Buntspecht und Anton. Susanne Bonn

Buntspecht und Anton - Susanne Bonn


Скачать книгу
sich in Zukunft ja fast anstrengen, um nicht am Ende ausgebootet zu werden. Und mehr Zeit für Auftritte finden. Sie sog scharf die Luft ein. So viel Geld kam bei Loh und den Lichtern nicht herum, dass sie weniger hätte arbeiten können.

      Egal. Nicht aufregen. Was zu trinken holen, eine Runde tanzen. Auf dem Weg zum Tresen schaute sie sich nach einem Partner um. Aber keiner fand Gnade vor ihren Augen. Entweder waren die Leute schon betrunken oder auch nüchtern ziemlich sonderbar. Steffi winkte in Richtung Musik, dann ging sie wieder nach draußen.

      Anton saß noch immer auf dem Parkplatz und streichelte die Katze.

      „Wird dir nicht langsam kalt?“, fragte Steffi.

      Geistesabwesend schüttelte Anton den Kopf.

      „Das glaub ich dir nicht“, widersprach Steffi. „Du zitterst ja total, und Gänsehaut hast du auch. Komm mal lieber mit rein.“

      Da sprang die Katze von Antons Schoß und verschwand unter einem Strauch am Rand des Parkplatzes. Bildete sich Steffi das nur ein, oder hatte sie einen leisen Pfiff gehört?

      Und wenn schon. Katzen ließen sich nicht auf diese Art herumkommandieren.

      „Jetzt hast du ihn verscheucht“, beschwerte sich Anton.

      „Dann kannst du ja auch mit reingehn.“ Steffi griff nach seiner Hand. Schmollend folgte ihr der Junge in den Saal.

      „Ich glaub, die warten auch schon auf dich“, sagte Steffi und bahnte sich einen Weg zur Bühne.

      Die drei Musikanten hatten gerade eine Tanzrunde beendet. Jeanette und Hans-Peter steckten die Köpfe zusammen, Daniel schaute sich im Saal um und winkte gleich heftig. „Da biste ja“, sagte er zu Anton, als sie nahe genug herangekommen waren. „Wir machen jetzt noch dein Set und dann geht’s heim.“

      „Hey, die Steffi ist da!“, rief Hans-Peter. „Dann komm ich ja heut doch noch zum Klampfen.“

      Darauf war sie nicht vorbereitet. Egal. Antons Set bestand aus den ältesten Schlagern, die die Band im Programm hatte. Die konnte sie im Schlaf trommeln. Und Hans-Peters Bodhran hatte sie auch schon in der Hand gehabt. Sie schlug probehalber ein paar Takte.

      Von der anderen Seite der Bühne kam eine gelb karierte Jacke aus Fastnachtsseide geflogen. „Zieh dir was Anständiges an!“, rief Jeanette.

      „Ja, Mama.“ Dabei sah sie bereits in ihrer Arbeitsuniform mit brauner Hose, grünem, laubgemustertem Oberteil und rot-gelbem Käppi lächerlich genug aus.

      Jeanette tauschte den Dudelsack gegen die Querflöte, und sie spielten Emma, Branle d’Ecosse und den fröhlichen Kreis, den jede Band auf jedem Tanzfest spielte. Dann wurde es Zeit, einzupacken, damit die Stars des Abends aufbauen konnten. Steffi beeilte sich, von der Bühne zu kommen. Mit An Coileach wollte sie nicht gesehen werden.

      Außerdem wartete dort draußen ... ach was. Niemand wartete auf sie. Trotzdem marschierte sie zum Auto, als ob es auf jeden Augenblick ankäme. Bevor sie startete, schaute sie sich aufmerksam um. Nicht, dass die Katze noch irgendwo saß und unter die Räder kam.

      Nein, von der Katze war keine Spur zu sehen, aber auf ihrer Motorhaube saß die Elster, die krächzte wie eine Krähe. Dieses Wesen hatte sie in der Spirit-Welt gesehen, am gleichen Tag wie den Fremden mit den grünen Augen.

      Der Vogel hüpfte konzentriert auf dem Auto herum und krächzte ihr etwas vor. Das war auch keine Krähe, das da war ein Rabe, und was er da von sich gab, hatte fast eine Sprachmelodie.

      „Wer bist du denn?“, fragte Steffi

      Der Rabe gab Antwort, sie verstand ihn nur nicht. „Meine Uroma hatte einen Raben, der hieß Rocko Coco. Vielleicht heißt du ja auch so?“

      Anscheinend nicht. Er schlug kräftig mit den Flügeln und verschwand in der Dunkelheit.

