Erlebnis Bergjagd. Группа авторов
hörte ich, meistens von gleichaltrigen Jagdfreunden und nur selten oder nie von jungen Jägern, die herbe Kritik, in meinen Jagdbüchern vermisse man zuweilen echtes, spannendes Geschehen. Jagdgeschichten seien doch schließlich dazu da, jagdliche Erfolge oder auch Mißerfolge möglichst anschaulich zu schildern, und das manifestiere sich letzten Endes halt im Knall der Büchse und im Doppelknall der Flinte. Bei mir werde man, sicherlich nicht langweilig, auf die Folter gespannt, und dann geschehe meistens nichts, es fällt kaum ein Schuß! Ob mir vielleicht nicht doch die ganz echte, die ganz große Jagdpassion fehle oder abhanden gekommen sei? Schon das weitgehende Überwechseln von der lauten zur „stillen Büchse“, zu meiner Kamera, deutet möglicherweise in diese Richtung!
Weil ich solchen Kritikern gegenüber nur selten Lust empfinde, tiefschürfend zu diskutieren, stelle ich ihnen oft nur die einfache Frage, ob sie trotz vorgerückten Alters gleich mir auch heute noch liebend gern bereit sind, lang vor Tau und Tag in die abgelegenste Ecke des Reviers zu „radeln“ oder auch zu gehen, um dort mit echter Jägerlust, von der sie immer so gern reden, auf einen bescheidenen Knopfbock und im Herbst auch auf eine Geiß zu pirschen? Und wenn ich ihn oder sie nicht kriege, am nächsten Morgen, wenn noch die Sterne am Himmel stehen, wieder?
Im übrigen ließe sich doch gerade das, was sie bei mir so schmerzlich vermissen, heute bei so vielen Kollegen in reichlichem Maß und in bester Qualität finden. Da fällt nicht nur auf jeder zweiten Seite ein Hirsch oder ein Bock um – vom weidgerechten Tod eines Tieres oder einer Geiß liest man zwar viel seltener, aber der ist ja auch bei weitem nicht so spannend – wir erfahren als hochwillkommene Zugabe so gut wie immer die genauen Maße der erbeuteten Trophäe: Stangenlänge rechts, Stangenlänge links, Endenzahl, Rosenumfang, Perlung, Auslage, Geweihgewicht, nationale und internationale Bewertungspunkte nach der jeweiligen und langweiligen Formel, und was sonst noch alles ad majorem Sankti Huberti gloriam dazu gehört.
Es soll in unserem Jahrhundert sogar einen Jagdschriftsteller gegeben haben, der auf den genialen Einfall kam, nicht nur die Fotos der erbeuteten Jagdtrophäen aus aller Welt, sondern auch die einer Reihe von sehr schönen Damen dem Leser vorzustellen, die bei der Ausübung seines Weidwerks irgendwie mitgewirkt haben. Eine besonders originelle Art von Streckenlegung, könnte man da beinahe sagen. Der Absatz des Buches soll übrigens ein reißender gewesen sein.
Was ich meinen Kritikern freilich nie sage: Die präzise Angabe von Maßen und Gewichten hat nur dann einen Sinn, wenn es dem Erzähler vorher gelingt, den Leser mit seiner Pirsch auf Bock und Hirsch soweit vertraut zu machen, daß dieser ohne zu großen Aufwand an Phantasie den Eindruck gewinnt, alles oder wenigstens einiges miterlebt zu haben, sozusagen „dabei gewesen zu sein“.
Es ist schon wahr, der sogenannte „Trophäenkult“ hat viel zu der großen Verwirrung beigetragen, unter der Jäger und Jagd heute nicht wenig zu leiden haben. Es ist ein kleiner Teufelskreis, aber leider von großer Tragweite. Liebt einer seine erbeutete Krone oder Krücke oder den präparierten Hahn nicht, freuen sie ihn nicht, weiß er sie nicht zu schätzen, oder er verbannt sie gar, von der putzmittelbesessenen Ehehälfte „erfolgreich beraten“, auf den Speicher oder in die Tiefe des Kellers, dann verdächtigen wir ihn wohl zurecht, er sei kein Jäger. Liebt er sie zuviel, geht er nur ihretwegen hinaus, oder er schielt nach Rekorden, dann wissen wir es genau, er ist kein Jäger! Das Gute liegt auch hier in der goldenen Mitte. Doch was findet in unserer hektischen Zeit der Mensch, und anscheinend besonders der Jägermensch, schwerer als jene so naheliegende und doch immer so ferne „aurea mediocritas“? Wir erleben es heute fast jeden Tag im Kampf der Jäger gegen ihre zahlreichen Feinde.
Friedrich v. Gagern, der erbeuteten Rehkrone lebenslang bis an den Rand der Besessenheit verfallen, hat es am Schluß seines letzten Buches geahnt: „Diese Freude an der Krone, am Beutestück! Oft habe ich darin geschwelgt, sie besungen, sie gefeiert; oft auch, wenn sie mir und bei anderen gefährlich zu entarten drohte, mit vielen guten Gründen und entblößender Selbstverhöhnung herabgesetzt und zu anderen Einbildungen aufs Narrenschiff geschickt. Es gibt vielleicht einen Weg der Versöhnung – über Goethe – Goethe, in dem beinahe jede menschliche Rechnung aufgeht, entschuldigt so auch jene unsere jägerische Besessenheit. Der Gehörnkult, artet er nicht in hohle Prahlsucht aus, ist – bei manchen wenigstens – etwas wie eine Goethesche Schwäche. Möge das für meine eigenen Sünden in Tat wie Schrift gelten.“
So sagte der große, der Natur eng verbundene Jäger in einer ergreifenden Rückschau kurz vor seinem Tod. Bis zu Goethe kann und mag ich ihm hier wohl nicht folgen. Aber seine in die Zukunft gerichtete Ahnung wurde voll wahr: Die „manchen“ sind noch weniger geworden, die hohle Prahlsucht feiert, unserer Zeit wohlangemessen, ungeahnte Triumphe.
