht zeigte.

      Doch der Jäger mochte sich heute nicht recht an den Schönheiten der Bergnatur freuen. Er hatte Gewißheit erlangt, daß im Revier etwas nicht stimmte, und er wußte, daß eine schwere Aufgabe auf ihn wartete.

      Bei ihrer Lösung würde ihm die Ablehnung der Dörfler zu schaffen machen, denn ohne ihre Mithilfe mußte er sehr viel Glück haben, den Wildschützen zu entlarven.

      Johann hatte sich durch seinen überraschenden Fund länger droben am Berg aufgehalten, als er beabsichtigt hatte. Es war heller Vormittag, als er sich dem Jägerhaus näherte.

      Auf dem Pfad kam ihm ein Bauer aus dem Dorf entgegen, die Axt geschultert.

      Mit einem kurzen Gruß wollte er sich am Jäger vorbeidrücken. Doch Johann stand noch ganz unter dem Eindruck des Erlebten und mußte mit einem Menschen darüber sprechen.

      »Weißt, was ich


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