C -Die vielen Leben des Kohlenstoffs. Dag Olav Hessen

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»Echtes«, der Plastiklöffel daneben nicht unecht, aber doch »künstlich«, sodass dem Plastikexemplar alsbald etwas Falsches anhaftete. Magne Myrmo ist als der letzte Weltmeister in die Annalen eingegangen, der noch auf Holzskiern unterwegs war. Während der WM 1974 in Falun gewann er Gold über 15 Kilometer Langlauf, mit einer Sekunde Vorsprung auf Gerhard Grimmer, der bereits mit Glasfaserskiern gelaufen war. Nach dieser WM konnte auf Holzskiern niemand mehr gewinnen. Trotzdem wurde lange und heiß darüber diskutiert, ob man Kunststoff-Ski überhaupt zulassen sollte. Inzwischen ist der Kunststoff aus dem Skisport überhaupt nicht mehr wegzudenken, sodass dieser Sport mehr als alle anderen den Übergang von den natürlichen Polymeren (wie Holz und Wolle) zu den synthetischen (Kunststoffski, Kohlefasersohlen und -stöcke, Kleidung aus Hightech-Kunstfaser, ganz zu schweigen vom Skiwachs) symbolisiert.

      Der Begriff »natürlich« (wie die Natur) hat den gleichen Anspruch wie das Wort »echt«. Plastik ist als Kunststoff nicht sonderlich umweltfreundlich, der Hauptkritikpunkt ist aber das »Unechte«. Besitzer von Holzbooten betonen immer, dass ihre Boote eine Seele haben. Dabei ist gerade der Wald interessanterweise der Ausgangspunkt für immer mehr synthetische Polymere, Kohlenwasserstoffe und Plastikarten auf der Basis von Zellulose oder Lignin.

      Die Heringsbestände haben sich zum Wohl dieser Page 67Vögel gerade rechtzeitig wieder erholt. Die Papageientaucher sind so etwas wie die Kanarienvögel der Meere. So, wie Kanarienvögel die Grubenarbeiter vor gefährlichen Methankonzentrationen warnen, die diese selbst nicht bemerken können, hatten uns die Jahre mit den verhungerten Papageientaucherküken nur allzu deutlich gezeigt, dass in den Tiefen unserer Meere etwas fundamental in Unordnung geraten war. Wir hatten den dichtesten Fischbestand der Welt durch Überfischung beinahe ausgerottet. Die eingebrochenen Populationen von Möwen, Sturmvögeln, Tordalken und Krähenscharben zeigen uns nun weitere Veränderungen in den Meeren an, die wir mit bloßem Auge nicht erkennen können.

      Nur wenige Vogelarten scheinen gegen diese Entwicklung immun zu sein. So die Basstölpel, die die neue Zeit nutzen und mittlerweile überall auf der Insel farbenfrohe Nester aus Nylonseilen bauen. Aber warum ist die Situation gerade für die Seevögel so dramatisch? Die Antwort ist komplex, denn sowohl die Überfischung als auch der Klimawandel spielen eine Rolle. Die Bestände der Seevögel schwankten schon immer, der kollektive Niedergang ist aber ein dramatisches Warnzeichen. Lange galt die Verschmutzung durch ausgelaufenes Öl als Hauptbedrohung für die Seevögel – und das aus gutem Grund. Mittlerweile sieht es aber so aus, als wäre das Öl auch in Form von Plastik eine ernsthafte Bedrohung für die Vogelwelt.

      Auf YouTube finden sich herzerweichende Szenen von toten und sterbenden Albatrosjungen mit Plastik im Magen. Die Sturmvögel, die auf der Jagd nach Plankton und anderem Futter weite Strecken über das Meer fliegen, nehmen bei der Nahrungsaufnahme häufig Plastik mit auf. Das kann ein Grund für die dramatische Abnahme des Bestandes sein, die weltweit zu beobachten ist. In einer Studie fanden sich Plastikfragmente in 95 Prozent der untersuchten Vogelmägen. Ein Ort, an dem die Sturmvögel häufig auf Nahrungssuche gehen, ist die Nordsee. In die Page 68gelangen jährlich etwa 20.000 Tonnen Abfall, drei Viertel davon Plastik. Etwa 15 Prozent davon treiben an der Oberfläche, zum Nachteil für die Sturmvögel. 70 Prozent sinken auf den Meeresboden und beeinträchtigt die dort lebenden Tiere und Pflanzen. Das Plastik, das an unsere Strände gelangt, macht nur 15 Prozent des gesamten Plastiks im Meer aus. Dazu kommt noch das Mikroplastik, die Mikrometer großen Plastikkügelchen, die zu einem neuen Must have in Zahncreme, Hautcreme und Schleifmitteln geworden sind.

      Auch eine Reihe anderer Tierarten nimmt Plastik auf, und selbst Mikroplastik gelangt in die Nahrungskette. Plastik enthält eine ganze Reihe von organischen Umweltgiften wie PCB, PAK, Pestizide, bromierte Flammschutzmittel und andere organische, kohlenstoffreiche Moleküle. Besonders berüchtigt sind einige Weichplastikprodukte für ihre Phtalate, Ester der Phtalsäure, die die unschöne und nicht beabsichtigte Eigenschaft haben, hormonaktiv zu sein und damit die natürliche Wirkung von Hormonen zu hemmen. Der Körper deutet die Phtalate fälschlicherweise als Östrogene, was im schlimmsten Fall zu Fortpflanzungsstörungen führt.


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