Vertrauen. Niklas Luhmann

Vertrauen - Niklas  Luhmann


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Tatbestandes des alter ego innerhalb der immer schon intersubjektiv konstituierten (und anders nicht vorstellbaren) Welt ist bisher nicht gelungen – auch im Rahmen der sich sehr grundsätzlich darum bemühenden transzendentalen Phänomenologie Husserls nicht13. [7]Die positiven Wissenschaften gehen auf verschiedene Art und Weise von der prinzipiellen Unberechenbarkeit anderer Menschen aus (sofern sie sie nicht einfach ignorieren) und sehen darin ein Problem, das die Funktionen bestimmter Ordnungsleistungen erklärt. Der Versuch von Thomas Hobbes, die Notwendigkeit absoluter politischer Herrschaft zu begründen, hat hierin seine Wurzel, wenngleich er dem Komplexitätsproblem als Sicherheitsproblem eine zu enge Fassung gibt und deshalb absolute Herrschaft als Lösung ohne Alternativen zu Gesicht bekommt. Die von Husserl konzipierte, von Alfred Schütz ausgearbeitete Theorie der intersubjektiv übereinstimmenden Typisierung der Erlebnismöglichkeiten hat diesen Hintergrund einer unberechenbaren Komplexität, die in der Gegenwärtigkeit eines alter ego in der Welt an sich angelegt ist und auf gemeinsame Typen reduziert werden muß. Parsons’ Theorie des sozialen Systems baut ebenfalls auf jenem Grundgedanken auf, und zwar in Form der These von der zweiseitigen Offenheit, der „double contingency“, aller Interaktionen, die eine Normbildung notwendig macht, soll die Komplementarität der Rollenerwartungen sichergestellt werden14. Die neuere wirtschaftswissenschaftliche Organisationstheorie sucht ihn zu berücksichtigen und geht damit über die utilitaristischen Bemühungen um eine Kombination rein individueller Nutzenfunktionen hinaus15. All diese Gedanken können wir in eine einzige [8]Formel zusammenpressen: Auf der Grundlage sozial erweiterter Komplexität kann und muß der Mensch wirksamere Formen der Reduktion von Komplexität entwickeln.

      Diesen Ausgangspunkt auch nur in einige seiner wichtigsten Konsequenzen hinein zu verfolgen, verbietet sich im Rahmen dieser Studie. Er definiert jedoch das Bezugsproblem, im Hinblick auf welches Vertrauen funktional analysiert und mit anderen, funktional äquivalenten sozialen Mechanismen verglichen werden kann. Wo es Vertrauen gibt, gibt es mehr Möglichkeiten des Erlebens und Handelns, steigt die Komplexität des sozialen Systems, also die Zahl der Möglichkeiten, die es mit seiner Struktur vereinbaren[9] kann, weil im Vertrauen eine wirksamere Form der Reduktion von Komplexität zur Verfügung steht. Auf dieser Grundlage soll eine Analyse des Vertrauens im folgenden versucht werden. Ein Vergleich würde entsprechende Vorarbeiten über andere Mechanismen, etwa Recht und Organisation, voraussetzen und kann daher nicht in einer einzelnen Monographie geleistet werden. Es muß uns, von beiläufigen Hinweisen abgesehen, genügen, den Tatbestand des Vertrauens vergleichsfähig aufzuarbeiten.


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