Keine Cupcakes für Bad Boys. Isabella Lovegood
»Eigentlich dachte ich, aus dem Alter sind wir heraußen, etwas vorzutäuschen, das wir nicht sind.«
Oliver sah seinen Freund nachdenklich an. »Da hast du nicht unrecht. Aber wenigstens ins Fitnessstudio können wir mal gehen. Das hatte ich doch eigentlich schon viel länger vor.«
Mario nickte erleichtert. »Ja, da bin ich dabei. Ein paar Muckis mehr und eine bessere Kondition hätten uns gestern nicht geschadet, als wir uns mit der Waschmaschine abgeplagt haben. Das Tattoo wäre auch verhandelbar. Kommt darauf an, ob wir ein Studio finden, dem ich vertraue. Und auf das Motiv natürlich. Keinen Totenkopf, das passt nicht zu meinem Job.«
Sein Freund grinste. »Stimmt. Als zukünftiger Arzt solltest du doch etwas Lebensbejahendes zeigen. Ein Kleeblatt, Blümchen oder Schmetterlinge.«
»Drachen sind auch Glückssymbole und wesentlich cooler«, überlegte der Medizinstudent. »Das passt ja für einen Banker ebenso. Oder Dagobert Duck, wie er in den Goldstücken badet.«
»Sehr cool, wirklich«, ätzte Oliver, musste aber bei der Vorstellung lachen, sich den Enterich auf den Oberarm tätowieren zu lassen.
»Heute habe ich wieder unsere neue Nachbarin im Treppenhaus getroffen. Ihre blonde Freundin war auch dabei«, wechselte Mario abrupt das Thema. »Die beiden haben ganz süß gelächelt, als ich sie grüßte.«
»Mit freundlich grüßen ist es ab jetzt auch vorbei. Bad Boys sind nicht nett, vergiss das nicht.«
Marios Miene verriet, dass er die Idee schon nicht mehr so toll fand. Oliver legte ihm versöhnlich die Hand auf die Schulter. »Du musst ja nichts machen, was du nicht willst. Ich habe ja selbst keine Ahnung, ob ich das hinbekomme. Aber Schritt für Schritt zum neuen Selbst, okay?« Er hielt ihm die Faust hin und Mario stieß mit seiner dagegen, dann schüttelte er den Kopf.
»Ich sag dir was, das mit dem Bad Boy-Image wird eine harte Nuss. Müsstest du nicht eher drohen, mich zusammenzuschlagen, wenn ich nicht mitmache?«
»So ein Quatsch! Wir zwei müssen doch zusammenhalten! Komm, setzen wir uns auf den Balkon und bechern uns mit dem italienischen Rotwein voll, den ich letztens gekauft habe.«
»Einverstanden.«
Als sie mit den eleganten Gläsern und der Flasche hinaustraten, bereute es Oliver sofort. Am Nachbarbalkon saßen die zwei Mädels, von denen Mario gesprochen hatte. Augenblicklich versuchte er, eine möglichst arrogante Miene aufzusetzen, nickte kühl hinüber und drehte ihnen dann den Rücken zu. Trotzdem hatte ein Blick auf die Brünette gereicht, um ihm Herzklopfen zu verursachen. Sie war genau sein Typ, sofern er überhaupt einen hatte: Die Haare trug sie lang und mit einem Pony und auf ihrer süßen Stupsnase prangten Sommersprossen, so viel hatte er erkennen können. Mario setzte sich ihm gegenüber und wandte den Frauen dadurch das Gesicht zu. Er lächelte und prostete ihnen zu. Olivers Laune wurde schlagartig noch schlechter. Was für eine bescheuerte Idee hatte er da gehabt! Viel lieber würde er sich mit seinen Nachbarinnen unterhalten. Sie schienen nett zu sein, nach den leisen Gesprächsfetzen zu schließen, die er auffing. Ein melodiöses Lachen erklang und er fragte sich, welche von den beiden es ausgestoßen hatte. Er stürzte den Wein in seine Kehle, was bei dem edlen Tropfen eigentlich eine absolute Verschwendung war und in Anbetracht seines ansonsten leeren Magens auch keine allzu gute Idee. Anja fiel ihm wieder ein. Im Grunde hatte es mit ihnen ohnehin nicht gepasst und in letzter Zeit nur noch genervt. Er merkte verwundert, dass es ihn eigentlich erleichterte, dass es vorbei war. Doch die Art, wie sie ihn abserviert hatte, und dass sie sich ausgerechnet mit seinem Halbbruder eingelassen hatte, der ihn von Kindheit an nur getriezt hatte, machte ihn wütend. Warum passierte ausgerechnet ihm so etwas immer? Das musste ein Ende haben!
