Mein Leben mit den Eagles. Wendy Holden

Mein Leben mit den Eagles - Wendy Holden


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Ihre Eltern fanden heraus, dass wir vor­hatten durchzubrennen, und verboten ihr den weiteren Umgang mit mir. Trotzdem denke ich, es muss wohl eine göttliche Fügung gewesen sein, denn mit siebzehn war ich noch nicht reif für die Ehe. Irgendjemand wollte mir mitteilen, dass man andere Pläne für mich hatte. Rückblickend muss ich sagen, dass das richtig war.

      Für einen Teenager in Florida drehte sich in der Freizeit alles um Musik, Mädchen und die spektakuläre Landschaft, die wir in unserer jugendlichen Borniertheit mehr oder weniger als Selbstverständlichkeit betrachteten. In den Sommern Mitte der Sechziger jedoch hatten wir mehr Spaß als je zuvor, weil wir alle drei Faktoren gleichermaßen auskosteten.

      Bernie und ich verdienten mit unseren Bands einigermaßen gut Geld, beinahe genug, dass ich den Simca durch einen Volkswagen Käfer Baujahr 1962 ersetzen konnte. Papa griff mir beim Kauf finanziell etwas unter die Arme, was er für seine Pflicht hielt. Er war immer noch darauf aus, dass ich mich auf die Schule konzentrierte und mir einen richtigen Job suchte, ich hingegen war ganz zufrieden mit mir selbst. Ich arbeitete, hatte ein Auto und ein paar Freun­dinnen. Das Leben war süß.

      Ich verbrachte den Großteil meiner Freizeit mit Bernie, Barry Scurran, Tom Laughon oder den Brüdern Rucker. Oft übernachtete ich auch bei ihnen, wenn Papa und ich wieder einmal heftig miteinander stritten. In Gainesville war jedoch nicht allzu viel los, also fuhren wir, wann immer es unsere Zeit erlaubte, für einen Tapetenwechsel raus zum See. Dort besaßen einige der wohlhabenderen Familien in unserem Freundeskreis einen Zweitwohnsitz. Toms Vater hatte ein Boot und ein Haus, und der Vater eines Jungen in meiner Klasse war der Besitzer der örtlichen Mercury-Niederlassung. Ihr Familiensitz lag direkt neben Blue Run, einer der unterirdischen Quellen, die in diesem Teil des Staats die Flussläufe speisen. Wunderschönes frisches Wasser blubbert nach oben und fließt in kristallklaren, zehn Meter tiefen Flüssen davon. Die Verlockung war einfach zu groß für einen Teenager.

      Wir verbrachten ganze Tage mit Baden oder lagen einfach nur an der Anlegestelle in der Sonne. Tom brachte mir das Wasserskifahren bei. Ein zusätzlicher Kitzel dabei war, dass der See mit Schlangen, Alligatoren und Schnappschildkröten verseucht war. Sollte ich den Halt verlieren, müsste ich mich mit möglichst geringen Schwimmbewegungen über Wasser halten und hoffen, dass das Boot bald umkehrte, um mich aufzufischen. Am meisten Spaß machte jedoch das Unterwasserfliegen: Wir zwängten uns in ein tief liegendes kleines Boot mit einem siebeneinhalb PS starken Motor, an dessen Heck eine Wasserskileine befestigt war. An diese hängten wir ein kleines Holzbrett, das ungefähr fünfundsiebzig Zentimeter lang und dreißig Zentimeter breit war. Einer von uns stieg ins Wasser und ließ sich hinter dem Boot herziehen. Dabei trug man eine Gesichtsmaske und hielt sich an dem Brett fest.

      Wenn das Boot Fahrt bekam und man auf dem Brett liegend hinterher­glitt, konnte man ein wenig Druck darauf ausüben und wurde so unter die Wasseroberfläche gezogen. Wenn man es zur Seite kippte, segelte man buch­stäblich wie ein Vogel durchs Wasser. Konnte man den Atem nicht länger anhalten, musste man nur das Brett nach oben neigen, und schon schoss man spritzend und nach Luft schnappend empor, bevor man abermals eintauchte. Das Wasser war voll von Tieren, und man konnte glasklar sehen. Es gab in diesem Teil von Blue Run sogar Seekühe, sanfte seehundähnliche Wesen, die von Seeleuten einst für Meerjungfrauen gehalten wurden. Die Gefahr beim Unterwasserfliegen bestand darin, dass man unter Wasser jederzeit gegen eine verborgene Baumwurzel oder irgendein anderes Hindernis geschleudert wer­den konnte, aber wir waren jung und dumm und scherten uns nicht darum.

      Nachts gingen wir in den Sümpfen Frösche aufspießen. Auf einem Ruder­boot fuhren wir zu der Stelle, wo sich die Frösche an der Wasseroberfläche treiben ließen und sich aus vollem Hals gegenseitig Liebesschwüre zuquakten. Einer von uns trug eine Taschenlampe bei sich. Wenn wir den Lichtkegel der leistungsstarken Lampe über die Oberfläche des Sumpfs wandern ließen, sahen wir nur gelbe und rote Augen – die gelben gehörten den Fröschen, die roten den Alligatoren. Wir pirschten uns an die treibenden, halb geblendeten Frösche heran, bis einer von uns „Spießen!“ schrie. Dann spießten wir die Kreatur auf. Dazu verwendeten wir einen langen Stab, an dessen Ende ein Dreizack mit Widerhaken befestigt war, und warfen die noch zappelnden Frösche damit in einen Korb. Wenn der Korb voll war, kehrten wir ans Ufer zurück, trennten die Beine ab und tauchten sie in flüssigen Teig, bevor wir sie über dem Lagerfeuer brieten. Sie schmeckten so ähnlich wie gebratenes Hühnchen und waren beson­ders gut, wenn man sie mit ein paar kalten Bieren hinunterspülte.