      Als sie ins Auto stieg, sah sie das Gesicht des Mannes mit der Spindel zwischen den Sträuchern leuchten wie ein Gespenst. Für ihn hatte sie noch gar keinen Namen, nicht mal einen lächerlichen. „Geheimnisvoller Fremder“ klang romantisch, aber auf die Dauer wollte sie mehr über ihn wissen. Oder sich wenigstens etwas ausdenken, womit sie träumen konnte.

      Höchste Zeit für Feierabend. Wenn nur dieses Wochenende schon vorbei wäre. Danach konnte es nur besser werden. Bis zum Ostereiermarkt. Ob dann der Fremde immer noch in der Gegend wäre? Im Geist sah sie sich schon mit ihm durch Kaidenbach schlendern und Ramona von An Coileach großzügig angrinsen.

      Barsu war stolz auf seinen schönen Höcker. Seit er das Schloss entdeckt hatte, wo Musik gemacht wurde, füllte sich sein Magiespeicher. Die Menschen merkten nichts davon, außer Galent vielleicht, und bei den Katzen tat nur Coda so, als könnte sie an Barsu etwas Verdächtiges erkennen.

      Kurz vor dem Neumond ging Barsu von Haus zu Haus und ließ es sich vor der Reise durch die Schwärze noch einmal richtig gutgehen. Galent konnte mit dem Prinzip „Katzenfutter kaufen“ nichts anfangen. Als Barsu schließlich satt und zufrieden nach Hause kam, hielt ihm Galent einen zappelnden Sack hin.

      „Weißt du, was da drin ist?“

      Barsu brauchte gar nicht intensiv zu schnüffeln. Der Sack roch nach verängstigtem Wandertier, vom Berg Nasani, vermutlich aus dem Eibenklan. Die waren sehr beliebt in den höheren Rängen des Kollektivs, aber nur wenige von ihnen fanden einen Weg durch die Schwärze.

      „Hier läuft also noch jemand von Sirsim herum“, stellte Galent fest.

      Barsu legte den Kopf schief. Das musste nicht sein. Wandertiere konnten wandern, ohne dass ein Mensch sie beauftragte.

      „Das Tierchen hat jedenfalls einen ganz ordentlichen Höcker. Da könnt ihr heute Nacht gemeinsam auf die Reise gehen.“

      Galent hatte in der Tat eine Menge Fäden gesponnen seit ihrer Ankunft. Die konnte ein Wandertier allein kaum tragen. Schließlich musste seine Grundfarbe immer noch schwarz sein, um durch die Schwärze zu reisen. Wenn man zu viel weiße Wolle an sich hängen hatte, konnte das schiefgehen.

      Trotzdem war ihm nicht wohl bei der Sache. Wo kam das Tier her? Er reckte sich und schnurrte.

      Das war die falsche Sprache, damit würde er nicht weiterkommen. Wenn er sich an dem anderen Wandertier reiben könnte, dann würden sie schnell genug voneinander erfahren, was sie wissen wollten.

      „Der bleibt schön in dem Sack stecken“, sagte Galent, als verstünde er, was Barsu vorhatte. „Sonst haut er nur wieder ab.“ Mit einem seiner Wollfäden band er den Sack zu und hängte ihn an einen Ast.

      Wenn das nur gut ging. Mit gesträubtem Fell patrouillierte Barsu unter dem Baum. Vielleicht hatte dieses Wandertier ja doch einen Menschen dabei. Der würde dann wohl bald auftauchen und ... was tun? Uneinig, wie die Menschen nun einmal waren, hatte bestimmt auch jemand etwas gegen Galent und seine Versuche, Magie nach Sirsim zu leiten. Wenn jetzt so jemand hier wäre ...

      Es wurde dunkel und kalt. Nicht so kalt wie zu Hause in den Bergen, aber Barsu reichte es. Warum konnten sie nicht einfach in dem Schloss wohnen, wo getanzt und musiziert wurde? Platz war dort doch bestimmt noch.

      Barsu wollte gerade einschlafen und träumen, als Flügel durch den Wald rauschten. Er sprang auf und sträubte sein Fell.

      Der Rabe mit dem weißen Flügel landete über ihm im Baum. Der Vogel krächzte wild, als ob er Barsu eine Rede halten wollte.

      „Geh weg“, fauchte Barsu. „Du hast hier nichts zu suchen.“

      Doch, das Wandertier. Der Sack an seinem Ast geriet heftig ins Schaukeln.

      Der Rabe schrie noch einmal wütend und flog auf. Ehe Barsu sich versah, stieß der Vogel auf den dünnen Wollfaden zu, an dem der Sack aufgehängt war.

      Barsu sprang in die Höhe und hieb mit der Pfote nach dem Raben. Fauchend und krächzend umkreisten sie einander, hackten, schlugen, bissen, kratzten, bis endlich Galent aufstand.

      „Was


Скачать книгу