DAS ALIEN TANZT WALZER. Группа авторов
zu grölen, presste ich ihm die Hand auf den Mund. Er schlug sie weg. »Das ist aus The Dark Side of the Moon«, klärte er mich euphorisch nach der ersten Strophe auf. »Ein echter Klassiker. Die Rückseite des Mondes, verstehst du?« Er gluckste ob dieser vermeintlich scharfsinnigen Assoziation.
»Ich weiß, woraus das ist!«
Einige andere zukünftige Suitenbesitzer fielen gut gelaunt in seinen Singsang mit ein.
Markus stand auf und dirigierte.
Die Stimmung im Raumschiff war auf ihrem Höhepunkt.
Noch …
Irgendwann wurden meine stillen Gebete erhört: Markus war in den Sitz zurückgesunken und hatte angefangen zu schnarchen. Wie die Wernher von Braun den Wüstenboden New Mexikos hinter sich ließ, entging ihm aus diesem Grund, und er schnappte unwillkürlich nach Luft, als er aufwachte und einen kurzen Blick aus einem der ovalen Seitenfenster warf, die bis auf den Boden reichten. Der architektonisch spektakuläre Weltraumbahnhof mit seinem sandfarbenen Dach war mit der Umgebung perfekt verschmolzen, und wir konnten die breite Landebahn, die sich wie eine Lanze aus dem Gebäude bohrte, nur noch erahnen.
»Ich glaube, es geht wieder.« Er legte zwei Finger auf sein Handgelenk, um den Puls zu fühlen. »War ich sehr peinlich?«
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Davon kannst du dir gar keine Vorstellung machen.« Zumindest meine Empfindungen gab das korrekt wieder; die meisten anderen Passagiere schienen sich köstlich amüsiert zu haben, was ich meinem Mann aber verschwieg. Gott sei Dank hatten die Flugbegleiter nichts bemerkt, die sich schon seit geraumer Zeit in die Pilotenkabine zurückgezogen hatten. Kurz überlegte ich, den Anforderungsknopf zu drücken, um mir endlich einige Gin Tonics zu genehmigen, nahm aber dann doch davon Abstand. Es reichte schon, wenn sich einer von uns zum Gespött machte.
»Ist die von Braun nicht schön?« Der beleibte Mann neben uns, der vor einer halben Stunde angesichts Markus' geistiger Ausfälle noch abschätzig die Lippen gekräuselt hatte, breitete jetzt die Arme aus. »Die runde Formgebung, das bläulich schimmernde Licht, die großzügig angelegten Reihen, die bequemen, ergonomisch geformten Schalensitze.«
»Spektakulär bequem«, stimmte Markus zu und rekelte sich wohlig.
Dreißig Passagiere konnten im SpaceShip reisen und selbstverständlich war dieser Flug ausgebucht. Anders war es Galactic Explorer auch nicht möglich, wirtschaftlich zu arbeiten und die zukünftigen Besitzer der Lunar-Apartments zu ihren Wohnungen zu fliegen. Schon die Werbekampagne allein musste die Firma ein Vermögen gekostet haben.
Ich beschoss, mich zurückzulehnen und zu versuchen, das Spektakel in all seiner Pracht zu genießen. Dadurch, dass der Passagierraum mit blendfreiem Material ausgekleidet war, hatte man einen fantastischen Blick auf die Erde. Als der Blaue Planet immer mehr in die Ferne rückte, überkam mich kurz ein tiefes Gefühl der Verlorenheit, und meine Augen saugten sich an den Spezialraumanzügen fest, die neben den dazugehörigen Helmen im vorderen Teil der Kabine hingen. Im Falle einer Dekompression in großer Höhe waren wir also gut aufgehoben – so hoffte ich jedenfalls. Nun ja. Nichts war ohne Risiko.
Um mich abzulenken, versuchte ich, die Kontinente zu erraten, die sich teilweise unter einer aufgebauschten Wolkendecke versteckt hielten. Nordamerika, Südamerika, Europa. Da unten waren unsere Freunde, Eltern und Verwandten. Ob sie wohl genau jetzt nach oben schauten, während ich meinen Blick nach unten über die Erdoberfläche schweifen ließ? Das alles war so absurd! Aber wir hatten es uns reiflich überlegt. Es uns nicht leicht gemacht. Die Entscheidung war gefallen, unser Haus auf der Erde war verkauft, wir hatten die Zelte abgebrochen. Es gab kein Zurück mehr.
