Mein Leben mit den Eagles. Wendy Holden

Mein Leben mit den Eagles - Wendy Holden


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mir in der Küche zu. „Und die Gitarre, die dir Gene gegeben hat, kannst du auch gleich hierlassen.“

      „Ich lasse den Lieferwagen nicht hier, solange er noch auf meinen Namen eingetragen ist“, sagte ich hartnäckig und trat einen Schritt zurück. „Wenn ihr mit den Zahlungen nicht hinterherkommt, habe ich für den Rest meines Lebens eine schlechte Kreditbonität.“

      Zu meinem Entsetzen ging Chuck auf mich los, aber Mike hielt ihn zurück. „Hey, Mann, spiel hier nicht den Verrückten“, schrie er. „Das lässt sich alles regeln.“

      Mit weit mehr Groll, als nötig gewesen wäre, wurde der Wagen schließlich auf Andy Leo umgeschrieben, und ich durfte gehen. Ich packte meine Sachen und verließ dieses Haus, während der Rest der Band auf der Veranda stand und mir schweigend zusah. Wir waren übereingekommen, dass ich mit dem Wagen bis nach Boston fahren durfte, um meinen Kram zu transportieren. Chuck sollte mich quasi als Rückversicherung begleiten und ihn wieder zurückbringen. Als wir aus der gewundenen Kieseinfahrt hinausfuhren, blickte ich noch einmal zurück und wünschte, es wäre zu einem glücklicheren Ende gekommen.

      „Wo sind der ganze Frieden, die Liebe und die Fröhlichkeit geblieben?“, fragte ich Chuck.

      Er war viel zu high und zu wütend, um zu antworten.

      • • •

      Boston war eine ganz andere Welt. Susan und ich lebten glücklich zusam­men in ihrer kleinen Souterrainwohnung auf der Commonwealth Avenue, doch es fiel mir anfangs schwer, ohne eine Band, in der ich spielen konnte, wieder in einer Stadt zu sein. Es war 1970, das Jahr, in dem sich die Beatles trennten, und sosehr ich auch erleichtert war, dass sich das Kapitel Flow erle­digt hatte, so wurde ich doch das Gefühl nicht los, die Orientierung verloren zu haben. Ich nahm fast jeden Job an, der mit Musik zu tun hatte, nur um finanziell über die Runden zu kommen. Zum Dinner im Holiday Inn auf dem Harvard Square spielte ich sogar von sechs bis neun Uhr abends Filmmelodien auf einer Nylonsaitengitarre. Die meisten Songs, die man mich zu spielen bat, kannte ich nicht einmal. Irgendein Typ kam an und sagte: „Hey, heute ist unser Hochzeitstag. Kannst du das Lieblingslied meiner Frau spielen? Es ist ‚The Shadow Of Your Smile‘. Sie mag es unheimlich gern.“

      „Klar“, entgegnete ich dann mit einem dümmlichen Grinsen. „Nach der nächsten Pause.“

      Meine „Pause“ verbrachte ich dann in meiner „Garderobe“ (einer schäbi­gen Ecke der Hotelküche; direkt neben mir schälten sie die Kartoffeln), wo ich mich in ein Notenbuch mit Songs und Melodien vertiefte, die Akkorde lernte und sie übte. Wenn ich dann zwanzig Minuten später wieder herauskam, konnte ich die Nummer spielen, als ob ich sie im Schlaf beherrschte – und bekam meine fünf Dollar Trinkgeld.

      Es war mir schmerzlich bewusst, dass dies nicht gerade das war, was ich mir als Karriere vorgestellt hatte, und so versuchte ich, mit so vielen anderen Musikern wie möglich in Kontakt zu kommen. Boston war jedoch nicht gerade der Mittelpunkt des musikalischen Universums, und es gab nicht besonders viel zu tun. Dennoch lernte ich ein paar interessante Leute kennen. Einer davon war ein Engländer namens Peter Green, der kurz zuvor den größ­ten Teil seines Geldes weggegeben und die Band verlassen hatte, die ihn berühmt gemacht hatte – Fleetwood Mac. Ich traf ihn während einer Jam­session bei einem Gratiskonzert im Park. Wir kamen ins Gespräch, und ich erfuhr, dass er eben erst in der Stadt eingetroffen war und keinen Platz zum Schlafen hatte.

      „Du kannst eine Weile bei mir unterkommen, wenn du magst“, sagte ich zu ihm. Er hatte etwas in seinen Augen, das mich ihm vertrauen ließ. Er kam mit mir nach Hause und schlief ein paar Tage lang auf unserem Sofa. Wir spielten ziemlich viel zusammen – er war ein großartiger Bluesgitarrist. Er hatte einen breiten Cockney-Akzent und einen hintergründigen Humor. Wir entdeckten sogar eine gemeinsame Leidenschaft für B. B. King. Er nahm jedoch für meinen Geschmack zu viele bewusstseinsverändernde Substanzen, und dann war er eines Tages einfach verschwunden, sodass nichts aus unserer Zusammenarbeit wurde. Ich hörte später, dass er nun ganz auf dem religiösen Trip sei und den Rest seines Geldes für wohltätige Zwecke gespendet habe.

