Der Klangmeister Rudolf Tutz. Группа авторов

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gegründet.1 Böhmen, das wirtschaftlich führende Kronland der Donaumonarchie, besaß also unbestritten die Themenführerschaft im Bereich des Blasinstrumentenbaus. Wenn sich andernorts Instrumentenbauerwerkstätten zu etablieren vermochten, so kamen die Gründer zumeist aus Böhmen – auch in Innsbruck. Bevor der Böhme Anton Tutz seine eigene Werkstatt begründete, war er bei Johann Groß angestellt. Viele Tirolerinnen und Tiroler werden sich vielleicht noch an das Musikgeschäft Groß in der Innsbrucker Maria-Theresien-Straße erinnern, das bis in die 1980er Jahre bestand; gegründet wurde die zunächst in der Herzog-Friedrich-Straße in der Altstadt angesiedelte Musikalienhandlung schon 1832 von Johann Groß (1804–1875)2. Groß und sein Schwiegersohn Simon Alfons Reiß (1837–1903), der die Leitung des Geschäftes 1861 übernahm, dieses beträchtlich erweiterte und in die Maria-Theresien-Straße verlegte, machten ihre Innsbrucker Kunst- und Musikalienhandlung zur ersten Adresse für alle musikalischen Belange in Tirol: Sie verkauften nicht nur Musikalien aller Art, sondern unterhielten auch einen prosperierenden und überregional bedeutenden Musikverlag – und sie verkauften nicht nur alle Arten von Instrumenten und verfügten sogar über ein eigenes Klavieratelier, sondern betrieben auch eine Reparaturwerkstatt. Dort beschäftigten sie Instrumentenmacher-Gesellen, die Reparaturen vornahmen und auch Instrumente bauten (im Fall der Blechblasinstrumente wohl in erster Linie unter Verwendung von Fertigteilen böhmischer Hersteller). Einige der vorrangig aus Böhmen stammenden Mitarbeiter der Firma Johann Groß sind bis heute als Instrumentenbauer bekannt. Dazu gehören Franz Wenzel Leibelt (1814–1856, ab 1840 mit eigener Werkstatt, die ab 1857 von seiner Witwe Anna fortgeführt wird3), Anton Breinl (Preinl, Preindl, † nach 1877)4, Anton Brambach (ca. 1820–1886)5 und schließlich Anton Tutz.

      Tirol war in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ein guter Boden für einen Erbauer und Reparateur von Blechblasinstrumenten. Die Blasmusik erlebte einen unerhörten Aufschwung, allerorten wurden Blaskapellen gegründet oder erweitert. Die herausragende Bedeutung, die das Blasmusikwesen für Tirol heute besitzt, wurde im 19. Jahrhundert grundgelegt. Die Anfänge waren freilich bescheiden: Die Musikbanden bestanden zunächst meist aus einigen wenigen Spielern und noch um 1900 waren die meisten Kapellen im Vergleich zu ihren modernen Pendants eher klein. Die Besetzungen waren nicht standardisiert, die Musiker oft genug nur rudimentär ausgebildet. Die qualitativ meist mittelmäßigen bis schlechten Instrumente (die guten konnten sich nur professionelle Musiker und Militärkapellen leisten) waren nicht selten großen Belastungen ausgesetzt, zum Beispiel durch das Freiluftspiel bei unterschiedlichsten Wetter- und Temperaturbedingungen und durch nicht eben fachgerechte Handhabung, und daher reparaturanfällig. Die Firma Tutz etablierte sich vor allem als – bald erste – Anlaufstelle für alle Belange der Blaskapellen im Land. Daneben fertigte Anton Tutz auch Blechblasinstrumente: Trompeten, Flügelhörner, Althörner, Tenorhörner und Helikons mit seinem Firmenschild sind im Tiroler Raum und darüber hinaus zu finden, tauchen immer wieder bei Auktionen auf und werden zum Teil heute noch gespielt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Innsbrucker Instrumentenbauer seine Erzeugnisse wohl kaum in allen Teilen selbst herstellte, sondern zum Beispiel „Maschinen“ (Ventilmechanismen) vorgefertigt aus Böhmen bezog – die Praxis wurde bereits beschrieben und war weit verbreitet (heute arbeiten viele Blechblasinstrumentenbauer ähnlich). Auch das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum besitzt eine Reihe von Instrumenten, die mit dem Firmenschild von Anton Tutz versehen sind, darunter besonders viele Helikons – dieses große Blechblasinstrument erfreute sich um 1900 großer Beliebtheit und kam dann aus der Mode; heute wird es wieder häufiger gespielt. Schon unter Anton Tutz dürfte das von Martin Spörr (1866–1937) im Jahr 1893 gegründete Innsbrucker Städtische Orchester, aus dem das heutige Tiroler Symphonieorchester Innsbruck hervorging, zum Kundenkreis der Firma gehört haben, doch dieser Wirkungsbereich hatte auch in den Folgejahrzehnten und unter den Werkstattnachfolgern Antons geringere Bedeutung.

