Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien. Mareike Bröcheler
vor allem symbolisch aufgeladene Aktivitäten, wie etwa die gemeinsame Familienmahlzeit oder generell die bewusste Organisation von bestimmten Zeitfenstern für Familie und Familienaktivitäten (vgl. Rerrich 1993; Barlösius 2016; Jurczyk 2018b). Neben dieser klar sozialkonstruktivistischen Grundform von doing family ist auch das „Vereinbarkeits- und Balancemanagement“ (Jurczyk 2018a: 146) als tägliche Herstellungsleistung für einen gemeinsamen Familienalltag zu sehen, um trotz verschiedenster Zeit-strukturen und -logiken eine Ko-Präsenz von (allen) Familienmitgliedern zu ermöglichen.34 Letztlich ist Care- bzw. Sorgearbeit für familiale Lebensführungen und doing family von elementarer Bedeutung: 35
„Denn Familie ist ein (multilokales) Netzwerk besonderer Art, das zentriert ist um Care, d. h. um verantwortliche, emotionsgeleitete persönliche Sorge zwischen Generationen und Geschlechtern, die – teilweise existenziell – aufeinander angewiesen sind. […] So verstanden meint Familie als Herstellungsleistung hier die Herstellung fürsorglicher persönlicher Beziehungen, die sich weder auf verheiratete Eltern und ihre Kinder noch auf das Zusammenleben in einem Haushalt beschränken.“ (Jurczyk 2014: 66)
Ein gemeinsames Leben, mit persönlichen Beziehungen, gemeinsamer Zeit in räumlicher Nähe und die Möglichkeit zur Wahrnehmung von Sorgearbeit sind somit wesentliches Ziel von familialer Lebensführung und Inhalt der aktiv zu erbringenden Herstellungsleistungen. Alltagsmanagement als Haushaltsführung und Lebensführung bedeutet letztlich ein Austarieren von unterschiedlichen Di-mensionen des Alltags und der Alltagsstrukturen von Haushaltsmitgliedern und ist dabei zugleich individuelle Konstruktionsleistung. Dieses Verständnis findet sich auch bei Kaufmanns Charakterisierung eines Familienhaushaltes wieder:
„Der Ausdruck sollte beim Wort genommen werden. Denn ,den Haushalt machen‘ bedeutet nicht einfach nur, Staub zu wischen und die Gegenstände an ihren richtigen Platz zu rücken. Durch diese Routinehandgriffe wird Tag für Tag nichts anderes als die Existenzgrundlage der häuslichen Gemeinschaft geschaffen, die ohne diese Handgriffe nichts wäre. ,Den Haushalt machen‘ (im sächlichen Sinne) bedeutet auch, den Haushalt (im personalen Sinne) zu machen, also die Familie zu konstruieren.“ (Kaufmann 1999: 68)
Die Autor/innen des Konzeptes zur alltäglichen Lebensführung resümieren schließlich, dass der Arbeitsbegriff „im Zuge der Modernisierung der Moderne“ (Jurczyk, Voß, Weihrich 2016: 65) nicht mehr allein für den Bereich der Er-werbsarbeit, sondern zunehmend auch für die Sphäre des Privaten gilt. Das Spektrum der unbezahlten Arbeit, die Tätigkeiten der sachbezogenen Hausarbeit, Betreuungs- und Pflegeaufgaben – oder kurz: Sorgearbeit – umfasst, impliziert den Anspruch an deren umfassende Bewältigung (vgl. Jurczyk, Voß, Weihrich 2016). Gleiches gilt damit für die Aufgaben der familialen Lebensführung.
2.2.3 Nutzen der vorgestellten Theorien und Konzepte für den Forschungsansatz
Die bis hierher vorgestellten Ansätze stellen die theoretisch-konzeptionelle Grundlage für den gewählten Forschungsansatz dar. Im Konzept der Neuen Hausarbeit wird auf die Zunahme und die besondere Herausforderung koordinativer und synchronisierender Leistungen verwiesen, die in privaten Haushalten tagtäglich im Sinne eines Alltagsmanagements zu erbringen sind. Die Konzepte der alltäglichen und familialen Lebensführung erfassen die Erwerbs- und Sorgearbeit als Teil des Alltags von Personen und lassen sie – als System sui generis – zu einem sinnvollen Ganzen werden. Diese Strukturierung und Ordnung der alltäglichen Lebensführung über Routinen, ebenso wie reflexive Allpassungen der Lebensführung im Sinne der systeminternen Eigenlogik, wirkt dabei sowohl auf den Haushaltsstil ein, der ebenfalls ein Handlungssystem darstellt, als auch auf andere Sphären des Alltags. Die Vermittlung zwischen Individuum und Gesellschaft stellt durch die genannte Einbettung der Individuen in Haushaltskontexte und Lebensformen eine Verbindung von privaten Haushalten zu deren Umfeldebenen her. Über diese Vergesellschaftung von Lebensführung sind so auch die Dimensionen haushälterischen Handelns (Wertorientierungen, Ressourcen, Handlungsalternativen) in diese integriert, die alle Handlungen von Individuen als Mitglieder privater Haushalte beeinflussen.
