Wilderer und Jäger Staffel 2. M. Bachmann
Johann sein Erlebnis nicht mehr länger für sich behalten. Vielleicht gelang es ihm doch, die Dörfler aufzurütteln und zur Mithilfe zu bewegen, wenn sie von der ungeheuerlichen Frechheit des Wildschützen erfuhren!
»Gesehen hab’ ich keinen, aber gehört!« erzählte er.
Er sah nicht, wie der Wirt und der Stirnthaler-Sepp, der wie teilnahmslos in der Runde hockte, einen Blick tauschten.
»Seit wann machen denn die Wildschützen Lärm? Oder hat gar wer geschossen?« klopfte Alfons auf den Busch, um den Jäger zum Weitersprechen zu bewegen.
»Stellt euch nur vor, er hat mir angeboten, ihn gegen Geld gewähren zu lassen. Ja, mehr noch! Er wollte mich bestechen, für ihn Gemsen, Murmeltiere und gar Adler zu schießen!«
»Ist das wahr? Das glaub ich net!« provozierte ihn der Wirt.
»Und du? Was hast du gesagt?« fragte er lauernd. »Hast eingeschlagen?«
»Ja, was denkst denn du von mir!« empörte sich Johann. »Dem hab’ ich die Meinung gesagt. Aber stellt euch doch nur die ungeheure Frechheit des Lumpen vor. Der schreckt wohl vor gar nix zurück!«
»Na ja!« Der Wirt wiegte den feisten Kopf. »So ein Angebot bekommt man net alle Tage. Du wärst net der erste Jäger, der sich auf so einen Handel einläßt!«
Die Augen von Sepp, von Alfons und vom Gamskricklwirt funkelten voller unterdrückter Schadenfreude. Nur der alte Stirnthaler blickte ein wenig verwirrt und nachdenklich drein.
Noch verstand er nicht ganz, was gespielt wurde. Aber wenn ihn seine Ahnung nicht trog, so war es etwas, was ihm nicht gefallen wollte. Doch noch schwieg er zu allem und wartete ab.
»Mit euch kann man je net reden!« eiferte jetzt Johann.
»Ihr könnt nur über alles spotten und unterstützt damit den Frevel. Pfui Teufel, was seid ihr bloß für Menschen!«
Abrupt stand Johann auf und stürmte hinaus.
»Da geht er dahin!« brummte Alfons.
Das Gespräch der Bauern, die an diesem Abend zahlreich im Wirtshaus versammelt waren, drehte sich noch eine Weile um den neuen Jäger, der, wenn man seinen Worten Glauben schenken durfte, solch ein seltsames Angebot erhalten hatte.
»Vielleicht phantasiert er auch, oder er will sich wichtig machen!« meinte ein alter Bauer.
»Es wird sich schon zeigen, wo wir mit ihm dran sind!« fügte ein anderer hinzu.
»Ich kann’s net recht glauben, was er erzählt hat!« gab der erste zu bedenken.
»Na, uns kümmert’s net. Soll der Jager nur schauen, wie er fertig wird. Das ist noch nie die Sache von uns Bauern gewesen!« meinte der andere gleichgültig.
Nur drei Männer in der Schankstube schwiegen beharrlich zu allem, bis das Gespräch sich endlich anderen Dingen zuwandte.
*
Alle Glocken läuteten das Fest Mariä Himmelfahrt ein, und zum Festtag der kleinen Dorfkirche zu Ehren der Namenspatronin strahlte die Sonne vom blankgeputzten Himmel. Festlich leuchteten die Berggipfel.
Alpenblumen schmückten das Portal der Kirche. Von allen Berghöfen strömten feierlich gekleidete Menschen hinab ins Dorf, um an der Prozession teilzunehmen.
Auch Marthl war schon im Morgengrauen aufgebrochen, denn diesen Feiertag wollte die Sennerin nicht versäumen.
Das blaue Dirndl wehte um die gebräunten Beine, ihre Augen spiegelten das Blau des Himmels.
Doch innerlich war das Madl gespannt und aufgeregt. Würde sie drunten im Dorf Johann sehen? Würde sie Gelegenheit haben, mit ihm zu sprechen, um endlich das Mißverständnis aus der Welt zu räumen?
Aber da waren die neugierigen Augen der Dörfler, und mit Sicherheit würde auch Sepp da sein und sie bewachen wie sein Eigentum.
