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      »Weißt du eigentlich, dass ich dich um deine Freiheit beneide?« Die Blondine wischte sich mangels einer Serviette die Finger an einem Blatt Küchenrolle ab und lehnte sich zurück. »Du kannst tun und lassen, was du willst. Ich muss daheim nach Mamas Pfeife tanzen und im Job hat Papa das Sagen.«

      »Dafür hast du keine Geldsorgen.«

      Im selben Moment fiel Carolin ein, dass sie noch Wäsche waschen musste. Für die Anschaffung einer eigenen Waschmaschine hatte das Geld noch nicht gereicht, also ging sie mit ihrer Schmutzwäsche zu ihrer Oma.

      »Sag doch, wenn du was brauchst. Ich geb es dir gerne, das weißt du! Geborgt, geschenkt, was auch immer.«

      Carolin nickte, aber sie war sicher, bevor sie Geld von ihrer Freundin annähme, müsste sie schon gewaltig in der Klemme sitzen. Das Monatsende nahte und dann kam auch wieder Geld auf ihr Konto.

      »In knapp zwei Monaten geht meine Kollegin in Mutterschutz. Dann kann ich ihre Stunden übernehmen und habe endlich meine Vollanstellung.«

      »So bald ist das schon? Sehr gut! Machst du das Hunde-Sitting zusätzlich weiter?«

      »Wenn es sich zeitlich vereinbaren lässt, dann schon. Die Besitzer verlassen sich ja auf mich. Ich muss eben in der Mittagspause mit den Wuffis spazieren gehen.«

      Sonja schüttelte leicht den Kopf und griff dann nach ihrer Bierflasche. »Oh, schon leer.«

      »Willst du noch eines?«

      »Nein, danke, sonst werde ich noch wegen Trunkenheit auf dem Fahrrad aufgehalten«, wehrte sie lachend ab. »Wie gut, dass Mama nicht da ist. Wenn sie gesehen hätte, dass ich mich in dieser alten Jeans auf das Rad geschwungen habe! Ginge es nach ihr, dürfte ich nur top gestylt und aufgemöbelt aus dem Haus und mit meinem Smart herumdüsen. Da fällt mir ein, ich muss dann ohnehin los. Ich hab noch einen Termin.«

      »Bei deiner Nagelfee?«, fragte Caro zwinkernd. Sonja nickte. Es war ihr angesichts der chronischen Geldnot ihrer Freundin beinahe peinlich, aber auch wenn sie es genoss, in normalen, bequemen Klamotten herumzulaufen, auf ihre Fingernägel legte sie Wert. Sie liebte diese kleinen Kunstwerke einfach, die sie nachher gleich darauf gezaubert bekam.

      Eine Viertelstunde später klingelte Carolin an der Wohnungstür ihrer Großmutter. Den Korb mit der Schmutzwäsche hielt sie mit einer Hand gegen ihre Hüfte gepresst. Ein Schwall warmer, mit Kuchenduft gesättigter Luft kam ihr entgegen, als geöffnet wurde.

      »Spät bist du dran«, wurde sie begrüßt. »Aber besser spät als nie. Ich dachte schon, du kommst nicht mehr und habe meinen Kaffee alleine getrunken.«

      »Entschuldige bitte, Omi, ich hatte Besuch.«

      »Herrenbesuch?«, fragte Gertrud zwinkernd.

      »Nein, Sonja war da. Sollte ich endlich mal einen netten Mann kennenlernen, erfährst du es als Erste«, versprach ihr Caro lachend. Sie hatte zu ihrer Oma ein sehr inniges Verhältnis und als zufällig im selben Haus eine Wohnung freigeworden war, hatte sie sofort zugegriffen, obwohl sie sich derzeit die Miete eigentlich gar nicht leisten konnte. So eine Gelegenheit kam so schnell nicht wieder.

      »Aber ein Stück Marmorkuchen isst du schon noch, oder?«

      »Sehr gerne! Aber zuerst stopfe ich die Maschine voll. Zeigst du mir noch schnell, wie das neue Wunderding funktioniert?«

      Als die beiden Frauen wenig später gemeinsam den Kuchen aßen, stellte Carolin fest: »Als deine alte Waschmaschine den Geist aufgab, hatte ich schon leichte Panik, aber die Neue ist ein Hit. Dieses Sportschuhprogramm muss ich demnächst ausprobieren!«

      »Ja, und sie schleudert so leise, da kann ich auch in der Nacht waschen, ohne dass alle rundherum wach werden. Ich habe dir noch gar nicht erzählt, was das für ein Theater war, als sie geliefert wurde!«

      Caro blickte erstaunt hoch. »Warum? Was war denn los?« Sie hatte ihrer Oma geholfen, das Gerät online zu bestellen und den Lieferservice dazu gebucht. War da etwas schief gelaufen?