Derselbe Jägerdichter Gagern hing in den Jahren der Reife der Fährte seiner hohen Jagdgesinnung mit solcher Hingabe nach, daß er jedwede Jagdausübung während der Paarungszeit des Wildes rundweg als gemein und niederträchtig ablehnte. Ob übers Ziel hinausschießend oder nicht, die zweifellos edle Einstellung führte ihn so weit, daß er eine hübsche Geschichte von Hermann Löns, die den Schnepfenstrich im Frühlingswald meisterhaft schildert, als „Oberkitsch“ geißelt.
Hermann Löns war alles andere als ein „Trophäenjäger“, eher zu wenig als zu viel. Von den Jägern, die nur aus Prahlsucht, Geltungsbedürfnis oder Rekordgier hinausgehen, pflegte er zu sagen, solche Leute hätten von der Jagd „keinen Tau von einem Dunst von einer Ahnung“. Jede Art von grüner Großtuerei war ihm in tiefster Seele verhaßt. Löns sah als Jäger immer das Kleine am Wegesrand, nahm es auf und machte Großes daraus. Darum ist er für mich heute noch der Größte.
Auch in der folgenden Geschichte spielt die Jagdtrophäe, so wie ich sie sehe, eine gewichtige Rolle, wenn nicht die Hauptrolle. Zugleich will ich versuchen, jenen Kritikern, die ich eingangs erwähnte, zu beweisen, daß ich an der wahren Jägerlust niemals Mangel litt. Und ein dritter Grund: Die Zeit, die ich in und um den „Kobel“ erlebte, beinhaltet aus meiner Sicht einen der unvergeßlichsten Tage eines Jägerlebens.
In den dreißiger Jahren, ich erinnere mich, es war gerade um die Zeit, als das Reichsjagdgesetz eingeführt wurde, dasselbe Gesetz, um das die halbe Welt uns länger als zehn Jahre beneidete und das heute, wo man vermeintlich alles viel besser weiß, auch in unserem eigenen Land gern als falsch und abwegig abgetan wird, pachteten mein jüngerer Bruder und sein norwegischer Freund Harald K. zusammen einen Teil der Gemeindejagd Fischbachau, genannt Rhonberg. Er lag geographisch in einem Dreieck, das durch die bekannten Orte Schliersee, Fischbachau und Bayrischzell gebildet wird. Dieses Rhonberg-Revier gehörte zu einem Zug stark bewaldeter Vorberge, der sich in westöstlicher Richtung, ungefähr parallel zum Fluß Leitzach, der auch gegen Süden die Jagdgrenze bildete, hinzog. Es war ein Rotwild-Rehwild-Revier, ohne Gams. Der Wald bestand fast ausschließlich aus Bauernwald, überwiegend jüngere Mischbestände aus natürlichem Anflug, noch ohne übermäßige Verfichtung, bot also dem Wild gute Äsung und Einstände. Aus der ganzen Pachtzeit, die immerhin eine Reihe von Jahren dauerte, kann ich mich an keinen einzigen Wildschadenfall von nennenswerter Bedeutung erinnern. Und die dortigen Bauern hätten in dieser Beziehung bestimmt nicht lange hinter dem Berg gehalten!
Die nördliche Jagdgrenze des Reviers verlief in ihrer ganzen Länge oben am Grat entlang. Die schattseitigen Hänge gehörten hinüber nach Schliersee, die meines Bruders und unseres norwegischen Freundes Harald waren fast ausschließlich sonnseitig. Das hatte den Nachteil, daß das Rotwild nur im Winter und Frühling herüben stand, während es in der Feistzeit und leider auch während der Brunft meist andere Gefilde vorzog. Man kann sagen, die Belastungen, in erster Linie die der Winterfütterung, so schön diese auch war, überwogen die Möglichkeiten jagdlicher Erfolge doch erheblich. Dies wurde durch einen für eine Gebirgsgegend nicht schlechten und durch die neu eingeführte Rehwildfütterung im Winter bald noch besser werdenden Rehwildbestand einigermaßen ausgeglichen. Im Juni vor Tau und Tag die dem Rhonberg vorgelagerten weiten Leitzachwiesen abzupirschen, die mir von früheren Fischerfreuden her wohlvertraut waren, bedeutete einen Genuß ganz besonderer Art. Freund Harald, der verhältnismäßig spät, und wohl von uns Brüdern angesteckt, zum Jäger, übrigens zu einem sehr tüchtigen und weltweiten, wurde, schätzte den Aufbruch zur Pirsch im Morgengrauen weniger, er liebte die Jagd am Abend.
Den großen Lichtseiten des neuen Reviers war die Jagdhütte zuzuzählen. Ich habe