Zeit zählt. Andrew Abbott

Zeit zählt - Andrew Abbott


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Subjekte handeln muss. Abbott sieht nämlich jede Form des methodologischen Individualismus kritisch, da er geltend macht, dass Individuen nicht per se oder von vornherein die maßgeblichen Einheiten sind, die soziale Prozesse antreiben.29

      Das bedeutet Abbott zufolge dann aber auch, dass man mit Blick auf Professionen nicht von einer einmal gegebenen Identität zu sprechen hat, sondern von einem ständigen, die Profession insgesamt erst konstituierenden Aushandlungsprozess, der eben nur über Ereignissequenzen zu analysieren ist.

      In letzter Konsequenz geht es Abbott dabei um mehr als »nur« Historische Soziologie, nämlich um die grundlegende Revision einer (zeitgenössischen) Soziologie, die seiner Auffassung nach zu einer hochgradig problematischen, wenn nicht falschen, weil nicht prozesshaften Beschreibung der sozialen Realität tendiert. Konsequenterweise wird sich Abbott dann ab den 1990er Jahren in immer neuen Anläufen der Formulierung einer prozesssoziologischen Alternative widmen, einem Vorhaben, das in die damalige Forschungslandschaft so recht nicht passte und deshalb die nun schon mehrfach erwähnten Rezeptionsschwierigkeiten begründete.

      IIIAuf der Suche nach sozialtheoretischer Anschlussfähigkeit

      Es gibt eine Reihe von Gründen, warum Abbotts Argumente in den 1980er Jahren zwar zur Kenntnis genommen werden, tatsächlich aber nur wenig ausrichten. Der Punkt ist dabei offensichtlich nicht, dass er nicht alle und jeden sofort überzeugte. Das konnte ein junger Nachwuchswissenschaftler nicht erwarten. Auffallend ist aber schon, wie wenig anschlussfähig Abbott in manchem nationalen und disziplinären Kontext damals war, was sich freilich mittlerweile geändert hat oder sich zumindest zu ändern beginnt.

      a. Radikaler Historismus

      Abbott selbst ist sich seiner Randständigkeit bewusst, jedoch nicht gewillt, in den historisch-soziologischen Mainstream einzurücken. In seinen Augen folgt die Historische Soziologie seiner Zeit zu sehr der Vorstellung einer allgemeinen Linearität kausaler Verhältnisse, anstatt die narrative Ordnung des Sozialen anzuerkennen:


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