Heißes Blut. Un-su Kim

Heißes Blut - Un-su Kim


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Son betrachtete sein Gesicht und seufzte resigniert. »Nicht zu fassen, die haben den Mann buchstäblich zu Brei geschlagen.«

      Er warf Dodari, der wie zufällig in die andere Richtung schaute, einen bösen Blick zu. Mit einem ärgerlichen Tss wandte sich Vater Son wieder zu Chef Og. »Tut es sehr weh, Chef Og?«

      Der nickte.

      Sofort nahm Vater Son wieder Dodari ins Visier. »Du Mistkerl, warum schlägst du die Leute ohne jeden Grund?«, herrschte er ihn an.

      »Ich habe ihm Fragen gestellt, aber er hat ja nicht geantwortet, ich wusste nicht, was ich machen sollte«, verteidigte sich Dodari.

      »Man muss die Dinge im Gespräch klären, schön eins nach dem anderen. Wenn du alles gleich mit dem Knüppel klären willst, was soll denn dann aus unserer schönen, demokratischen Gesellschaft werden?«

      »Meinst du, man kann normal reden mit einem Kerl, der nicht nur drogen-, sondern auch spielsüchtig ist? Typen wie dem muss man erst mal einen auf die Rübe geben wie ’nem Stockfisch, damit sie weich und gefügig werden und anfangen zu reden. Sonst ist kein Dialog möglich. Ich hätte ihm noch mehr verpassen sollen, seht ihr nicht das Funkeln in seinen Augen?«

      Bei diesen Worten begann Chef Og, der immer noch Vater Sons Bein umklammerte, zu zittern.

      Vater Son sah ihn mit gütiger Miene an. »Du täuschst dich. Unser Chef Og ist nicht so. Er kann sehr gut reden und braucht keine Schläge, habe ich recht, Chef Og?«

      Mit einem fahrigen Blick nach oben begann Chef Og, heftig zu nicken.

      Vater Son wandte sich an Huisu. »Huisu, du wirst jetzt ein freundliches Gespräch mit Chef Og führen. Er wird uns sicher das eine oder andere erzählen wollen. Ich muss zu einem dringenden Termin. Ich verlasse mich darauf, dass du das hier regelst.«

      »Das eine oder andere erzählen, was denn erzählen, verdammt«, motzte Dodari leise vor sich hin.

      Als Vater Son sich zum Gehen wandte, zuckte Chef Og zusammen und klammerte sich noch verzweifelter an sein Bein. »Ich bitte Sie, Sie dürfen nicht gehen. Wenn Sie gehen, bin ich ein toter Mann. Helfen Sie mir, bitte, Sie haben mich doch früher immer gemocht, oder?«, jammerte er.

      »Was reden Sie denn da, Chef Og? Ich bin doch nicht Chun Doo-hwan! Warum sollten wir den lieben, guten Chef Og umbringen? Wir sind doch keine Barbaren, die beim geringsten Anlass Leute ermorden. Machen Sie sich mal keine Sorgen.« Und damit klopfte er ihm auf die Schulter. Mit einem Blick bedeutete er Huisu, das Ganze sauber abzuwickeln, und verließ das Gelände.

      Huisu folgte ihm. »Lasse ich ihn jetzt am Leben oder nicht? Ein Minimum an Vorgaben wäre echt nicht schlecht«, sagte er, vor ihm der Hinterkopf des alten Mannes.

      Vater Son verzog gereizt das Gesicht. »Chef Og und ich kennen uns seit vierzig Jahren. Willst du, dass ich ihn wegen so einer Kleinigkeit umbringe?«

      »Kleinigkeit? Er hat uns wegen Yongkang fallen lassen!«

      »Weil er zu nett ist. Du machst ihm Beine und versuchst herauszufinden, wie es um seine Schulden und seine Papiere bestellt ist.«

      Daraufhin stieg Vater Son ins Auto und brauste davon, als wollte er die Sache schleunigst hinter sich lassen. Im aufgewirbelten Staub der sandigen Straße stand Huisu da. Er warf einen Blick über die Schulter, doch ihm war nicht danach, zur Fischzucht zurückzugehen. Er zündete sich eine Zigarette an. Die Sache verkomplizierte sich. Vor einigen Tagen hatte Yongkang in Begleitung seiner Südostasiaten die Wäscherei von Chef Og übernommen. Chef Og schuldete ihm Geld, was Yongkang als Vorwand benutzt hatte, sich den Laden einzuverleiben. Da die Spielschulden virtuell waren, hatte er den Laden mit anderen Worten geschluckt, ohne einen Cent auf den Tisch zu legen. Das Problem war nur, dass die Wäscherei in Wirklichkeit nicht Chef Og gehörte, sondern wie fast alle Läden in Guam – Spielhallen, Hotels, Go-go-Bars, Nachtlokale – den Rindsbouillon-Alten. In der Regel führten Marionetten für sie die Geschäfte, um sich vor fiskaler und juristischer Verantwortung zu schützen. So konnten sie die Gewinne einstreichen, ohne jemals in Schwierigkeiten zu geraten. Als Chef Og nach der heimlichen Übergabe der Wäscherei an Yongkang nach Seoul geflohen war, hatte Vater Son Männer losgeschickt, professionelle Tracker, die keine drei Tage brauchten, um ihn aufzuspüren.