      Ich fand einen Job für fünfzig Dollar die Woche in einem preiswerten Tonstudio namens Triple A. Meine Aufgabe war es, die Sessionmusiker für die Aufnahmen zu buchen, darunter viele Studenten des Berklee College of Music. Einer von ihnen war Abraham „Abe“ Laboriel, der seitdem zu einem der gefragtesten Studiobassisten im Jazz und Pop geworden ist. Wenn er zu spielen begann, spitzten alle die Ohren. Abe und ich wurden Freunde, und ich buchte ihn, so oft ich konnte.

      Joe, der Eigentümer, betrieb das Studio wie ein Uhrwerk. Er war ein Meister der Überredungskunst, wenn es darum ging, Leuten weiszumachen, dass ihnen eine Karriere als Sänger bevorstünde – selbst wenn er wusste, dass sogar ein Hund besser sang. Er schaltete Anzeigen in Zeitungen, in denen er nach neuen Talenten suchte. Darauf meldeten sich alle möglichen Leute, von der gelangweilten Hausfrau bis zum Stadtbusfahrer. Er überzeugte sie alle­samt davon, dass sie die neue Streisand oder der neue Sinatra seien und es ihre beste Chance auf Erfolg sei, ein Soloalbum bei ihm aufzunehmen. Wenn sie das Studio verließen, schwebten sie förmlich auf dem Traum, dass er sie zu Stars machen würde.

      Abends und am Wochenende hatte ich noch zwei weitere Jobs in zwei anderen Studios, wo ich Werbejingles für Autohäuser und Fabrik-Outlets schrieb. Ich spielte Gitarre und dazu ein bisschen Klavier und Schlagzeug, dann erfand ein Jinglesänger einen Text zu meiner Aufnahme. Eines der Stu­dios hieß Ace. Der Sohn des Eigentümers, ein Jugendlicher namens Shelly Yakus, kam oft vorbei und fegte zusammen, rollte die Kabel auf und sah mir bei der Arbeit zu. Heute ist er einer der besten Tontechniker im Musikgeschäft, der Platten mit Größen wie Bruce Springsteen und U2 macht. Jahre später liefen wir einander über den Weg, und wir erkannten uns sofort.

      Ich arbeitete Tag und Nacht, verdiente aber praktisch kein Geld. Den gan­zen Tag lang arbeitete ich bei den Sessions und spielte dann noch von neun bis zwei in einem Club Rhythm and Blues. Es war ein elendes Leben, nicht zuletzt deshalb, weil ich nie Zeit für Susan hatte. Ich begann mich ernsthaft zu fragen, ob ich nicht meinen ersten Job als Musiklehrer wieder aufnehmen oder sogar etwas vollkommen anderes machen sollte. Ich weiß auch nicht, wie ich auf die Idee kam – vielleicht durch das schwierige Verhältnis zu meinem Vater –, aber ich begann, Abendkurse in Kinderpsychologie an der Universität von Boston zu besuchen. Es war nicht leicht, wieder die Schulbank zu drücken, aber mein Bruder Jerry – zu dem ich wenig oder gar keinen Kontakt hatte – erfuhr von meiner Mutter, was ich machte, und schickte mir aus heiterem Himmel einen Scheck über fünfhundert Dollar.

      „Ich dachte, du könntest das gut gebrauchen, um dich die nächsten paar Monate über Wasser zu halten“, schrieb er. „Ich weiß, wie schwer man es als Student manchmal hat.“ Diese Geste der Zuneigung werde ich nie vergessen. Ich rief ihn an, dankte ihm aus tiefstem Herzen und versprach, ihm das Geld eines Tages zurückzuzahlen. (Viele Jahre später tat ich das tatsächlich und berechnete sogar die Zinsen, die er für das Geld, das er mir geliehen hatte, bekommen hätte, doch er sendete mir den Scheck mit der Notiz zurück, er sei stolz darauf, in meine Karriere investiert zu haben.)

      Hin und wieder kam Bernie in die Stadt, und ich freute mich stets, ihn zu sehen. Er hatte eine Weile in Linda Ronstadts Begleitband gespielt, doch der entscheidende Wendepunkt in seiner Karriere kam erst, als er sich einer Gruppe namens The Flying Burrito Brothers anschloss, die von Gram Parsons geleitet wurde. Sie hatten bereits ein erfolgreiches Album eingespielt und waren nun im Rahmen einer bundesweiten Tournee unterwegs an der Ostküste. Susan und ich gingen zu ihrem Konzert. Sie waren großartig.

      „Du musst hier raus, Mann“, sagte Bernie nach dem Konzert zu mir auf dem Rückweg zu seinem Hotel. „Du hast was Besseres verdient, als Autojingles zu schreiben. Du bist ein klasse Gitarrist, Don. Du musst in den Westen gehen.“ Susans Gesicht sagte mir alles, was ich wissen musste. Sie stammte aus Boston, sie war gern in der Nähe ihrer Familie, und wenn ich weiterhin mit ihr zusam­menbleiben wollte, dann musste ich eben in Boston bleiben.

      „Ich habe eine tolle kleine Doppelhaushälfte in Hingham gefunden, Schatz“, erzählte sie mir an einem Winterabend im Januar 1971. „Es liegt ganz in der Nähe von dem Haus, wo ich aufgewachsen bin.“

      „Weiß nicht“,


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