Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien. Mareike Bröcheler
1987 stellt sie den Terminus jedoch ins Zentrum, der damit den Begriff der Beschaffungsarbeit quasi verdrängt. Fortan etabliert sich die Neue Hausarbeit in der Fachsprache.
24 Thiele-Wittig unterscheidet zudem zwischen einer engeren und einer weiteren Fassung des Begriffs. lm engeren Sinne bezieht sich die Neue Hausarbeit „auf die unmittelbar an den Schnittstellen zu den Institutionen anfallenden Einsätze seitens des Haushalts“ (Thiele-Wittig 1993: 382; Herv. i. Orig.). Im Weiteren umfasst Neue Hausarbeit zudem die allen Handlungen zugrunde liegende (Wert-)Orientierung, die eine Haltung zu verschiedenen Themenbereichen, nach Information und Bewertung über Sachverhalte, meint (vgl. Thiele-Wittig 1993).
25 Nachdem der Begriff zwar auch schon bei Weber breite Verwendung findet, jedoch nicht genauer erfasst und definiert ist (vgl. Müller 2016).
26 Die empirische Basis des Konzeptes bilden qualitative Interviews mit Vertreter/innen unterschiedlicher Berufsgruppen, die zu ihrem Alltag befragt wurden: „Zwischen 1986 und 1991 wurden (einschließlich einer Voruntersuchung) insgesamt ca. 100 erzählungsgenerierende Leitfadeninterviews mit Frauen und Männern durchgeführt, die für Kinder zu sorgen hatten und in Branchen arbeiteten, die in unterschiedlicher Weise von
den skizzierten Veränderungsprozessen betroffen waren: Journalistinnen und Journalisten, Industriearbeiter, Verkäuferinnen, Altenpflegekräfte, Angestellte in einem Großkonzern und Dienstleisterinnen und Dienstleister für Datenbuchung. Ein weiteres Kriterium war die Kontrastierung von Stadt und Land: das Umfeld der Industriearbeiter und Verkäuferinnen war ein ländliches, die anderen Untersuchungsgruppen waren in einem groß- oder kleinstädtischen Umfeld zuhause.“ (Jurczyk, Voß, Weihrich 2016: 57)
27 Bolte unterscheidet schließlich fünf Typen unterschiedlicher Lebensführung, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen werden kann. Er benennt die Varianten 1) außengeleitet konstanter, 2) mitbestimmter, 3) selbstbestimmter, 4) resignativer und 5) chaotischer Lebensführung (vgl. Bolte 2000).
28 Für diesen Trend unterscheiden Jurczyk, Voß und Weihrich zudem in drei Idealtypen der Lebensführung: traditionale, strategische und situative Lebensführung (vgl. Jurczyk, Voß, Weihrich 2016).
29 Im Rahmen der empirischen Arbeit der Projektgruppe „Alltägliche Lebensführung“ legte vor allem Rerrich den Fokus auf die Frage danach, wie alltägliche Lebensführung in familialen Lebensformen stattfindet. Die Vergesellschaftung von Lebensführung ist bereits Teil ihrer Definition; jetzt galt es jedoch der Frage nachzugehen, welche Bedeutung dies für die Individuen im familiären Alltag hat. Insbesondere die Ausführungen von Rerrich (1993; 1994; 199S) und Jürgens (2001) haben hierzu erste Erkenntnisse gebracht. Als ein fertiges Konzept wird die „familiale Lebensführung“ jedoch – weder von den Autorinnen noch von Rezipient/innen – nicht angesehen.
30 Jürgens spricht die fehlende Involvierung der Kinder und ihrer Lebensführung in das Konzept selbstkritisch an, da Kinder bei ihr lediglich in ihrer Beeinflussung der elterlichen Lebensführung sichtbar werden. Hier zeigt sich bis dato insgesamt ein Forschungsdesiderat zur Logik des Handelns bei Kindern (vgl. Jürgens 2001).
31 Auch wenn hier bereits die Rede von einem „Konzept“ ist, befindet sich dieses noch in der Entstehungsphase, wie Jurczyk (2014; 2018a) betont. Insbesondere eine Auswertung der neuen Wellen des DJI-Surveys „AID:A“, welches inzwischen auch ein „Doing-Family-Modul“ enthält, soll Erkenntnisse zu Operationalisierbarkeitsstrategien von doing family liefern.
