Der Apfelwein-Botschafter: Kommissar Rauscher 11. Gerd Fischer

Der Apfelwein-Botschafter: Kommissar Rauscher 11 - Gerd Fischer


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bin, muss sich erst noch erweisen. Ich werde aber mein Bestes geben, um unser geliebtes Stöffche …“ Beinahe hätte er ‚zu trinken‘ gesagt, aber er schluckte die Worte gerade noch einmal hinunter. „Also, um unserem Stöffche den nötigen Rang zu verleihen, den es verdient.“

      Adlhof stand neben ihm, grinste über beide Ohren und fing spontan an zu klatschen. Das Publikum schloss sich vorbehaltlos an.

      Jana klatschte am lautesten.

      Unmittelbar nach Beendigung der Ehrung stürmte sie nach vorne, fiel Rauscher um den Hals und gab ihm einen dicken Kuss auf den Mund.

      „Das ist ja ein Ding!“, rief sie und ihre Stimme klang, als sei sie völlig baff.

      „Ich glaube, ich träume.“ Rauscher wirkte nüchterner, fast schon skeptisch.

      4

      Durch den Wald von Hainbuchen, Eschen und Ahorn führte ein schmaler Weg bis zu einer Waldlichtung. Am Rande, neben einem Jägerhochsitz, der seine besten Tage bereits hinter sich hatte, standen auf einem abgesägten Baumstumpf fünf leere Flaschen: vier Apfelwein- und eine Bierflasche. Die sternenklare Nacht hatte Frost gebracht. Die ersten Sonnenstrahlen erwärmten zwar die Luft, aber es war immer noch lausekalt in Frankfurt. Das über den Winter grau gewordene Gras trug Tau.

      Zehn Meter entfernt, unter einem herabhängenden Ast, hob sich ein Arm, dessen Hand eine Pistole hielt. Es war eine Ruger MK II Halbautomatik mit Schalldämpfer.

      Ein Schuss krachte. Eine Apfelweinflasche zerbarst in tausend Glasteilchen, die in alle Himmelsrichtungen flogen und sich anschließend auf dem Waldboden verteilten.

      Die Hand zielte erneut. Wieder krachte ein Schuss und eine weitere Apfelweinflasche zerplatzte.

      Das Schauspiel wiederholte sich noch zweimal und raubte auch den beiden verbliebenen Apfelweinflaschen ihr Dasein.

      Übrig blieb die Bierflasche. Sie stand nun allein auf dem Baumstumpf und glänzte in der Sonne. Der Arm senkte sich. Die Pistolenmündung zielte Richtung Boden.

      Mit den Fingern der rechten Hand streichelte ihr Besitzer die Ruger. „Dich werde ich noch gut gebrauchen können.“

      5

      Als Andreas Rauscher zu seiner zweiten Dienstwoche im neuen Apfelwein-Dezernat erschien, erwartete ihn schon eine Dame, die nervös in der Empfangshalle hin- und herlief. Sie war schlank und trug einen konservativen Hosenanzug.

      Rauscher blieb stehen.

      „Wo bleiben Sie denn?“, raunte ihn die Dame an und schaute demonstrativ auf ihre Uhr. „Die PK fängt genau in dieser Sekunde an. Bitte beeilen Sie sich! Mit Journalisten ist nicht zu spaßen. Wir müssen nach außen einen professionellen und seriösen Eindruck vermitteln, sonst …“

      „Ihnen auch einen wunderschönen guten Tag, Frau Bodenstock“, fiel ihr Rauscher harsch ins Wort.

      Frau Bodenstock war die persönliche Assistentin des Dezernenten, Herrn Adlhof, und so spielte sie sich manchmal auch auf.

      Sie seufzte, blieb stehen und blickte ihn scharf an. „Für solche Spielchen habe ich keine Zeit. Ich konnte die Presse bis heute vertrösten, aber jetzt müssen Sie ran. Folgen Sie mir!“

      Der Hosenanzug stand ihr, dachte Rauscher, als er hinter ihr herging. Er konnte kaum seine Augen von ihrem wackelnden Hintern nehmen. Nicht weil er ihn so entzückend fand, sondern weil er sich ihm aufdrängte.

      Während der ersten Woche im neuen Amt hatte Rauscher nicht gewusst, was er tun sollte. Er hatte Dezernatsmitarbeiter kennengelernt und sich vorgestellt. Er hatte Hände geschüttelt und sich Namen gemerkt. Er hatte versucht, sich Gesichter einzuprägen, was ihm schwergefallen war. Doch das war‘s dann auch schon gewesen. Darüber hinaus hatte er keine Aufgaben zu erledigen gehabt. Niemand hatte Zeit für ihn, niemand teilte ihm etwas zu, niemand beachtete ihn. Noch lag eine gewisse Lethargie über dem neuen Gebäude. Die vielen Gänge waren fast alle verwaist. Bis auf Frau Bodenstock, die für gewöhnlich etwas hektisch wirkte, mussten sich alle anderen erst mit ihrer neuen Rolle und ihrem neuen Posten anfreunden. So auch Rauscher. Ihm kam der Verdacht, dass er sich selbst darum kümmern musste, was er zu tun und zu lassen hatte. Er musste auch nicht permanent vor Ort sein. Also besuchte er das Dezernat nur an jenen Tagen, an denen tatsächlich etwas anlag, denn ihn hatte schon nach den ersten beiden Tagen der Ebbelwoi-Blues erfasst. Er sah keinen rechten Sinn in seiner neuen Tätigkeit.

