Athanor 4: Die letzte Schlacht. David Falk

Athanor 4: Die letzte Schlacht - David  Falk


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würde es so abschüssig werden, dass sich niemand mehr der Wucht eines Pferds entgegenstemmen konnte. Leones lenkte Sturmlöwe auf Danael zu. Vielleicht konnte er die Orks ablenken, sie einen entscheidenden Moment lang verwirren. Im Licht der Fackel glänzte Blut aus etlichen Wunden. Von allen Seiten schoben die Untoten ihre Vordermänner auf das tobende Pferd zu, warfen Steine, hackten mit Äxten und stachen mit schartigen Klingen.

      Gefährlich niedrig brauste Sturmlöwe über sie hinweg, brüllte und schlug mit den Pranken nach ihnen, bevor ihn Leones hastig wieder nach oben dirigierte. Auch der Greif war müde. Leones spürte das Zittern der Muskeln unter sich. Am durchbohrten Flügel war kaum ein Schaden zu sehen, nur ein wenig zerzaustes Gefieder, und doch merkte er, wie Sturmlöwe ständig seine Lage in der Luft wieder ausglich. Dennoch lenkte er ihn in enger Kurve zurück. Er war zu erschöpft, um das Schwert zu ziehen oder auch nur den Arm zu heben, aber er stimmte in Sturmlöwes Brüllen ein, als sie erneut auf das Knäuel um Danael zujagten.

      In diesem Augenblick fuhr eine Axt nieder. Leones sah nur, wie sie hinter Gegnern verschwand, doch einen Lidschlag später brach Danaels Pferd mit einem Hinterlauf ein. Auf drei Beinen machte es einen letzten Satz nach vorn, rammte Untote, die gegen andere Orks stießen, und stolperte über die gestürzten Gegner. Danael ließ die Fackel fallen und krallte sich fest. Geschwächt und verwundet fand das Pferd auf dem steilen Hang keinen Halt. Es fiel, während Sturmlöwe darüber hinwegflog. Leones Brüllen geriet zum verzweifelten Schrei.

      9

      »Alles, was Ihr habt, ist das Wort eines Trolls?« Im nächtlichen Garten klang Vethanas Stimme zu laut und zu verächtlich.

      Alarmiert sah Athanor zu Orkzahn. Der Troll ballte die Fäuste, und seine Augen glänzten im Laternenlicht beunruhigend auf. »Besser als das Wort einer Ogertochter!«

      »Vethana ist nicht Kavaraths Tochter«, warf Athanor rasch ein. »Sie sieht ihm nur ein wenig ähnlich.«

      Die rothaarige Kriegerin erhob sich brüsk von der Bank, auf der sie neben Peredin gesessen hatte. Ihre Hand fuhr zum Griff des Schwerts, das sie nicht mehr ablegte, seit die Untoten in der Ratssitzung erschienen waren. »Ich bin nicht hergekommen, um mich von einem haarigen Scheusal beleidigen zu lassen!«

      Hastig hielt der Erhabene sie am Handgelenk fest. »Der Troll ist mein Gast«, sagte er so bestimmt, dass jeder die Drohung darin hörte. »Wer eine Waffe gegen ihn zieht, zieht sie gegen mich.«

      Dennoch blieb Athanor bereit, aufzuspringen und sich mit der Klinge zwischen die Elfe und seinen Freund zu stellen. Sollte sie versuchen zu zaubern, würde er …

      »Ich glaube ihm.« Die Stimme ertönte so plötzlich hinter Orkzahn, dass Athanor zusammenzuckte. Selbst dem Troll entfuhr vor Schreck ein Knurren. Omeon trat neben ihm in den Schein der Laterne. Er sah alt aus, sehr alt, und doch lag ungebrochener Wille in seiner Haltung und seinem Blick.

      »Und wer seid Ihr?«, fragte Vethana herablassend, obwohl ihre Züge ein wenig Verunsicherung verrieten.

      »Omeon ist der Älteste unter allen vier Völkern«, erklärte Peredin. »Er wurde geboren, als das Alte Reich der Menschen zerbrach.«

      Athanor starrte den Greis ungläubig an. Dass Elfen mehrere Hundert Jahre lebten, hatte er gewusst, doch das Ende des Alten Reichs lag fast tausend Jahre zurück. Selbst der Erhabene war nur halb so alt.

      »Und er scheint Einblick in Bereiche zu haben, die uns verschlossen sind«, fügte Mahalea hinzu. Aus ihrem Mund klang es jedoch eher anklagend als anerkennend.

