Der Klangmeister Rudolf Tutz. Группа авторов

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Rudolf (II) Tutz ersuchte, eine Barocktrompete zu bauen, lehnte dieser ab, weil er davon überzeugt war, dass ihm dazu das nötige Know-how und die Expertise fehlten. Sein Sohn sollte kurze Zeit später ebenso abwinken, als Ulf mit der Bitte an ihn herantrat, ihm nur auf der Grundlage der Abbildung und der Angaben im berühmten Musiktraktat Syntagma musicum III (1619) einen Dulzian zu bauen. Rudolf Tutz (III) wusste eben schon damals genau, was er konnte und was nicht. Als sich Innsbruck ab den 1960er Jahren immer mehr zu einem Zentrum der Alte Musik-Bewegung entwickelte, sprach sich herum, dass mit „dem Tutz“ ein außergewöhnlich begabter und experimentierfreudiger, dazu besonders neugieriger Instrumentenbauer vor Ort war.

      Einer, der Rudolf Tutz sehr schätzte, war der Musikwissenschaftler Walter Senn (1904–1981), der nach dem Zweiten Weltkrieg (offiziell ab 1963) die Instrumentensammlung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum ehrenamtlich betreute und den jungen Instrumentenbauer für Reparaturen heranzog. So hatte Rudolf Tutz Gelegenheit, Originalinstrumente zu sehen und zu untersuchen. Für den Bläserkreis Innsbruck baute Rudolf Tutz in der Folge Barockposaunen, doch sollte sich seine Aktivität zunehmend auf den historischen Holzblasinstrumentenbau verlagern. Ein Grund für diese Verlagerung ist in dem Umstand zu sehen, dass in den 1960er und 1970er Jahren das Tiroler Blasmusikwesen von einem Professionalisierungsschub erfasst wurde; die Kapellen wechselten von der hohen sogenannten „Militärstimmung“ (ca. 470 Hz) zur Normalstimmung (440 Hz). Aus diesem Grund wurde das Instrumentarium praktisch flächendeckend erneuert. Die neuen Instrumente waren weit weniger reparaturanfällig. Damit war das Kerngeschäft der Firma Tutz, die Instrumentenreparatur, weniger gefragt. Die Neuausrichtung des Geschäftes und die damit einhergehende Erweiterung wurden von Veronika Tutz, geb. Mayerl, mitgetragen. Rudolf Tutz hatte seine erste Frau am 23.10.1967 geehelicht, sie übernahm im Betrieb wichtige Aufgaben und erwies sich als geschäftstüchtig; vor allem bildete sie den strukturierten Gegenpol zu ihrem „kreativ chaotischen“ Mann.

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      Links: Veronika und Rudolf Tutz; rechts: Perlenkette für Veronika Tutz, Fotos: privat

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      Rudolf Tutz an der Drehbank, Foto: privat

      Schon Ende der 1960er Jahre hatte Tutz einen Erfolg auf dem Gebiet des modernen Instrumentenbaus verbuchen können: Für Josef Hell, der als Trompeter bei den Wiener Philharmonikern spielte, baute er als Ergebnis intensiver Forschungsarbeit eine Wiener Konzerttrompete (1968), die in der Folge nicht nur von Hell, sondern auch von anderen Orchestermusikern gespielt wurde.

      Eine Persönlichkeit, die Rudolf Tutz vielfältige Kontakte zur Fachwelt vermittelte, war der Musikwissenschaftler Walter Salmen (1926–2013), der von 1972 bis 1992 als Ordinarius für Musikwissenschaft an der Universität Innsbruck wirkte; über die jahrzehntelangen Beziehungen zwischen dem Musikologen und dem Instrumentenbauer berichtet Gabriele Busch-Salmen in ihrem Beitrag ausführlich.

      In den 1970er Jahren erlebte die Pflege Alter Musik auf historischen Instrumenten einen Boom. Sie trat aus ihrem Nischendasein und etablierte sich zunehmend als wichtiger Faktor im internationalen Konzertleben, freilich damals noch als bewusster Kontrapunkt zum etablierten und konventionellen klassisch-romantischen Konzertbetrieb. Es herrschte ein ausgeprägter Pioniergeist, man eroberte sich mit Entdeckerfreude und Experimentierlust sukzessive neues musikalisches Terrain. Rudolf Tutz war eine der Zentralfiguren dieser Bewegung, er war eine wichtige Anlaufstelle für die führenden Exponenten der Bewegung. Ob Dirigenten und Ensembleleiter wie Nikolaus Harnoncourt, Frans Brüggen und John Eliot Gardiner oder Musikerinnen und Musiker aus der ganzen Welt, sie alle pilgerten „zum Tutz“. In den 1960er und 1970er Jahren stand noch die möglichst exakte Kopie von Originalinstrumenten im Zentrum des Interesses, doch gab es dabei große Hürden zu bewältigen: Die Instrumente waren oft schwer zugänglich, es gab kaum Pläne und man wollte nicht wahrhaben, dass 1:1-Kopien der Originale oft nur unbefriedigend oder sogar gar nicht funktionierten. Im Zusammenwirken mit bedeutenden Musikerinnen und Musikern, etwa dem Traversflötisten Barthold Kuijken, arbeitete Rudolf Tutz an Verbesserungen (dazu mehr im Beitrag von Barthold Kuijken in diesem Buch). Ihn interessierten die Geheimnisse der großen Instrumentenbauer der Vergangenheit, er war stets offen für völlig unkonventionelle Lösungen anstehender Probleme. Vor allem war ihm bewusst, dass jeder Spieler seine Eigenheiten hatte und dass es galt, ein Instrument „maßzuschneidern“, so wie es schon die großen Vorgänger getan hatten. Das zeichnete seine Arbeitsweise bis zuletzt aus, sowohl bei Neubauten als auch bei Reparaturen: Der unmittelbare und intensive Kontakt zu seinen Kundinnen und Kunden war für ihn zentral, er konnte intuitiv erfassen, wo das Problem lag, und schnell Lösungen anbieten.

      Dass die Werkstatt des Rudolf Tutz, die 1977 von der Maria-Theresien-Straße in die Innstraße übersiedelte, zum internationalen Brennpunkt der Alte Musik-Szene werden konnte, liegt natürlich auch an der strategisch außerordentlich günstigen Lage und den glücklichen Fügungen: Der schon genannte Otto Ulf machte mit den Ambraser Schlosskonzerten (ab 1964), der Internationalen Sommerakademie (ab 1972) und den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik (ab 1976) Innsbruck zur musikalischen Drehscheibe der Szene. Aufgrund der Sommerakademie bevölkerten mehrere Wochen lang junge Musikerinnen und Musiker aus der ganzen Welt Innsbruck, die Konzertreihen boten ein Podium für die bald wie Pilze aus dem Boden schießenden Alte Musik-Ensembles. Rudolf Tutz profitierte nicht nur von diesen Entwicklungen enorm, sondern gestaltete sie aktiv mit. So geht die Konvention, Musik der Klassik (und Frühromantik) auf dem Stimmton von 430 Hz zu spielen, auf Rudolf Tutz und Barthold Kuijken zurück – der belgische Flötist schildert die Hintergründe in seinem Beitrag.

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      Die Werkstatt in der Innstraße „back stage“, Rudolf Tutz mit Elefanten-Stoßzahn, Foto: privat

      Der moderne Instrumentenbau war Rudolf Tutz


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