Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane. Alfred Bekker

Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane - Alfred Bekker


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      Die Maschinenpistole ratterte. Ede Gerighauser hob die Hände. Die Schüsse zischten über ihn hinweg und stanzten Löcher in die Wand. Ein Muster, das Ähnlichkeit mit einer Sinuskurve hatte.

      Der MPi-Schütze riss das Magazin aus der zierlichen Waffe vom israelischen Typ Uzi heraus, warf es zur Seite und steckte ein neues hinein.

      Ede Gerighauser zitterte vor Angst. Er musste die Kiefer fest aufeinander pressen, um nicht mit den Zähnen zu klappern, so schlimm war es.

      Der Puls schlug ihm bis zum Hals. Kalter Angstschweiß perlte ihm über die Stirn.

      Der MPi-Schütze stellte sich breitbeinig auf.

      Er trug eine Military-Hose und eine Lederjacke. Darunter ein T-Shirt mit V-förmigen Ausschnitt.

      Unterhalb des Halsansatzes war eine Tätowierung zu sehen. Drei ineinander greifende Ringe.

      Der Kerl trat näher. Die kurze Mündung der Uzi war auf Ede Gerighauser’ Kopf gerichtet.

      „Schrei ruhig. Hier wird dich niemand hören, Ede! Die Polizei traut sich in dieses Viertel ohnehin nur in Mannschaftsstärke – und hier hat sie schon gar nichts zu suchen.“

      Der MPi-Schütze lachte rau.

      Ede Gerighauser war nur zu gut bewusst, wie Recht sein Gegenüber hatte.

      Man hatte ihn auf eine abgelegene Industriebrache gebracht. Dieses Lagerhaus rottete seit Jahren vor sich hin. Der Untergrund war mit Giftmüll verseucht, die Firma war Bankrott gegangen und jetzt stritt man sich vor Gerichten darüber, wer für die Schäden aufzukommen hatte. Ein Ort, an dem man wahrscheinlich sogar seine Leiche erst nach Wochen finden würde.

      Wenn überhaupt.

      Der MPi-Schütze beugte sich zu Gerighauser herab.

      „Wie nennt man mich, Ede?“

      „Den King.“

      „Den King, richtig. – und seinen König verrät man doch nicht oder?“

      „Ich habe es nicht freiwillig getan!“

      „Du hast es getan! Und das ist das Einzige, was zählt.“

      „Erschieß mich nicht!“

      „Deinetwegen sitzt mein Bruder im Knast!“

      „Bitte! Ich tu alles, was du willst, King!“

      Der Mann, der sich >King< nennen ließ, lachte zynisch. „Keine Sorge, Ede. Ich werde dich noch nicht erschießen. So einen Wurm wie dich, der sich vor Angst in die Hosen macht und innerlich ohnehin schon tot ist, weil er sich dauernd an seinem eigenen Stoff vergreift! Du bist ein Stück Dreck, Ede! Aber das ist dir nicht klar. Keine Sorge, ich werde dir das schon richtig beibringen.“ >King< wandte sich um und brüllte: „Wo ist die Schlampe?“

      Schritte waren zu hören.

      Zwei maskierte Männer brachten eine junge Frau in den Raum. Ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt, die Augen verbunden.

      „Maria!“, stieß Ede hervor. „Was habt ihr mit meiner Schwester vor?“

      Der King stieß sie vorwärts. Sie taumelte Ede entgegen. Die Uzi knatterte los. Der King hielt die Waffe hoch, sodass Schultern und Kopf der jungen Frau getroffen wurden. Ihr Körper zuckte unter den Treffern. Sie fiel Ede Gerighauser entgegen und landete direkt auf ihm. Sie lebte schon nicht mehr. Überall war Blut. Ede Gerighauser war vollkommen damit besudelt. Völlig fassungslos nahm er Maria in die Arme.

      Ein dicker Kloß saß ihm im Hals.

      Ede Gerighauser konnte noch nicht einmal schreien.

      „Warum sie?“, flüsterte Ede.

      „Jetzt bist du dran, Ede!“

      Der King warf einem seiner Leute die Uzi zu. Der Maskierte fing sie sicher auf. Dann griff der King unter seine Jacke und holte eine Automatik vom Kaliber .45 hervor und setzte sie Ede Gerighauser an den Kopf. „Weißt du, was mit dem Gehirn geschieht, wenn ich den Stecher durchziehe?“, fragte er mit breitem Grinsen. Gerighauser schloss die Augen.

      Der King drückte ab.

      Es machte nur klick.

      „Gar nichts geschieht!“, lachte der King. „Ich werde dich nicht töten, Ede. Noch nicht. Erst sollst du noch leiden. Deine Strafe ist es, vorerst weiter zu leben. Weiter zu leben in dem Bewusstsein, dass du an all dem Schuld bist. Maria hätte nicht sterben müssen, wenn du uns nicht verraten hättest. Und wenn du zufällig in nächster Zeit mal wieder deine Eltern besuchen solltest... Na ja, vielleicht hat man sie auch schon gefunden!“

      „Nein!“, brüllte Ede.

      „Du bist schuld daran, Ede! Nur du ganz allein – so wie du auch schuld daran bist, dass mein Bruder und fast alle Führungskräfte der ‚Killer Bandoleros’ verhaftet wurden!“

      „Nein!“, schrie Ede Gerighauser noch einmal.

      „Aber irgendwann werde ich zuschlagen und auch dein Leben ausknipsen. Aber vorher wird dich die Schuld innerlich aufgefressen haben. Wenn ich dich töte, wirst du innerlich längst tot sein.“

      „Hey, was ist mit Ihnen los?“, drang eine Stimme wie aus weiter Ferne in Ede Gerighauser’ Bewusstsein. Hände fassten ihn bei den Schultern. „Soll ich einen Arzt holen?“

      Erst jetzt begriff Ede Gerighauser, dass es nur eine Erinnerung gewesen war, die ihn so sehr in Beschlag genommen hatte, dass er sie für real hielt.

      Ein Flashback.

      Er blickte auf seine Hände und starrte sie ungläubig an. Von Marias Blut war nirgends etwas zu sehen. Stattdessen sah er auf dem Grab, das sich vor ihm befand, Marias Namen. Ihren Namen und die Namen seiner Eltern. Die Erinnerungen drohten ihn wieder zu übermannen. Er sah sich erneut die Wohnung seiner Eltern betreten. Sah das Blut an den Wänden. Den Geruch...

      „Hören Sie, Sie sehen wirklich so aus, als wäre Ihnen nicht gut. Soll ich nicht doch besser den Notarzt rufen?“, fragte der stämmige, grauhaarige Mann mit den wachen, dunkelbraunen Augen. Auf seiner hohen Stirn hatte sich eine tiefe Furche gebildet.

      Ede Gerighauser wandte den Kopf.

      In dieser Sekunde nahm er den Grauhaarigen zum ersten Mal bewusst wahr.

      „Es geht schon“, behauptete Gerighauser.

      „Wirklich?“

      „Wirklich.“

      Der Grauhaarige zuckte mit den Schultern. „Wie Sie meinen.“ Irritiert ging er davon und drehte sich nach ein paar Dutzend Metern noch einmal um.

      Ede Gerighauser stand in sich versunken da und beachtete den Mann schon gar nicht mehr.

      Die rechte Hand steckte in der tiefen Tasche seines Mantels und umfasste den Griff einer Pistole.

      Sie hätten mir helfen können, Kommissar Rademacher!, dachte er. Aber Sie haben es nicht getan.

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