Der laue Sommerwind wehte jetzt das Geläute der Kirchenglocken vom Tal herauf. Es war höchste Zeit, wenn sie nicht zu spät zur Messe kommen wollte!
Ihre Füße flogen nur so bergab, eine Locke hatte sich aus ihrem Haar gelöst und wehte in die Stirn. Kleine Steine lösten sich, so schnell lief sie dem Dorf entgegen. Gleich hatte sie die Weggabelung erreicht, wo der Pfad zum Jägerhaus abzweigte. Dann war es nicht mehr weit!
Plötzlich tauchte vor ihr ein grünes Gewand auf, ein Gamsbart stand darüber. Es war zu spät, den Schwung zu bremsen. Marthl war so schnell bergab geeilt, daß sie gegen den Burschen prallte, der sich jetzt erstaunt umwandte.
Geistesgegenwärtig breitete er die Arme aus, fing Marthl auf und verhinderte so ihren Sturz.
»Marthl!«
»Johann!«
Gleichzeitig kam der Ruf von den Lippen der beiden jungen Menschen, die sich so unverhofft erkannten.
»Das ist ein Wink des Schicksals!« entfuhr es dem jungen Jäger. »Gewiß hat es heut mitgespielt, daß wir uns treffen!«
Marthl standen Tränen in den Augen.
»Hast du dir vielleicht weh getan?« fragte Johann erschrocken.
Das Madl schüttelte stumm den Kopf.
»Es ist net deswegen«, hauchte sie. Ein dicker Kloß saß in Marthls Kehle und hinderte sie am Weitersprechen.
»Wegen was denn dann?«
Johanns Herz pochte heftig in seiner Brust. Noch immer hielt er Marthl fest und wollte sie nie mehr loslassen. Wenigstens diesen unschuldigen Augenblick lang wollte er ihr nahe sein, wenn es ihm schon nicht vergönnt war, ihr Liebster zu sein!
»Ich muß dir was sagen!« Marthl nahm allen Mut zusammen. Wenn sie jetzt nicht die Wahrheit gestand, war es zu spät, das fühlte sie. Sie mußte diesen Wink des Schicksals nutzen, mit Johann ins Reine zu kommen.
»Was mußt du mir sagen?« Johanns Stimme klang sanft und doch drängend.
»Ich bin keinem anderen versprochen. Der Stirnthaler-Sepp hätt’s gern, aber ich will ihn net.«
Kaum hörbar drangen ihre Worte an Johanns Ohr, doch ihm klangen sie wie die süßeste Musik.
»Ist das wahr, Dirndl?«
Sein Herz machte einen Satz. »Dann darf ich doch auf dich warten, dann darf ich zu dir kommen?«
Fordernd läuteten die Kirchenglocken im Dorf. Das Portal der Kirche wurde geschlossen. Der Wind wehte die Klänge der Orgel hinauf zum Rand des Bergwaldes. Doch Johann und Marthl wollten sie nicht hören.
Ihre Augen fanden sich und wenig später ihre Lippen. Lange standen sie da und hielten einander umschlungen, als wollten sie sich nie mehr loslassen.
Viel später erst fanden sie in die Wirklichkeit zurück und schauten sich erstaunt an. Wie hatte das so plötzlich geschehen können? Es schien ihnen wie ein Wunder.
»Die Heilige Jungfrau wird uns schützen!« murmelte Johann. »Gewiß ist es kein Zufall, daß sie uns an ihrem Festtag zusammengeführt hat.«
»Mein Gott!« rief Marthl erschrocken. »Die Messe hat längst begonnen. Ich bin doch von der Alm gekommen, um den Feiertag net zu versäumen. Jetzt wird’s aber höchste Zeit.«
»Bleib doch noch!« bat Johann.
Aber Marthl schüttelte den Kopf.
»Ich geh jetzt hinab zur Messe. Es ist besser, wenn wir net zusammen ankommen, denn gewiß ist der Stirnthaler-Sepp auch dort. Nimm dich vor dem in acht!« warnte sie inständig und ergriff beschwörend seine Hand.
»Jetzt kann mir nix mehr geschehen!« entgegnete Johann fröhlich. »Ich hab’ heut die Liebe und das Glück gefunden. Was will ich mehr? Wenn’s wieder Ärger gibt, dann denk ich an dich, und schon geht’s mir besser.«
»So, hast du schon Ärger gehabt?« fragte Marthl betroffen.
»Ach,