»Auf welchem Grundstück steht denn Ihr Apartment?«, fragte mich unser Nachbar betont zuvorkommend und versuchte, sich zu mir zu beugen, was ihm trotz der großzügigen Schalensitze merklich schwerfiel. Allem Anschein nach bemühte er sich, Markus’ Fauxpas mit der Unterhose durch Small Talk zu überspielen. »Ich und meine Gundula, wir werden unser Immobiliengeschäft komplett auf den Erdtrabanten verlegen, vielleicht kennen Sie unser Unternehmen? Wir sind beratend für einige bedeutende Konzerne tätig.« Er fingerte eine Weile umständlich in seiner Jackentasche herum, bis er mir schließlich eine Visitenkarte reichte.
»Moon River«, las ich laut. »Knut Hassenberg, Geschäftsführer.« Ich sah auf. »Netter Firmenname.«
»Nicht wahr? Auch wenn es natürlich auf dem Mond keinen Fluss gibt. Also, was für eins haben Sie jetzt erworben?«
»Die Suite im Habitat von Village One«, antwortete Markus stolz an meiner Statt. Es hörte sich an, als habe er sich wieder komplett im Griff. »Das ist die Anlage neben dem Nektarmeer.«
»Oh.« Hassenberg warf seiner Frau einen schnellen Blick zu. »Ich verstehe.«
Als er mich kurz ansah, kam mir sein Lächeln noch aufgesetzter vor. Gleich darauf griff er nach einem Magazin und schlug es auf.
Nervös rutschte ich in meinem Sitz nach vorne. »Was verstehen Sie?«, hakte ich irritiert nach.
Sein Blick schien an den Zeitschriftenseiten festzukleben.
»Gibt es ein Problem?«, wollte jetzt auch Markus wissen.
Frau Hassenberg, die bis jetzt der Konversation schweigend gefolgt war, stupste ihren Mann mit einem dick beringten Finger an. »Knut. Das junge Paar erwartet eine Antwort.«
»Hm«, machte Hassenberg und blätterte, scheinbar mächtig an deren Inhalt interessiert, eine Seite nach der anderen um.
»Knut!«, wiederholte sie schon ein wenig lauter. »Sie sollten es wissen.«
Ächzend legte Hassenberg das Magazin auf den Schoß. »Mare Nectaris«, begann er schließlich, »wurde doppelt … wie will ich es ausdrücken … belegt.«
»Bitte?« Ich kam nicht mit.
»Das Grundstück, auf dem Village One steht«, half er mir ein wenig weiter.
Markus beugte sich vor. »Wollen Sie damit andeuten, dass der Verkauf der Suiten in diesem Komplex nicht rechtmäßig war?«, schlussfolgerte er.
»Nun«, Hassenberg zögerte. »Momentan darf dort niemand einziehen.«
Ich lachte. Das war absurd. »Man hätte uns doch informiert«, grinste ich und versuchte, mir die Vorfreude durch die Information des Immobilienheinis nicht verderben zu lassen. »Doppelter Verkauf. Ich bitte Sie, Herr Hassenberg, solch ein empörendes Vorgehen wäre doch an die Öffentlichkeit gedrungen.«
Er schwieg.
»Wäre es doch?«, bohrte ich nach.
Markus’ Gesichtszüge waren entgleist, sein Mund stand ein wenig offen. »Das macht nur unter Insidern die Runde«, stellte er dann fest. »Insidern wie Ihnen. Das ist ein Gerücht, das in Immobilienkreisen zirkuliert. Nicht wahr, so ist es?«
Hassenberg seufzte. »So leid es mir tut – ein Gerücht ist es nicht.«
»Kennen Sie das Weltraumressourcengesetz?«, flötete nun seine Gundula.
Markus und ich schüttelten synchron den Kopf.
»Es regelt die Eigentumsrechte im Weltall«, erklärte uns ihr Mann in betont langsamer Sprechweise. Anscheinend hielt er uns nicht für besonders helle. »Luxemburg hat es vor etlichen Jahren verabschiedet. Um Weltraumressourcen zu nutzen, muss die dortige Regierung eine Genehmigung erteilen.«
»Moment«, grätschte Markus dazwischen. »Ich muss die Luxemburger um Erlaubnis fragen, bevor ich mein Schäufelchen in den Mondstaub stecke? Das ist doch albern!«
»Nein, ist es nicht«, erwiderte Hassenberg. »So ist die Gesetzeslage. Und die … Schäufelchen sind inzwischen sehr groß. Wir sprechen hier von Bergbauunternehmen.«
»Aber die sind doch nicht in der Nähe des Nektarmeers!«, warf ich empört ein. Das konnte doch alles nicht wahr sein! »Die sind doch auf der …