»Das ist doch alles Scheiße«, zischte er seinem Freund zu. »Höchste Zeit, dass wir was ändern!«
Mario nickte beruhigend. »Das haben wir ja vorhin schon beschlossen. Hast du ein bestimmtes Fitnessstudio im Auge? Da war doch letztens ein Werbeflyer in der Post ... Ein Freunde-Abo zum halben Preis oder so. Ich schau mal, ob ich den noch finde!«
Während er im Wohnzimmer den Zeitungsstapel durchsuchte, goss Oliver die Gläser erneut voll, obwohl er jetzt schon wusste, dass er es bereuen würde. Mit schwerem Kopf überlegte er, was sie noch an Essbarem im Kühlschrank hatten. Der Räucherspeck fiel ihm ein, den ihnen die freundliche alte Dame aus dem vierten Stock als Dankeschön für ihre Hilfe mitgegeben hatte.
»Hast du auch Appetit auf Speck und Zwiebel?«, fragte er Mario, als der mit dem Flyer winkend zurückkehrte.
»Hey, ja, gute Idee. Mir steigt der Wein ohnehin schon in die Birne. Bring alles raus, wir schneiden es hier auf.«
Oliver lief das Wasser im Mund zusammen, als er eine Zwiebel schälte und mit Speck und Brot auf einem großen Brett hinaustrug.
»Es hat seine Vorteile, Single zu sein«, stellte er grinsend fest, als er sich wenig später die Zwiebelringe auf sein Speckbrot häufte.
Mario hob zustimmend den Daumen. »Genau! Niemand da, der meckert, wenn man aus dem Mund riecht.« Mit Genuss nahm auch er einen kräftigen Bissen.
Kapitel 3
Auf dem Nachbarbalkon hob Sonja schnuppernd die Nase. »Mensch, das riecht aber lecker«, flüsterte sie ihrer Freundin zu. »Da bekomme ich auch gleich Hunger.«
Carolin lachte. »Sag bloß, du willst auch Speck mit Zwiebeln essen.«
»Warum nicht? Du weißt genau, dass es bei uns nicht nur Kaviar und Champagner gibt!« Sonja mochte weder das eine noch das andere, auch wenn es hin und wieder auf Empfängen, die ihre Eltern gaben, gereicht wurde.
»Ja, klar. Ich hab noch Räucherspeck und Jausenwürstel von meinem Onkel Roman. Du weißt schon, der mit dem Bauernhof.«
»Oh, super! Gibt es vielleicht auch ein Bier dazu?«
Wieder musste Carolin lachen. »Ich hab mich extra für dich damit eingedeckt.«
Wenig später saßen auch die Mädels bei ihrem rustikalen Abendessen. »Wenn man dich so sieht, zartes Elfchen, das du bist, würde man nie vermuten, dass du Bier, Speck und Pizza liebst.«
»Urteile nie nach dem Äußeren«, stellte Sonja vergnügt und mit vollem Mund fest. »Ich bin sehr froh, dass du trotz deines Jobs nicht zur Veganerin geworden bist. Dann wäre das Schlemmen mit dir nur noch halb so lustig.«
»Deshalb achte ich wenigstens darauf, dass ich viele Lebensmittel direkt von vertrauenswürdigen Bauern kaufen kann. Wenn schon Fleisch essen, dann von Tieren, die artgerecht gehalten und human geschlachtet wurden.« Carolin fiel auf, dass der junge Mann vom Nebenbalkon ihrem Gespräch offenbar interessiert lauschte. Die Abendsonne brachte sein rötliches Haar zum Leuchten. Sie sandte ihm ein leichtes Lächeln, bevor sie sich wieder ihrer Freundin zuwandte. »Was war denn noch mit Chris? Hat Tom was gesagt?« Sie hatte ihn den restlichen Abend nicht mehr zu Gesicht bekommen.
»Er hat ihn rausgeschmissen, als er sich an das nächste Mädchen herangemacht hat. Obwohl Emmi gar nicht abgeneigt war.« Sonja zog die Augenbrauen vielsagend hoch. »Sie ist mit ihm abgehauen. Bin gespannt, wie lange es dauert, bis sie kommt, um sich bei mir auszuheulen.«
Carolin schüttelte den Kopf. »So ein Arsch. Aber solange er damit Erfolg hat, wird er sich nicht ändern.«
»Wozu auch? Er kriegt ja, was er will.«
»Wann kommen deine Eltern wieder?«, erkundigte sich Caro dann.
»In drei Tagen. Bis dahin müssen die letzten Spuren beseitigt sein. Tom hat versprochen, sich um den Teppich im Wohnzimmer zu kümmern, der einige Flecken abbekommen hat. Da wird er wohl eine Spezialreinigung beauftragen müssen. Mama kriegt die Krise, wenn nicht alles picobello ist.«
»Dabei putzt sie ohnehin nicht selbst«, rutschte es Carolin heraus. Der Lebensstil in Sonjas Elternhaus war ihr noch immer suspekt, obwohl sie bereits seit vier Jahren eng befreundet waren.
»Stimmt. Aber sie ist extrem pingelig.