32 Der für viele Forschungsbereiche der Sozial- und Kulturwissenschaften während der letzten 30 Jahre identifizierte „practice turn“ (Schatzki, Knorr Cetina, Savigny 2001) ist inzwischen durch einen intensiven wissenschaftstheoretischen Diskurs zu einem neuen Theoriekomplex geformt worden (vgl. exempl. Schäfer 2016). Alltag steht als Forschungsthema dabei häufig im Fokus praxeologisch ausgerichteter Studien und hat die Theorie maßgeblich mitgeprägt. Mithin ist eine praxeologische Forschungsperspektive zur Erfassung und Interpretation alltagswissenschaftlicher Phänomene, wie sie sich in den Haushaltswissenschaften, in der Geschlechter-, Familien- oder Konsumforschung wiederfindet, geeignet und wertvoll (vgl. Reckwitz 2010; Wahlen 2012; Reuter, Lengersdorf 2016).
33 Prägnante Entwicklungen sind hierbei für den Erwerbsbereich die „Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses“ (Jurczyk, Schier, Szymenderski et al. 2009: 32) durch eine Zunahme prekärer oder atypischer Beschäftigungsverhältnisse (befristet, in Teilzeit) und für den Familienbereich der Bedeutungsverlust der „Normalfamilie“ (v. a. in Westdeutschland) zugunsten vielfältiger familialer Lebensformen. Daneben zeigt sich im Alltag von Familien heute bspw. auch eine zeitliche Entgrenzung, eine „Vervielfältigung der Raum-Zeit-Pfade der Familienmitglieder“ (ebd.: 40) durch deren Eingebundenheit in verschiedene Institutionen (bspw. Schule, Betrieb) des Alltags (vgl. ebd.).
34 Dies ist nur ein Teilaspekt des Konzeptes. Für die weitere Ausdifferenzierung und Begründung von doing family vgl. Lange, Jurczyk, Thiessen 2014.
35 Bereits in den frühen Ausführungen zur Lebensführung in Familien identifiziert Rerrich Sorge bzw. Sorgeverantwortung als „die ,mächtigste‘ Determinante“ (Rerrich 1995: 183) auf alltägliche Lebensführung.
2.3 Zwischenfazit: Alltagsmanagement zur Bewältigung der Arbeit des Alltags
Private Haushalte im Allgemeinen sowie Familienhaushalte im Speziellen erbringen zahlreiche gesellschaftlich relevante Leistungen. Das Alltagsmanagement, welches hierfür erforderlich ist, verdeutlicht die Anforderungen, die die Arbeit des Alltags als Konstruktionsaufgabe an jede/n Einzelnen stellt. Das System der alltäglichen Lebensführung bildet mit seinen, auch dem Haushaltssystem zugrunde liegenden, übergeordneten Sinnstrukturen auf einer individuellen Ebene den Rahmen für das Alltagsmanagement, welches dann auf struktureller Ebene im Sinne des haushälterischen Dreiecksverhältnisses innerhalb eines Haushaltes ausgestaltet wird. Die Erkenntnisse zur familialen Lebensführung verweisen deutlich auf eine geschlechtlich konnotierte Zuordnung der Verantwortung für die Herstellung eines familialen Alltags. Die weibliche Verantwortung für das Alltagsmanagement wird daher auch in den folgenden Abschnitten weiter von Bedeutung sein.
3 Alltag in Familien – Leitbilder in Politik und Gesellschaft
Alltag bedeutet in Familien immer auch Arbeit – zumindest für die erwachsenen, haushaltsführenden Personen, das haben die Ausführungen zur familialen Lebensführung gezeigt. Dieser Alltagsgestaltung liegt dabei stets ein Normen- und Wertemuster zugrunde: Vorstellungen von Partnerschaft, Familienleben, einer beruflichen Entwicklung und Karrierezielen sowie anderen Aspekten der Lebensführung (Ernährungsstil, Konsummuster, politische Haltung, ehrenamtliches Engagement u. v. m.) geben tagtäglich sowie im Lebensverlauf vor, wonach Personen ihren Alltag ausrichten. Für den Alltag in Familien sind sowohl die persönlichen Leitbilder und Lebensentwürfe als auch gesamtgesellschaftlich verankerte Normen (etwa über Geschlechterrollen) entscheidend (Kapitel 3.1). In enger Verbindung dazu ist stets die wohlfahrtsstaatliche Tradition eines Landes zu sehen (Kapitel 3.2), welche die Leitbilder der Arbeitsteilung ebenso beeinflusst wie die Ausgestaltung politischer Rahmenbedingungen im Alltag (Kapitel 3.3). Ein Überblick über diese Lebensentwürfe und Rahmenbedingungen ermöglicht