Die Lebensverlaufsforschung beschreibt diese, nicht nur innerfamiliären, Verbindungen und Abhängigkeiten als Phänomen von verbundenen Leben bzw. „linked lives“ (Mortimer, Shanahan 2006: 13 f.): Da Menschen stets in soziale Gefüge und Beziehungen (etwa von Partnerschaft und Familie) eingebettet sind, beeinflussen ihre jeweiligen Entscheidungen oder Veränderungen im Leben auch deren Lebensverläufe und vice versa. Für den Alltag von Familien ist dies insbesondere für die Lebensführung der Eltern von Bedeutung, deren Entscheidungen, etwa über Arbeitsteilungsmuster innerhalb der Erwerbs- und Sorgearbeit, gleichermaßen ebenfalls vor diesem Hintergrund zu betrachten sind (vgl. Mortimer, Shanahan 2006j BMFSFJ 2012a, 2017). Gleichzeitig steht außer Frage, dass Lebensentscheidungen und Lebensentwürfe stets politisch geformt und durch Rahmenbedingungen (auf der Makroebene privater Haushalte) unterstützt, gesteuert und beeinflusst werden können, weshalb von Expertinnen und Experten heute eine „aktive Lebenslaufpolitik“ (BMFSFJ 2012a: 31) gefordert wird.
Letztlich stellen daher die Konzepte der alltäglichen und familialen Lebens-führung gewissermaßen die Folie dar, auf der haushälterisches Handeln stattfindet. Da Haushalte aus Individuen bestehen, die innerhalb ihres Systems alltäglicher Lebensführung agieren, sind sie stets von dieser geprägt. In Familien-haushalten ist darüber hinaus die Perspektive der familialen Lebensführung von besonderer Relevanz, die die Wertvorstellungen von einem Alltag und Zusam-menleben als Familie oftmals ins Zentrum der haushälterischen Handlungen stellt. Die Leistung der Integration aller individuellen Lebensführungen innerhalb der täglichen Ausgestaltung und Aufrechterhaltung eines Haushaltsstils durch die haushaltsführende(n) Person(en) macht die Arbeit des Alltags aus.
Die aufgezeigten haushalts- und sozialwissenschaftlichen Ansätze bieten somit die Möglichkeit, das Alltagsmanagement von Familien aus verschiedenen Per-spektiven zu betrachten, die sich gegenseitig wertvoll ergänzen. Für die vorliegende Fragestellung mit Fokus auf die Ausgestaltung des Alltagsmanagements in Familienhaushalten ist das Konzept der familialen Lebensführung ein wichtiger Baustein und dient als grundlegende Interpretationsfolie für die Perspektive der interviewten Mütter. Für die Erfassung des gesamten familiären Alltags, mit Erwerbsarbeit, Sorgearbeit und haushaltsnahen Dienstleistungen sowie deren Be-deutsamkeit für die Familien- und Haushaltsbiografie, ist jedoch die Erweiterung um Aspekte des Haushaltsstil-Konzeptes unumgänglich.
20 Die gewählten Konzepte sind eine Auswahl, die mir in diesem Rahmen passend und sinnvoll erscheinen. Alternative Zugänge würden etwa auch arbeitspsychologische, handlungstheoretisch fundierte Analysen der Arbeit des Alltags bieten, wie sie bspw. Resch (1991) vorlegt.
21 Beispiele von Haushaltsstilen zeigen sich in empirischen Arbeiten, die etwa Typologien von Ernährungsversorgungstypen bestimmter Haushaltsformen erarbeiten (vgl. exempl. Häußler 2007; Leonhäuser, Köhler, Meier-Gräwe et al. 2009) oder in einer Typologie von Haushalten in prekären Lebenslagen wiederkehrende Muster der Haushaltsführung und Alltagsbewältigung offenbaren (vgl. Meier, Preuße, Sunnus 2003).
22 Peukert (2015) greift auf, dass sich bisher vorrangig der Term der „geschlechtsspezifischen“ Arbeitsteilung in der Literatur findet. In Anlehnung an Gildemeister und Robert (2008) verweist sie jedoch auf die biologistische Natur des Begriffs „Spezifik“, von dem sich sozialwissenschaftliche Arbeiten in der Kultur des Sozialkonstruktivismus distanzieren möchten. „Um in sozialwissenschaftlichen Fachtermini nicht implizite ,biologische Restbestände‘ zu transportieren, wird in deutschsprachigen Forschungsberichten zunehmend der Begriff der ,geschlechtsdifferenzierenden Arbeitsteilung‘ verwendet“ (Peukert 2015: 66; Herv. i. Orig.). Aus diesem Grund werde ich ebenfalls diesen Term verwenden.
23 Zwar führt Thiele-Wittig bereits zuvor (1985) mit ihren Überlegungen