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      Links: Firmenschild Anton Tutz, Foto: TLM; rechts: Anton Tutz, Helikon, Innsbruck um 1910; Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Musiksammlung, Inv. Nr. M/I 269, Foto: TLM

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      Von links nach rechts: Rudolf (II) und Hilde Tutz; Hilde Tutz mit Erika und Rudolf (III); Rudolf (III) Tutz im Alter von 2 Jahren, Fotos: privat

       Rudolf (III) Tutz: Lehr- und Wanderjahre

      Mitten im ersten Kriegssommer, am 13. August des Jahres 1940, wurde Rudolf (III) Tutz geboren. Er zeigte sehr früh ein außergewöhnliches zeichnerisches und bildhauerisches Talent. So lag es nahe, dass er neben der Landesberufsschule für Metallgewerbe – als erste Station auf dem vorgezeichneten Weg zum Blechblasinstrumentenbauer – als Gastschüler auch die Kunstgewerbeschule für Bildhauer besuchte. Die ausgeprägte künstlerische Ader sollte in der beruflichen Laufbahn von Rudolf (III) Tutz auf vielfältige Weise fruchtbar werden. Die Berufsschule (1954–1958) ging mit einer Lehre als Holz- und Blechblasinstrumentenmacher in der Werkstatt seines Vaters einher: Dass der Sohn in die beruflichen Fußstapfen des Vaters treten würde, war damals schon klar. An der Ausbildungsstätte für Bildhauer erlernte er den Umgang mit vielen Materialien, die im Instrumentenbau keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen; zudem war der Heranwachsende regelmäßig Gast in einer Innsbrucker Goldschmiede-Werkstatt und machte sich mit den Techniken der Gold- und Silberverarbeitung bekannt. Schon damals waren die Interessen des jungen Rudolf breit gefächert, weit entfernt von einem engen Spezialistentum: Davon sollte er bei späteren Projekten immer wieder profitieren. Rudolf Tutz betonte immer wieder, dass das Instrumentenbauer-Praktikum, das er bei der renommierten Firma Richard Müller in Bremen absolvierte, für seine Entwicklung von zentraler Bedeutung war. Die Bremer Firma arbeitete im Gegensatz zu der Innsbrucker Werkstatt in erster Linie für professionelle Orchestermusiker und ausschließlich auf dem Gebiet des Holzblas instrumentenbaus; Rudolf Tutz sah sich nun mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert und erweiterte seinen Erfahrungsschatz weiter. 1959 absolvierte Rudolf Tutz die Gesellenprüfung, am 1. Dezember 1961 dann die Meisterprüfung. Bald darauf erkrankte sein Vater schwer und der erst 23-jährige Rudolf musste nach dessen Tod am 28. Oktober 1963 den Betrieb übernehmen.

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      Zeichnung mit Vermerk „von Kleinrudi allein gezeichnet. Oktober 1943“, Foto: privat

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      Die Tutz-Werkstatt in der Maria-Theresien-Straße, v. l. n. r.: Rudolf (III) und Rudolf (II) Tutz, ein Werkstattmitarbeiter, Foto: privat

       Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

      Schon Rudolf (II) hatte Kontakte mit dem Musikpädagogen und Fagottisten Otto Ulf (1907–1993) gepflegt, der an der Innsbrucker Lehrerbildungsanstalt unterrichtete und dort mit engagierten Schülern den Bläserkreis Innsbruck ins Leben gerufen hatte. Dieses Ensemble widmete sich – in Tirol damals völlig neu – der Bläsermusik der Renaissance und des Frühbarocks und erwarb sich bald überregionales Renommee. Ulf bemühte sich schon damals um eine


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