      »Seid Ihr gerade erst zurückgekehrt?«, erkundigte sich Peredin. »Wir hätten in dieser Angelegenheit gern schon früher mit Euch gesprochen.«

      »Ich bedaure, dass Ihr auf mich verzichten musstet«, antwortete Omeon mit dem Lächeln eines Manns, der wusste, dass nicht er, sondern nur sein Nutzen vermisst worden war. »Ich habe … wichtige Verhandlungen geführt.«

      »Verhandlungen?« Der Erhabene furchte die Stirn. »Jetzt ist nicht die Zeit, um in Rätseln zu sprechen, Omeon. Unsere Lage ist ernst.«

      »Zweifellos«, bestätigte der Alte. »Deshalb habe ich um Verbündete geworben. Für ihre Hilfe verlangen sie jedoch einen Preis.«

      »Wessen Unterhändler seid Ihr?«, fragte Mahalea scharf. »Ich will einem Verbündeten in die Augen sehen, bevor wir irgendwelche Zugeständnisse machen.«

      »Das lässt sich einrichten.« Omeon wandte sich zu den Schatten jenseits des Laternenscheins um und bedeutete jemandem, näher zu kommen. Sofort legte Athanor die Hand um den Schwertgriff. Neben ihm spannte sich auch Akkamas zum Sprung, und Orkzahn verdrehte den Hals, um hinter sich zu spähen.

      Eine unerwartet kleine Gestalt löste sich aus der Dunkelheit. Die alte Faunin reichte Omeon nicht einmal bis zur Schulter, was auch an den beiden krummen Bocksbeinen lag, auf denen sie stand wie eine sich aufbäumende Ziege. Fast bis zur Taille hinauf war ihr Leib mit Fell bedeckt. Auf dem Rücken setzte es sich entlang der Wirbelsäule fort, um im Nacken in die etwas längeren Haare auf dem Kopf überzugehen. Die nackten Bereiche ihres Körpers waren nach Sitte der Faunfrauen mit verschlungenen Mustern bemalt, die von ihrer faltigen Haut und den ausgelaugten Brüsten ablenkten. Von der grünen Paste ging ein Duft nach Kräutern und Gräsern aus, was den Ziegengeruch jedoch nur unzureichend überdeckte. Im Gegensatz zum ergrauten Haar waren die Augen der Alten von dunklem Braun und sahen vollkommen menschlich aus. Das einzige Ziegenhafte an ihrem Gesicht war der schmale, graue Kinnbart, der allen alten Fauninnen wuchs.

      »Erhabener, dies ist Edege, Älteste der Sippe der Widdergehörnten und Abgesandte aller Sippen, die in den Elfenlanden vertreten sind«, stellte Omeon sie vor.

      Peredin nickte der Faunin zu. »Seid gegrüßt, Edege. Im Namen der vier Elfenvölker heiße ich Euch in Anvalon willkommen.«

      »Danke, Erhabener. Wir Faune haben vom großen Unglück der Elfen erfahren und bedauern es zutiefst«, versicherte sie im Elfisch der Faune, das wie ein alter Dialekt klang.

      »Omeon sagte, dass Ihr gekommen seid, um uns Eure Hilfe anzubieten«, erwiderte Peredin. »Darüber würden wir alle gern mehr erfahren.«

      »Ich sehe eine Versammlung vieler Abgesandter. Das ist gut«, sagte sie, obgleich sich etwas Furcht in ihren Blick schlich, als er Orkzahn streifte. »Aber starke Arme und scharfe Zähne werden uns nicht retten. Bist du ein Schamane?«, wandte sie sich direkt an den Troll.

      Überrascht schüttelte Orkzahn den Kopf.

      »Wie ich Euch sagte, Edege«, mischte sich Omeon ein, »die Trollschamanen wurden von Ghulen getötet. Die Faune sind unsere letzte Hoffnung.«

      Vethana lachte auf. »Wollt Ihr uns auf den Arm nehmen? Euer hohes Alter in Ehren, Omeon, aber das ist lächerlich. Sind nicht gerade erst unzählige Faune zu uns geflohen, weil sie nicht einmal mit den untoten Menschen Theroias fertig wurden? Und jetzt sollen sie uns vor gigantischen Wiedergängern retten?«

      Insgeheim musste Athanor ihr recht geben. Er selbst hatte Trolle und Elfen in die Schlacht geführt, um den Heiligen Hain der Faune in Theroia zu verteidigen, weil sie selbst nicht dazu in der Lage gewesen waren. Die Entscheidung des Hohen Rats, ihm eine viel zu kleine Truppe mitzugeben, hatte viele Leben gekostet. Und trotz seiner Hilfe waren die meisten Faunmänner gefallen, weshalb sich Frauen und Kinder zu ihren Verwandten in den Elfenlanden geflüchtet hatten. Was hätten sie auch gegen Xanthos’ Untotenheer ausrichten können? Nur ihm als rechtmäßigem Herrscher Theroias war die Macht zugefallen, seine Untertanen zurück in ihre Grabstätten zu schicken.

      »Wir Faune können das Ewige Licht nicht wieder zum Leuchten bringen«, gab Edege zu. »Es war ein Heiligtum des Seins, das den Elfen geschenkt wurde, und ihr habt es nicht beschützt. Auch uns Faunen erwächst daraus Unglück, aber uns trifft es nicht so hart wie euch.«

      Athanor beobachtete, wie Mahalea ihre ohnehin dünnen Lippen zu einem Strich verkniff. Der Vorwurf des Versagens würde sie für immer verfolgen.

      »Inwiefern leidet ihr darunter?«, erkundigte sich der Erhabene.

      »Liegt


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