Mein Leben mit den Eagles. Wendy Holden

Mein Leben mit den Eagles - Wendy Holden


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sah zu mir auf und blickte mich mit ihren großen blauen Augen an. Ich konnte nicht widerstehen. „Okay“, stimmte ich zu. „Wenn du unbedingt willst.“

      Susans Mutter, die mich immer gemocht hatte und stets freundlich zu mir gewesen war, fand plötzlich, dass dies nun einen Schritt zu weit ging. Hingham war ein schmucker Vorort von Boston fünfundzwanzig Kilometer weiter süd­lich an der Küste – und, was noch wichtiger war, sie lebte immer noch dort.

      „Du ziehst mir nicht wieder zurück in deine Heimatstadt, um hier in Sünde zu leben!“, sagte sie entsetzt zu Susan, als wir ihr die Nachricht über­brachten. „Entweder du heiratest und lebst ein anständiges Leben, oder du kannst dir einen anderen Platz zum Leben suchen.“

      Wir hatten die Doppelhaushälfte bereits besichtigt und zugesagt, sie zu nehmen. Außerdem hatten wir unsere alte Wohnung gekündigt. Draußen war es bitterkalt, es schneite, und ich wusste, dass es unwahrscheinlich war, dass wir für unser Budget zu dieser Jahreszeit etwas vergleichbar Hübsches finden würden.

      Ich sagte nichts, borgte mir fünf Dollar von Susan und ging in ein Juwe­liergeschäft in der Nähe von Harvard. Als sie später am Abend von der Arbeit nach Hause kam, zog ich einen Verlobungsring aus der Tasche und platzte heraus: „Willst du mich heiraten?“

      „Ja, natürlich will ich, du Dussel“, war ihre lachende Antwort. Es war sehr unromantisch und so ganz und gar nicht, was sie oder ich uns vorgestellt hatten. Ich hatte das Gefühl, dass wir es nur ihrer Mutter zuliebe taten. Bis zum heutigen Tag bin ich mir nicht sicher, ob Susan und Mistress Pickersgill das Ganze nicht gemeinsam ausgeheckt hatten, um mich dazu zu bewegen, Nägel mit Köpfen zu machen. Wie auch immer, es funktionierte, und ich habe es nie bereut.

      Die Hochzeit wurde für den 23. April 1971 festgelegt. Meine Eltern, die ich nicht gesehen hatte, seit ich von zu Hause weggegangen war, wollten gemein­sam mit meinem Bruder Jerry von Gainesville herfahren. Ich hatte Jerry gebe­ten, mein Trauzeuge zu sein. Außer ihnen würde auf meiner Seite der Kirche sonst wohl niemand sitzen – Bernie konnte nicht kommen, weil er auf Tournee war, und die meisten meiner alten Freunde aus Gainesville hatte ich aus den Augen verloren. Susan hingegen hatte an die einhundert Gäste eingeladen.

      Mein Vater hielt vor unserem Apartment. Er fuhr einen weißen, viertüri­gen Oldsmobile, für den er den grünen Pontiac in Zahlung gegeben hatte. Ich stand da, mit schulterlangem Haar, Koteletten und einem Schnurrbart, und fühlte mich wie ein unartiges Kind, als er mir auf dem Bürgersteig entgegen­kam, um mich zu begrüßen. Genau in diesem Augenblick kreuzten zwei der freizügigsten Homosexuellen, die ich je gesehen hatte, unseren Weg. Einer trug rote Hotpants und hochhackige Schuhe und hatte den Arm um die Hüfte des anderen gelegt. Ich hatte sie noch nie in meinem Leben gesehen. Meinem Vater fiel die Kinnlade fast bis auf den Asphalt.

      Ich begann zu sprechen: „Willkommen in Boston, Papa … Papa?“ Ich konnte sehen, dass ihm der Kopf schwirrte. All seine schlimmsten Albträume wurden wahr. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er es vorzog, nichts zu sagen – wenn es mir auch nicht entging, dass er meine ausgestreckte Hand nicht ergriff.

      Wir führten sie in unsere kleine Wohnung mit dem Bett in der Ecke, einem wackeligen Tisch und zwei Stühlen in dem kleinen Erkerfenster, einer schäbigen Couch, einer kleinen Küchenzeile und einem winzigen Badezim­mer. Susan setzte eine Kanne Kaffee auf. Mama gab genau die richtigen Töne von sich und zeigte sich ganz begeistert von der Hochzeit und der Tatsache, dass sie Susan und ihrer Mutter bei den Vorbereitungen helfen konnte. Papa war nicht feindselig, nur gleichgültig, und natürlich sprachen wir nie darüber, was sich ereignet hatte, als wir einander das letzte Mal gesehen hatten.

      „Verdienst du genug?“, fragte er und sah sich in unserer Wohnung um, als wäre ihm ein unangenehmer Geruch in die Nase gestiegen.

      „Ja“, entgegnete ich unsicher.

      „Gut.“

      Er schien sich auf seine eigene Art und Weise für mich zu freuen, aber ich konnte spüren, dass er meinen Lebensstil immer noch missbilligte, obwohl er meine Beziehung mit Susan und die Hochzeit von ganzem Herzen guthieß.

