Heißes Blut. Un-su Kim

Heißes Blut - Un-su Kim


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machen dürfen.«

      »Ich habe nicht nachgedacht. Die Schlinge um meinen Hals zog sich immer mehr zu, und irgendwann dachte ich nur noch, dann soll es halt so sein … Mein lieber Huisu, ich werde dich nicht bitten, mich zu verschonen. Wenn ich weiterlebe, nehme ich nur wieder Drogen und fange wieder mit dem Glücksspiel an. Weißt du, ich habe lange über mein Schicksal nachgedacht: Aus mir wird nie ein korrekter Typ.«

      Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. »Aber für dich muss es doch ziemlich unangenehm sein, jemanden wie mich umzubringen, oder?«

      »Und weiter?«

      »Na ja, ich könnte das Arschloch Yongkang ja auch abstechen und mich dann selbst umbringen«, sagte Chef Og, und hinter seinen Lidern zuckte es verräterisch.

      Ungläubig schüttelte Huisu den Kopf.

      »Als Gegenleistung hätte ich nur gern, dass du meinen Kindern jeden Monat zwei Millionen won schickst, damit sie ohne ihren Vater zurechtkommen.« Bei diesen Worten brach Chef Og in Tränen aus. »Meine armen Kinder! Ihre Mutter ist wegen meiner Spielsucht davongelaufen. Seit Jahren habe ich nicht einen Pfennig heimgebracht. Ich bin ihr Vater und weiß nicht mal mehr, wovon sie jetzt leben. Bin ich überhaupt ein Mensch? Habe ich es verdient zu leben? Nein, lass mich sterben. Ich sollte besser verschwinden, damit meine Familie leben kann. Wenn ich tot bin, wird auch ihre Mutter zurückkommen.«

      Chef Og hörte noch eine ganze Weile nicht mit dem Gejammer auf. Huisu nahm sich betreten eine Zigarette, zündete sie an und blickte zum Fenster hinaus. Draußen hatten Arbeiter begonnen, Futter in die Fischbecken zu schaufeln. An der Wasseroberfläche herrschte ein Gewimmel aus Tausenden von Rotbarschen. Wie Pailletten glänzten ihre Schuppen im Sonnenlicht. Sie hatten die Kraft und Energie derer, die um jeden Preis weiterleben wollten.

      »Lass es uns doch so machen, Huisu. Ich verspreche dir, dass ich Yongkang töte.«

      Huisu dachte nach. Auf das Wort eines spielsüchtigen Drogenabhängigen konnte er nichts geben. Chef Og hatte sicher nicht vor, Yongkang umzubringen, er versuchte nur, seine eigene Haut zu retten. Wenn er aber doch die Wahrheit sagte, wäre es die ideale Lösung.

      »Hören Sie, Yongkang ist ein harter Brocken.«

      »Kommt drauf an. Er sagt schon seit einiger Zeit, dass ich für ihn arbeiten soll, weil er sich mit Wäsche nicht auskennt. Wenn ich Ja sage und für ihn arbeite, wird sich doch wohl irgendwann eine Gelegenheit ergeben, oder? Er hat ja keine Eisenplatte vorm Bauch, wenn ich da, so fest es geht, mit einem Sashimimesser reinsteche, warum sollte das nicht funktionieren?«

      »Aber Ihre Hände zittern. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mit Ihren zwei Fingern genug Kraft haben«, sagte Huisu kopfschüttelnd, alles andere als überzeugt.

      Plötzlich riss Chef Og die rechte Hand mit den beiden verbliebenen Fingern hoch, schüttelte sie und ballte gleichzeitig die linke zur Faust. »Die hier? Meinst du diese Hand? Ich bin Linkshänder! Ich schwöre, die rechte Hand benutze ich nur beim Kartenspielen.«

      WODKA

      Die hochstehende Sonne wärmte mit ihren Strahlen Huisus Kopf. Vom Bug aus betrachtete er die glitzernden Wellen. Er war auf dem Rückweg von der Kastanieninsel, wo er Chef Og, aus seinen Wunden blutend, den Wächtern der Insel übergeben hatte: den Brüdern Daeyeong und Daeseong. Das kleine, alte Boot wurde von den Wellen hin und her geworfen. Der Benzingeruch des Motors hinten am Heck und die lange Fahrt – vier Stunden hin und zurück – waren schuld daran, dass Huisu das gesamte Doraden-Sashimi, das er noch gegessen hatte, bevor er an Bord ging, wieder dem Meer zugeführt hatte. Als er sich an die Reling geklammert übergab, schaute Daeyeong amüsiert zu.