      Jedes Mal, wenn er dieses cleane Gebäude betrat, wuchs in ihm das dringende Verlangen nach einem Schoppen. Der Schmelz des Stöffches lag ihm schon auf der Zunge. Ein, zwei Gläser hätten seine Stimmung sicherlich gehoben. Aber er hatte sich zurückgehalten. Wollte nicht sofort auffallen. Gelegen kam ihm, dass am Nachmittag des dritten Tages eine Einladung ins Haus geschneit war. Die Buchscheer lud ihn zu einer Ebbelwoiverkostung ein. Als er die Karte las, musste er lächeln. Auf die gleiche Idee war Jana gekommen und hatte ihm die Verkostung zu Weihnachten geschenkt. Trotzdem freute er sich. So konnte er schnell und auf offiziellem Wege die Vorzüge des neuen Amtes kennenlernen. Allerdings wusste er nicht, ob er sich in solchen Situationen erst Adlhofs Genehmigung einholen musste oder ob er so etwas selbst entscheiden konnte. Er wollte das vorher klären und nahm sich vor, Adlhof heute noch zu konsultieren. Frau Bodenstock zu fragen, schloss er für sich persönlich aus.

      Zwar hatten ihn schon in den ersten Tagen einige Journalisten für ein Interview angefragt, Rauscher hatte jedoch um Bedenkzeit gebeten. Er hatte Sorge, dass die Geschichte, seine Familie stamme von der Frau Rauscher ab, sich zu stark in die Öffentlichkeit drängen würde und womöglich eine Art Hype auslösen könnte. Er hatte sich erst einmal eine Art Pressestrategie gebastelt, bis er sich bereit fühlte. Für heute 16 Uhr war eine Pressekonferenz angesetzt.

      Jetzt war es eine Minute nach vier.

      Um 16.03 Uhr erreichte Rauscher, im Schlepptau von Frau Bodenstock, den nagelneu eingerichteten Konferenzraum, in dem ihn eine Dame und zwei Herren von den drei größten Frankfurter Zeitungen erwarteten. Sie machten einen etwas gelangweilten Eindruck. Zwei Fotografen mit Kameras in den Händen standen am Rand und schossen die ersten Bilder.

      Rauscher setzte sich und nickte in die Runde.

      „Können wir?“, begann der Rundschau-Mann, der einen grau melierten Vollbart und Brille trug. „Herr Rauscher, es wird gemunkelt, dass Sie bis vor Kurzem suspendiert waren.“

      Rauscher war mächtig irritiert. Eine Frage, die sich auf seinen Polizeidienst bezog, hatte er nicht erwartet. „Äh, jaja, das stimmt, aber … was hat das mit meiner Funktion als Apfelwein-Botschafter zu tun?“

      „Ein Polizist, der suspendiert wurde“, fuhr der Mann fort, „weil er sich nicht immer im Griff hat und für seine Alleingänge berüchtigt ist – so jedenfalls hört man es auf dem Flurfunk –, wird Botschafter der Stadt Frankfurt. Passt das zusammen?“

      „Wieso nicht?“

      „Haben Sie Fürsprecher in den oberen Etagen?“

      Hätte er sich doch niemals auf ein solches Interview eingelassen! Er senkte den Kopf und verfluchte die Situation, aber er musste jetzt da durch. Also gute Miene zum bösen Spiel machen. Er blickte den Mann möglichst gelassen an. „Die Suspendierung ist aufgehoben. Ich habe dazugelernt. Hatte Unterstützung von einem Polizeipsychologen. Meine Gefühlsausbrüche gehören der Vergangenheit an. Ich fühle mich gut gewappnet für den neuen Job. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“ Nachdem er einmal tief Luft geholt hatte, fuhr er fort: „Können wir jetzt zum Eigentlichen unseres Zusammentreffens kommen? Der neuen Aufgabe im Dezernat sehe ich sehr positiv entgegen, auch weil ich tausendprozentig hinter der Sache stehe.“

      „Apropos hochprozentig“, schaltete sich die Neue-Presse-Frau ein, die in einem schicken Kostüm und roten Pumps erschienen war. „Man munkelt, dass Sie gern mal zu tief ins Gerippte – oder sollte ich besser Bembel sagen? – schauen.“

      Rauscher verdrehte die Augen. Musste er sich diesen Schmus


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