Der Klangmeister Rudolf Tutz. Группа авторов
er zu Hilfe gerufen, weil seine hohe Fachkompetenz und sein lösungsorientierter, unkonventioneller Ansatz geschätzt wurden. In den 1980er Jahren beispielweise widmete er sich intensiv dem „Wiener Klang“, der nach Meinung führender Musiker damals im Aussterben begriffen war. Rudolf Tutz hielt auf einem Symposion der Wiener Hochschule für Musik und darstellende Kunst ein viel beachtetes Referat und engagierte sich für die Wiederbelebung des Wiener Klangstils. Für den Solo-Oboisten der Wiener Philharmoniker, Walter Lehmayer, baute Tutz ein Instrument – über dieses Instrument und seine Premiere berichtet Prof. Lehmayer in seinem Kurzbeitrag in diesem Buch. Ab 1998 war Rudolf Tutz als Designer für die Firma Uebel in Markneukirchen tätig. Hier versuchte er, Erkenntnisse aus dem historischen Instrumentenbau in das Design moderner Klarinetten einfließen zu lassen.
Rudolf Tutz, der Vielseitige, entzog sich der Spezialisierung. Seine Domäne blieben die historischen Klarinetten und Flöten. Sein Interesse galt aber genauso kuriosen Instrumenten, von der Säulenblockflöte bis hin zur Brezentrompete. Seine vielfältigen Forschungen führten ihn in die großen Musikinstrumentenmuseen der Welt, wo er die Originale studieren konnte; in der Biblioteca Filarmonica und der Biblioteca Capitolare in Bologna zum Beispiel begutachtete er die dortigen originalen Renaissance-Flöten und ließ auch hier seine Erkenntnisse in Nachbauten einfließen. Die Alte Musik-Bewegung entwickelte sich weiter. Viel vom Pioniergeist der 1970er und 1980er Jahre ging verloren, aber Rudolf Tutz blieb immer am Puls der Zeit und neugierig, ein kritischer Beobachter und Mahner. Er verkörperte den so essentiellen Pioniergeist und trug ihn weiter; mit seiner unermüdlichen Neugier vermittelte er Begeisterung. Noch als Pensionist – 2003 übernahm Sohn Rudolf (IV) Tutz die Geschäftsführung der seit 1992 bestehenden Tutz GesmbH – und bis zu seinem Tod 2017 war Rudolf Tutz unermüdlich am Arbeiten und bemühte sich, den Wünschen der Kunden aus dem In- und Ausland nach Möglichkeit zu entsprechen. Er fungierte auch als international gefragter Berater, Aussteller, Vortragender und Forscher. Nicht zu vergessen ist das jahrzehntelange Wirken von Rudolf Tutz für die Tiroler Wirtschaftskammer: Er war bis zur Zusammenlegung bzw. Neugründung der Innung der Kunsthandwerke 2010 viele Jahre Tiroler Landesinnungsmeister der Musikinstrumentenerzeuger und Bundesinnungsmeisterstellvertreter.
Das Musikhaus Tutz in der Innsbrucker Schullernstraße, Foto: TLM
Diese vielfältigen Tätigkeiten wurden mehrfach gewürdigt: 2004 wurde Rudolf Tutz der Jakob-Stainer-Preis des Landes Tirol für besondere Verdienste um die Alte Musik zuerkannt. 2008 verlieh ihm der österreichische Bundespräsident den Berufstitel „Professor“. 2011 erhielt er das Ehrenzeichen für Kunst und Kultur der Stadt Innsbruck. Das Österreichische Blasmusikmuseum Oberwölz widmete Rudolf Tutz zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 2010 eine Sonderausstellung (in Kooperation mit den Tiroler Landesmuseen; Konzept: Franz Gratl und Bernhard Habla). Diese Schau wurde im Herbst 2010 in adaptierter Form auch vom Stadtmuseum Innsbruck übernommen.9 Mit großem Engagement gestaltete Rudolf Tutz eine Reihe von Vermittlungsprogrammen, die im Rahmen dieser Innsbrucker Ausstellung stattfanden und sich vor allem an Kinder und Jugendliche richteten. Seinen besonderen Draht zu Kindern stellte Rudolf Tutz auch regelmäßig beim „Hoffest“ im Rahmen der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik auf Schloss Ambras unter Beweis, wo er alljährlich zu Gast war und mit den Kindern Instrumente bastelte. Zum 70er und 75er von Rudolf Tutz fanden Festkonzerte statt; der Jubilar wurde zu Rundfunksendungen eingeladen. Eine Ehrung der besonderen Art ist die ihm gewidmete Sendung der Reihe „Österreich-Bild“, die Martin Sailer unnachahmlich originell gestaltete. Rudolf Tutz tritt uns hier entgegen, wie er war: pointiert, humorvoll, kauzig, selbstbewusst und visionär.