      »Das passiert Ihnen, Großer Bruder? Wo Sie doch schon mit Fangschiffen auf hoher See waren?«

      »Deine beschissene Nussschale ist zu klein. Hab auf großen Schiffen noch nie ein Problem gehabt.«

      Als sie die Anlegestelle erreichten, vertäute Daeyeong das Boot nicht, sondern hielt es mit einem langen Bambusstock nur in Position.

      Huisu sprang rasch von Bord. »Du fährst gleich zurück?«

      »Muss.«

      »Dann danke für alles. Und lass Chef Og eine Weile in Ruhe. Wenn man den Typen kennt, kann er einem schon auch leidtun.«

      »Ist bei allen so. Oder kennen Sie jemanden, der einem nicht auch leidtun kann? Ich bin auch ein armer Typ, der einem leidtun kann.«

      Huisu nickte. »Stimmt. Bist du, bin ich auch. Sind wir alle.«

      Daeyeong lächelte, drehte das Boot in Richtung offenes Meer und legte ab. Huisu blickte ihm lange nach, dann ging er zum Parkplatz. Ihm war übel, und er wusste nicht, ob es an der Überfahrt oder am Alkohol lag, den er am frühen Vormittag getrunken hatte.

      Anders als erwartet, war Danka und nicht Mau zum Abholen gekommen. Er schlief hinter der halb geöffneten Fahrertür, das Gesicht unter einer Zeitung begraben. Als Huisu ihm einen Stoß versetzte, schreckte er hoch, und die Zeitung riss mit einem lauten Ratsch in zwei Teile.

      »Scheiße, was soll das?«

      »Was machst du hier?«

      Mit ausgedehntem Gähnen ließ Danka langsam den Kopf kreisen. »Na, was wohl? Hab auf dich gewartet.«

      »Woher wusstest du Bescheid?«

      »Dodari hat mir gesagt, du wärst unterwegs, die Sache mit Chef Og regeln«, erwiderte Danka schulterzuckend.

      Huisu runzelte die Stirn. »So eine Pfeife. Dodaris Geschwätzigkeit ist wirklich ein Problem.«

      »Wolltest du mich da raushalten, Großer Bruder? Vertraust du mir nicht?«

      »Dir? Niemals. Dir muss nur einer was Bares geben, dann fängst du sofort an zu plaudern.«

      Noch im selben Moment merkte Huisu, dass er zu weit gegangen war: Dankas Gesichtszüge hatten sich verhärtet.

      »War nur ein Witz, das habe ich doch nicht ernst gemeint!« Er klopfte Danka beschwichtigend auf die Schulter. Dankas Miene entspannte sich ein wenig. Wenn man Missklänge nicht sofort ausräumte, konnte er sehr nachtragend sein.

      »Dass du mich so siehst, finde ich wirklich traurig, Großer Bruder. Wo wir doch seit zwanzig Jahren zusammenhalten in diesem Nest namens Guam, wo uns alle verachten, weil wir ohne Vater in Mojawon aufgewachsen sind. Du wirst hier niemanden finden, der so sehr dein Vertrauen verdient wie ich.«

      »Okay, okay. Das alte Lied von Mojawon«, erwiderte Huisu.

      Danka verzog das Gesicht.

      »Je weniger Mitwisser desto besser, gerade bei solchen Angelegenheiten. Welchen Sinn hat es, dass alle Welt das mitbekommt? Damit alle geschnappt werden, wenn die Sache auffliegt?«

      »Wie weit bist du eigentlich mit Chef Og?«

      »Ich habe ihn auf der Insel in die Hütte gesperrt. Es hätte nichts gebracht, ihn umzubringen. Zuerst hatten wir ja überlegt, ihn und Yongkang einfach auszuschalten, indem wir sie wegen Falschspiel verklagen, aber weil Dodari ihn total vertrimmt hat, kommen wir so aus der Sache nicht raus.«

      »Dieser Arsch hat vielleicht Methoden!«

      »Wieso bist du eigentlich gekommen?«

      »Am Schnapsdepot wird dein Typ verlangt.«

      »Großer Bruder Yangdong? Warum?«

      »Woher soll ich das wissen? Er hat bloß gesagt, dass ich dich holen soll und dass es dringend ist.«

      »Der heckt doch bloß wieder irgendwelchen Mist aus. Nein, ich fahre da nicht hin.«

      »Ach, komm schon, kostet doch nichts, ihn mal anzuhören. Wer weiß, vielleicht schiebt er dir einen fetten Deal zu? Und außerdem. Sonst rastet er nachher noch aus, wenn du seinen Befehl nicht befolgst, kennst doch sein Temperament.«

      Tatsächlich neigte Großer Bruder Yangdong


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