      Die Hochzeit sollte in einer historischen Kirche nördlich von Boston statt­finden. Susans Mutter wollte, dass wir dort heirateten. Meine Eltern stiegen in einem billigen Hotel irgendwo in der Nähe ab. Susan wollte das einhundert Jahre alte Hochzeitsgewand ihrer Großmutter tragen, das auch ihre Mutter getragen hatte. Ihre Kombination wurde von einem großen weißen Hut mit Spitzen gekrönt. Da ich keinen Anzug besaß und Jeans und T-Shirt offensicht­lich nicht gestattet waren, zerrten mich Jerry und Susans Bruder Bill in ein preisgünstiges Geschäft, wo man mir einen grauen Nadelstreifenzweireiher und ein Paar anständige Schuhe verpasste. Beides zog ich nie wieder an.

      Bei der Zeremonie selbst war ich weit weniger nervös. Es gelang uns sogar, unsere eigenen Gelübde zu sprechen – wir dachten, das wäre ziemlich cool. Der Empfang fand in einem nahe gelegenen Freizeitheim statt. Eine halbwegs passable Highschoolband schrammelte in der Ecke. „Spielt bitte nicht ‚Louie Louie‘“, wies ich sie an. Den Song zu hören, den ich in Daytona Beach hundert­mal gespielt hatte, wäre einfach zu bedrückend gewesen. Die Frauen der Fami­lie Pickersgill machten das ganze Essen und den Hochzeitskuchen. Wie es das Zeremoniell verlangte, schnitten wir ihn an, bevor wir in unserem Wagen flüchteten. Es war ein rostiger weißer Volvo, Baujahr 1965, mit einhundert­neunzigtausend Kilometern auf dem Tacho. Susans Schwager Bobby hatte ihn mit Rasierschaum verziert und an der hinteren Stoßstange Blechdosen und Papierschlangen befestigt.

      Kurz bevor ich abfuhr, schüttelte mir Papa die Hand. „Nun, du hast jetzt eine Verantwortung, Don“, sagte er streng. „Sieh zu, dass du ihr auch nach­kommst.“ Mama weinte, als wir einander zum Abschied umarmten, und rang mir das Versprechen ab, sie zu besuchen. Jerry wünschte mir alles Gute, und ich dankte ihnen für ihr Kommen.

      Wir fuhren zurück in unser neues Zuhause in Hingham, und ich trug Susan über die Schwelle. „Wo ist die Heiratsurkunde?“, fragte ich sie, sobald wir drin waren.

      „Warum?“, fragte sie. Sie öffnete ihre Handtasche und gab sie mir.

      Bevor sie etwas sagen konnte, nahm ich einen Hammer und einen Nagel aus meiner Werkzeugkiste und nagelte die verdammte Urkunde an die Schlaf­zimmertür, damit uns niemand mehr dumme Fragen stellen konnte.

      „Jetzt ist es offiziell“, sagte ich zu ihr. „Wir sind jetzt angesehen genug, um hier zu leben.“

      Im Alter von dreiundzwanzig Jahren war ich ein Ehemann. Die Verant­wortung schien erdrückend.

      Wir hatten nicht viel Geld, aber wir waren jung, verliebt und lebten in einer Doppelhaushälfte neben einem Friedhof. Das Leben schien plötzlich süß. Aus dem örtlichen Tierheim retteten wir eine weiße Schäferhundmischung mit großen Schlappohren. Wir nannten ihn Kilo, nach einem Kilo Gras. Er bewachte tagsüber die Wohnung, wenn wir bei der Arbeit waren, und leistete Susan Gesellschaft, wenn ich abends in den Clubs spielte.

      Es machte Susan nichts aus, dass sie die Haupternährerin war und ein regelmäßiges Einkommen nach Hause brachte, während ich mich in der Stadt herumschlug, Sessionjobs machte und auf der Suche nach mehr Beschäftigungsmöglichkeiten die Studios abklapperte. Da mir Bernies erstaunliche Viel­seitigkeit immer noch im Kopf rumging, versuchte ich lau­fend, meine musikalischen Fähigkeiten weiter zu verbessern, um meinen Marktwert zu steigern. Ich nutzte das Equipment, das mir zur Verfügung stand, und brachte mir selbst die Grundlagen des Schlagzeug-, Keyboard- und Bassgitarrespiels bei. Außerdem lernte ich, wie man Bänder abmischt und Overdubs aufnimmt. Meinen Job tagsüber konnte ich zwar nicht auf­geben und dafür eines meiner neuen Instrumente spielen, aber ich kam zurecht. Ich wünschte mir nur, dass ich mit meinen neuen Fähigkeiten etwas Sinnvolles anfangen könnte.

      „Du bist ein Musiker, Don“, sagte Susan nüchtern zu mir, wenn ich spät und müde von einem Club zurückkam und sie mir Kaffee machte. „Was willst du denn sonst tun?“

      Trotz meines immensen privaten Glücks litt ich unter dem Gefühl, dass der Zug irgendwie abgefahren war. Dieses Gefühl wurde noch verstärkt, als John Winter, der ehemalige Keyboarder und Saxofonist von Flow,


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