Rudolf Tutz lässt sich zur Verleihung des Kulturehrenzeichens der Stadt Innsbruck chauffieren, Foto: privat
Rudolf Tutz am Strand mit der Einladung zur Verleihung des Jakob-Stainer-Preises, Foto: privat
Dabei blieb er von Schicksalsschlägen nicht verschont: 1993 starb seine Frau Veronika nach langem Leiden. 1998 heiratete Rudolf Tutz die international erfolgreiche Traversflötistin Linde Brunmayr, eine ehemalige Schülerin von Barthold Kuijken. Immer wieder machte er seiner zweiten Frau außergewöhnliche Instrumente zum Geschenk. Eine Flöte, die er 1996 für sie baute, die „Flûte de la barre“ (so benannt in Erinnerung an den französischen Komponisten Michel de la Barre, aber auch deswegen, weil die Flöte mit einem Bassbalken nach dem Vorbild von Streichinstrumenten ausgestattet ist), erwies sich als Erfolgsmodell. Linde Brunmayr-Tutz spielt heute noch bevorzugt ein Instrument dieses Typs.
Es ist ein großer Glücksfall, dass die Geschichte der Innsbrucker Instrumentenbauerdynastie Tutz mit Rudolf (III) nicht zu Ende erzählt ist. Sein Sohn Rudolf (IV) führt die Werkstatt weiter und hat sich in Musikerkreisen bereits einen guten Ruf erarbeitet. Auch er widmet sich in erster Linie dem Bau historischer Holzblasinstrumente. Mit Rudolf (III) Tutz schlug die Geschichte der Familiendynastie eine neue Richtung ein. Dieser Weg geht nun also weiter, in eine hoffentlich weiterhin prosperierende Zukunft. In diese Zukunft war der Blick von Rudolf Tutz stets gerichtet – er war noch kurz vor seinem Tod voller Pläne und Visionen. Sein kostbares Vermächtnis sind die Instrumente, die von Musikerinnen und Musikern auf der ganzen Welt gespielt werden.
_________________________________
1 Im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum wird als besondere Rarität ein „Tritonikon“, ein vor allem in der Militärmusik genutztes tiefstimmiges Doppelrohrblattinstrument, der Firma Červený aufbewahrt. Auch Graslitzer Instrumente, u. a. Fagotte und Hörner, finden sich in der Instrumentensammlung des Ferdinandeums.
2 Zu Groß siehe u. a. Monika Fink, Art. „Groß (Gross), Johann“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, Zugriff: 26.3.2020 (https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_G/Gross_Johann.xml).
3 Anna Leibelt erhält 1857 die Befugnis, „das von ihrem Ehemanne Franz Leibelt innegehabte Befugnis zur Verfertigung aller Gattungen von Blech-Instrumenten während der Dauer des Witwenstandes und durch den Werkführer Anton Bresel fortzuführen“, siehe Bote für Tirol und Vorarlberg, 15.1.1857, S. 1.
4 1877 wird über den Innsbrucker Instrumentenmacher Anton Breinl wegen „gerichtlich erhobenen Blödsinns“ das „Kuratel“ verhängt und kurz darauf ein Konkursverfahren eröffnet; siehe Bote für Tirol und Vorarlberg, 16.4.1877, S. 8, und Meraner Zeitung, 25.7.1877, S. 4.
5 Am 5. Juli 1886 stirbt in Wilten „Anton Brambach, Instrumentenmacher, Witwer, alt 66 J., Adamgasse 2, an Speisröhren-Entartung“, siehe Bote für Tirol und Vorarlberg, 6.7.1886, S. 1238.
6 Unter ihrem Kapellmeister Sepp Tanzer wurden die Wiltener nicht nur zu einer Elite-Kapelle, sondern nach 1938 auch zum Gaumusikzug umgeformt. Ihre Aufgabe war nun, offizielle NS-Feierlichkeiten zu umrahmen. Dafür genossen die Mitglieder der Kapelle einerseits Privilegien, gerieten dadurch aber auch in die Nähe der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und ihrer lokalen Repräsentanten. Rudolf (II) Tutz musste sich nach dem Krieg einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen, weil er seit 16. März 1939 als Anwärter auf die Mitgliedschaft bei der NSDAP geführt wurde, mithin also wie viele andere einen Antrag auf Aufnahme in die Partei gestellt hatte. Der Akt zum Entnazifizierungs-Verfahren von Jahresanfang 1946 ist im Stadtarchiv