      »Wetten, er sitzt in einer Spielhalle?«, hatte Vater Son kurz vor Chef Ogs Ergreifung gesagt.

      »Er weiß, dass er tot ist, wenn er geschnappt wird. An eine Spielhalle wird er ja wohl als Letztes denken, oder?«, erwiderte Huisu.

      »Du kennst doch die buddhistische Idee der Reinkarnation«, lachte Vater Son. »Ob du’s glaubst oder nicht, Reinkarnation bedeutet nicht, dass man zum Beispiel in einem früheren Leben ein Schwein war und dann in diesem Leben als Mensch wiedergeboren wird. Nein, nein, es bedeutet, dass ein Mensch, wenn er doof auf die Welt kommt, Dummheiten macht, und zwar immer wieder, weil er ja doof ist, da kann er noch so oft wiedergeboren werden.«

      Huisu war skeptisch gewesen, was Vater Sons Prognose betraf, doch dann war Chef Og tatsächlich in einer Spielhalle gefunden worden. Dem einzigen Ort, an dem er mit ein paar Telefonaten aufzuspüren war. Der Mensch ist dumm. Und noch dümmer, wenn er sich in die Enge getrieben fühlt.

      Chef Ogs Wäscherei lieferte Feuchtservietten an Hotels, Go-go-Bars und Restaurants. Auch Bettwäsche, Oberbetten und Tischdecken wurden dort gereinigt. Da Vater Son alle Geschäfte in Guam kontrollierte, hatte die Wäscherei keinerlei Konkurrenz. Es genügte, einfach die Maschinen laufen zu lassen, die gereinigten Sachen zu trocknen, zu bügeln und wieder zurückzuschicken. Das Geld kam von selbst. Keine großen Summen, aber insgesamt doch ein verlässlicher, gar nicht so schlechter Gewinn. In Wirklichkeit diente das Unternehmen natürlich vor allem der Geldwäsche. Aufgrund der großen Kundschaft war die Buchführung relativ unübersichtlich und somit bestens geeignet, das schmutzige Geld von Guam in sauberes zu verwandeln.

      Auch Yongkang hatte sich wohl überlegt, dass eine Wäscherei – in den Augen der Polizei ein wenig verdächtiger Geschäftszweig – ein guter Deckmantel war. Da der Laden zudem eine kleine Gruppe von ausländischen Arbeitern beschäftigte, konnte man die Südostasiaten problemlos daruntermischen und so deren Visaprobleme lösen. Und schließlich konnte Yongkang die Lieferung von Feuchtservietten und Tischdecken an Karaoke-Bars und Nachtlokale nutzen, um sie gleichzeitig mit Drogen zu versorgen, was sein Hauptbetätigungsfeld war. Das alles funktionierte jedoch nur mit Zustimmung von Vater Son, der in Guam die Fäden zog. Blühende Geschäfte garantierte die Übernahme der Wäscherei deshalb nicht unbedingt. Vater Son konnte einfach allen Läden von Guam befehlen, den Anbieter zu wechseln. Er konnte sogar beschließen, Waschmaschinen zu kaufen, und eine neue Wäscherei aufmachen. Insofern war es für Huisu nicht nachvollziehbar, warum Yongkang ausgerechnet die Wäscherei ins Visier genommen hatte und nicht irgendein Nachtlokal. Denn um die Wäscherei ohne Vater Sons Zustimmung erfolgreich weiterzuführen, musste er im Vorfeld alle Geschäftspartner mit Drohungen unter Druck setzen, damit sie weiter mit ihm zusammenarbeiteten, was endlose Kämpfe zwischen seinen Männern und den Gangstern von Guam zur Folge haben musste. Und Kämpfe bedeuteten Polizei. Und Polizei bedeutete Gefängnis. Eine Geschichte also, bei der es auf beiden Seiten nur Verlierer gab. Oder wollte Yongkang Vater Son offen den Krieg erklären? Aber warum? Wegen ein paar Servietten? Nein, das alles hatte weder Hand noch Fuß.

      Huisu drehte sich um und ging wieder auf das Gelände der Fischzucht. Chef Og, der neben einem Trog kauerte, führte blutüberströmt seine Selbstgespräche fort. Betrübt betrachtete Huisu sein demoliertes Gesicht und drehte sich zu Dodari um. Gern hätte er auch dessen Visage einen Fausthieb verpasst, doch so einfach war das nicht: Dieser Idiot war Vater Sons Neffe, sein einziger und letzter Verwandter, denn er hatte keine Kinder. Also begnügte Huisu sich damit, Dodari außer Sichtweite von Chef Og zu zerren. Gangcheol, Dodaris rechte Hand, schlurfte hinter ihnen her. Sein Name bedeutete »der Stählerne«, was dem Mann viel Spott einbrachte, denn er war so schmal und dürr wie ein Hirsezweig.

      »Ich hatte dir doch aufgetragen, ihn im Auge zu behalten, damit es keine Komplikationen gibt«, sagte Huisu ruhig.

      »Ihr habt im Moment doch so viel zu tun, Großer Bruder Huisu, da wollte ich euch ein bisschen


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