      Bernie ging mit einem Mädchen namens Judy Lee, deren Familie ein Haus draußen in Micanopy besaß, wo einer unserer Lieblingsseen lag. Bernie und Judy meinten es ziemlich ernst miteinander, und das zu einer Zeit, als ich gerade keine Freundin hatte. Ich war also mehr als nur ein bisschen eifersüchtig. Eines Abends, nach einem Auftritt bei einer Tanzveranstaltung für Jugendliche in einem örtlichen Holiday Inn, hatte sich Bernie mit Judy vor dem Howard John­son Motel in Gainesville verabredet. Sie brachte ihre beste Freundin mit.

      „Hallo“, sagte sie und winkte mir schüchtern zu. „Ich bin Susan Pickers­gill. Ich habe schon viel über dich gehört.“ Sie roch nach Mandeln.

      „Hallo“ war alles, was ich als Antwort hervorbrachte. Ich brauchte nur einen einzigen Blick auf diesen süßen, milchgesichtigen Engel mit seinem glatten blon­den Haar zu werfen, da war es um mich geschehen. Sie sah mich ebenfalls an. Ich hatte mein Haar mit Pomade zurückgekämmt und meine Zigaretten unter den Ärmel meines T-Shirts gesteckt. Glücklicherweise empfand sie dasselbe.

      Susan stammte aus besseren Verhältnissen. Sie war der Abkömmling einer langen Linie von Pickersgills, einer Familie, die den teutonischen Felders weit überlegen war, die noch auf Maultieren hierhergeritten waren. Sie war eine direkte Nachfahrin jener Mary Pickersgill, die 1813 für Fort McHenry das erste Sternenbanner nähte, das heute im Smithsonian-Institut in Washington, D. C., hängt. Das Beste aber war, dass mich ihre Mutter mochte. Ich war adrett, und meine Eltern hatten mir gute Umgangsformen beigebracht. Ich war höflich und bewies großen Respekt, indem ich immer artig „Ja bitte“ und „Vielen Dank“ sagte. Sie freuten sich, dass Susan jemanden wie mich gefunden hatte. Wenn sie nur gewusst hätten, wie wenig förmlich mein Umgang mit ihrer Tochter war, wenn sie gerade nicht zugegen waren …

      Mister Pickersgill war ein angesehener Hochbauingenieur aus dem Nordosten mit einem Kurzzeitvertrag für den Bau eines Krankenhauses für Veteranen in Gainesville. Das Projekt sollte in sechs Monaten abgeschlossen sein. Danach würde Susan mit ihm und dem Rest der Familie nach Boston zurückkehren. Die Zeit arbeitete gegen uns, aber wir verliebten uns unsterb­lich inein­ander.

      Susan war Schülerin an der P. K. Young, einer privaten Highschool für die Kinder von Professoren und anderen höheren Berufsgruppen im Umfeld der Universität. Sie ging mit Judy in eine Klasse. Es dauerte nicht lange, da wurden wir ein festes Vierergespann, zwei Paare, die gemeinsam Konzerte besuchten und ihre Freizeit verbrachten. Bernie und ich setzten oft die Mäd­chen ab und rauchten dann auf der Rückbank seines Wagens auf dem Park­platz der Highschool noch ein wenig Gras. Ich hatte immer schreckliche Angst, einer meiner Lehrer würde herauskommen und uns in Bernies ver­rauchtem Ford Falcon erwischen. Noch mehr fürchtete ich, mein Vater könnte vielleicht vorbeifahren.

      Papa und ich kamen überhaupt nicht miteinander aus. Wir stritten uns beinahe jedes Mal, wenn wir uns sahen – meistens darüber, wie ich mein Leben gestaltete.

      „Wie lange willst du noch herumgammeln, Gitarre spielen und dich mit deinen Freunden zudröhnen?“, fragte er immer.

      „Solange es mir passt“, entgegnete ich dann und warf die Fliegengittertür wütend hinter mir zu. Musik war einst der Klebstoff gewesen, der uns beide zusammengehalten hatte, doch nun trieb sie uns auseinander.

      Immer wenn die Atmosphäre allzu spannungsgeladen wurde, stahl ich mich für ein paar Tage davon und kam bei Freunden unter – besonders bei Jim, dem DJ beim örtlichen Radiosender, der immer noch über dem Bestat­tungsinstitut wohnte.

      Wenn ich nach ein paar Tagen wieder nach Hause kam, versuchte ich, Papa aus dem Weg zu gehen. Als Jerry das Haus verlassen hatte, wurde es keinesfalls besser. Er und Marnie heirateten, als er einundzwanzig war und seinen Abschluss in Jura machte. In dem Zimmer, das wir so viele Jahre lang geteilt hatten, half ich ihm dabei, seine paar Sachen zu packen, und


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