      »Die Spedition hat die Waschmaschine auf dem Gehsteig abgestellt. Für den Zusteller war es damit erledigt und er war auch gegen extra Trinkgeld nicht dazu zu bewegen, sie heraufzubringen. Alleine hätte er es wohl auch gar nicht geschafft.«

      »Na, das ist ja ein Ding! Das können die doch nicht machen! Wenn man sich etwas liefern lässt, geht man doch davon aus, dass es bis in die Wohnung gebracht wird.«

      Gertrud nickte. »Sollte man meinen.«

      »Und was hast du dann gemacht?«

      »Zwei junge Männer kamen gerade. Sie wohnen bei uns im Haus, sogar in deinem Stockwerk, wenn ich mich nicht irre. Sie haben mir die Waschmaschine heraufgebracht und sogar gleich angeschlossen. Sie wollten nicht einmal Geld dafür nehmen. Aber dem Selchspeck von Roman und einem halben Kuchen konnten sie doch nicht widerstehen. Gut Essen hält Leib und Seele zusammen, das wissen die eben auch.« Sie lachte. »So freundliche, hilfsbereite Jungs. Kennst du die beiden? Einer ist rothaarig und trägt Vollbart, der andere hat dunkle, lockige Haare.«

      Caro nickte. Die Beschreibung passte. »Das sind meine direkten Nachbarn. Der bärtige Pumuckl scheint nett zu sein, den anderen habe ich bisher nur einmal kurz im Treppenhaus gesehen.«

      »Tsstss, Pumuckl. Sag ihm das bloß nicht ins Gesicht. Findest du das nicht unfair? Rothaarigen Frauen wird nachgesagt, sie seien besonders temperamentvoll, aber Männer haben es schwer. Zu einem Freund von mir haben’s immer Karottenkopf gesagt, als wir noch in der Schule waren. Später wurde er ein erfolgreicher Unternehmer und alle haben vor ihm gebuckelt und sind ihm in den Allerwertesten gekrochen.«

      Carolin war bei der leisen Rüge ein wenig rot geworden. »Du hast ja recht und zu ihm würde ich das niemals sagen. Außerdem liebe ich den Pumuckl, seit du mir von ihm vorgelesen hast.«

      »Ich weiß schon, du bist ja auch eine Liebe. Ich bin ohnehin nicht sicher, ob die beiden nicht ... na, du weißt schon.«

      »Was denn? Denkst du, die beiden sind schwul?«, sprach Caro den Verdacht aus. Gertrud zuckte mit den Schultern.

      »Mir ist das ganz egal. Aber wenn nicht, könntest du dir einen der beiden krallen. Sie scheinen wirklich nett zu sein!«

      Carolin schüttelte den Kopf. »Was für Gedanken du dir machst. Oder bist du schon so erpicht darauf, Uromi zu werden?«

      »Zeit hätte ich ja, auf das Kleine zu schauen. Und fit genug bin ich auch noch. Also, warum nicht?«

      »Da mach dir mal nicht zu viele Hoffnungen. Die meisten Männer, die ich kennenlerne, sind Idioten. Außer meinem Tierarzt, aber der ist ja leider vergeben.«

      Dr. med. vet. Matthias Wasner, ihr sechsunddreißigjähriger Arbeitgeber, war nicht nur mit einem feinfühligen Wesen und bestechender Intelligenz ausgestattet, er sah auch noch verboten gut aus. Anfangs hatte Carolin mit heftiger Verliebtheit gekämpft, doch mittlerweile hatte sie sich gut im Griff.

      »Du findest schon noch den Richtigen. Gut Ding braucht Weile«, tröstete Oma Gertrud sie mit einem ihrer allgegenwärtigen Sprichwörter.

      Später, als Carolin in ihrem Bett lag, fragte sie sich, ob ihre Großmutter recht haben könnte. Waren ihre Nachbarn tatsächlich homosexuell, oder einfach nur gute Kumpels? Eigentlich eine Schande, dass sie sich noch nicht einmal einander vorgestellt hatten. Allerdings wohnte sie ja auch erst seit etwa zwei Wochen hier. Sie war froh gewesen, dass die Wohnung möbliert vermietet wurde, auch wenn die Einrichtung nicht so ganz ihr Stil war. Die neue Matratze war die einzige größere Anschaffung gewesen. Das Bettzeug hatte sie von daheim mitgenommen und zusammen mit ihren persönlichen Sachen hatten sie für ihren Umzug in die erste eigene Wohnung nur zwei Fahrten gebraucht. Der Freund ihrer Mutter war sehr eifrig gewesen, als er seinen Kombi mit ihren Sachen beladen hatte. Es war unverkennbar, dass er es kaum erwarten konnte, sie loszuwerden. Obwohl sie bereits fünfundzwanzig war, hatte sie ein wenig das Gefühl, aus dem Nest gedrängt worden zu sein. Umso mehr freute sie sich, dass sie dafür nun ihre Oma in der Nähe hatte. Umgekehrt würde sie auch für sie da sein, wenn sie mal Hilfe brauchte,


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