Bachelorarbeit in Psychologie. Margarete Imhof
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Im Online-Material können Sie Ihr Verständnis prüfen (Quiz 2).
2.2 Von der Alltagsvermutung zur wissenschaftlichen Fragestellung
Forschungsfragen
Eine erste wichtige Aufgabe ist also, die wissenschaftliche Fragestellung zu finden. Klären Sie zunächst, welches Ziel Sie mit Ihrer Bachelorarbeit verfolgen (siehe auch Kornmeier, 2018):
•Möchten Sie ein Phänomen beschreiben? Die zentrale Frage ist dann, wie ein Sachverhalt in der derzeitigen Lage konkret aussieht.
Beispielsweise wird oft behauptet, dass Abiturientinnen und Abiturienten aus der Schule anspruchsvolle Lernstrategien mitbringen. Aber wissen wir denn wirklich, welche Strategien die Studienanfängerinnen und -anfänger kennen und nutzen? Daher die (mögliche) Forschungsfrage: Welche Lernstrategien setzen Studierende zu Beginn ihres Studiums ein?
•Möchten Sie ein Phänomen erklären? Möchten Sie einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang auf den Grund gehen und herausfinden, warum etwas passiert, welche Ereignisse andere Ereignisse verursachen?
Bleiben wir bei den Studienanfängern: Angenommen, wir stellen fest, dass Studienanfängerinnen und -anfänger anspruchsvolle Lernstrategien aus der Schule mitbringen, diese aber im Studium nicht einsetzen, dann wäre es interessant, folgende Forschungsfrage zu bearbeiten: Warum favorisieren Studierende bestimmte Lernstrategien zu Beginn ihres Studiums?
•Möchten Sie zukünftige Zustände oder Entwicklungen prognostizieren? Wollen Sie also wissen, welche Auswirkungen bestimmte Faktoren (Prädiktoren) auf andere haben oder wie man Verhalten (nachweislich) beeinflussen kann? Sie könnten sich dann folgende Forschungsfrage stellen: Setzen die Studierenden anspruchsvolle Lernstrategien ein, wenn sie einen Anreiz dafür erhalten?
•Möchten Sie etwas verändern und das Verhalten beeinflussen? Wenn das Ihr Ziel ist, stellen Sie die Frage, wie bestimmte Maßnahmen oder Strategien funktionieren. Aus unserem Beispiel bietet sich als Forschungsfrage an: Hat ein Trainingsprogramm zum Thema Lernstrategien einen Einfluss auf das Verhalten und die Leistung der Studienanfängerinnen und -anfänger?
•Möchten Sie etwas bewerten (evaluieren)? Interessiert es Sie, ob bestimmte Maßnahmen funktionieren und eventuell auch, wie sie optimiert werden können? Eine mögliche Forschungsfrage wäre: Wie effektiv ist das Programm XY, um Lernstrategien zu vermitteln im Vergleich zu einem Appell an die Vernunft und Eigenverantwortung der Studierenden?
Wenn Sie sich über die Ziele Ihrer Bachelorarbeit Klarheit verschafft haben, sind Sie schon ein gutes Stück vorangekommen. Sie haben damit eine erste Arbeitsgrundlage, um das Thema weiter einzugrenzen. Die Beispiele für Forschungsfragen illustrieren, wie die Ziele der wissenschaftlichen Arbeit die Formulierung und damit Richtung der Forschungsfrage beeinflussen. Sie sind jedoch noch sehr weit gefasst. Deshalb ist es erforderlich, dass Sie Ihre Forschungsfrage noch präziser formulieren. Hier die Forschungsfragen, die in unseren drei Beispiel-Bachelorarbeiten untersucht wurden:
Waltraud und Valerie: Kann man mit Podcasts ganz nebenbei lernen?
Tobias: Sind Experimente im Chemieunterricht motivierend?
Lea: Welche Ereignisse empfinden Lehrer und Schüler im Unterricht als störend?
Wie lautet Ihre Forschungsfrage? Formulieren auch Sie die Frage, die Sie in Ihrer Bachelorarbeit untersuchen möchten.
2.3 Von der Forschungsfrage zu den Hypothesen
In der psychologischen Forschung werden Erkenntnisse systematisch aus Beobachtungen hergeleitet. Dabei ist das Ziel, möglichst zuverlässige und gültige Erkenntnisse zu gewinnen (siehe auch Kapitel 4). Im wissenschaftlichen Handeln haben sich unterschiedliche Wege zur Erkenntnisgewinnung, also zur Problemlösung herausgebildet (Hussy, Schreier & Echterhoff, 2013). Zwei für die psychologische Forschung typische Wege sind das induktive und das deduktive Vorgehen.
Unter Induktion versteht man, dass aus Einzelfällen auf Gesetzmäßigkeiten geschlossen wird. |
Induktion
Wenn wir viele Kinder kennen, die gerne Pudding essen, schließen wir daraus, dass alle Kinder gerne Pudding essen. Die Induktion entspricht damit weitgehend der Alltagsstrategie, Erkenntisse aus Erfahrungen abzuleiten. Das Problem dabei ist, dass induktive Schlüsse nicht sicher sind. Vielleicht haben Sie Kinder vor allem in Mitteleuropa dabei beobachtet, wie sehr sie sich über Pudding zum Nachtisch freuen. Wenn Sie aber z. B. in asiatische Länder gehen, werden Sie Kinder erleben, die Pudding sehr skeptisch gegenüberstehen – das ist wahrscheinlich auch gut so, da die meisten Asiaten die Fähigkeit, Milchzucker zu verdauen, schon in sehr jungen Jahren verlieren (Vesa, Marteau & Korpela, 2000). Diese Beobachtung widerlegt also Ihre induktiv aufgestellte Regel. Induktive Schlüsse haben nur Wahrscheinlichkeitscharakter. Trotz dieses Nachteils hat auch die induktive Methode ihre Berechtigung in der Wissenschaft. Wenn Regelhaftigkeiten und Gesetzmäßigkeiten unbekannt sind, bleibt uns nichts anderes übrig, als sie zu erschließen. Die induktive Methode spielt also vor allem zu Beginn des Forschungsprozesses eine wichtige Rolle und ist damit Grundlage für andere wissenschaftliche Methoden. Um mit induktiven Schlussfolgerungen wissenschaftlich belastbare Aussagen zu treffen, ist eine sorgfältige und systematische Vorgehensweise wichtig (siehe Kapitel 4). Darin unterscheidet sich der wissenschaftlich induktive Schluss vom alltagspsychologischen Vorgehen, denn im Alltag ziehen Menschen oft weitreichende Schlüsse auf der Basis von wenigen, ins Auge fallenden, subjektiv eindrucksvollen Beobachtungen.
Beim deduktiven Vorgehen versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst eine grundlegende Theorie zu finden, die eine Antwort auf ihre Frage beinhalten könnte. |
Deduktion
Die Theorie ist z. B. „Alle Kinder essen gerne Pudding“. Da Theorien immer in gewisser Weise unsicher sind, wird die Theorie dann in Bezug auf eine konkrete Frage geprüft. Dazu muss die Forscherin eine Hypothese, also eine Annahme aus der Theorie, für eine konkrete Situation ableiten.
Hypothesen sind konkrete, in der Realität überprüfbare Aussagen. |
Hypothesen
Im Gegensatz zu den Forschungsfragen sind Hypothesen sehr konkret. Die interessierenden und zu untersuchenden Variablen werden in den Hypothesen explizit benannt, ebenso wie der vermutete und überprüfbare Zusammenhang/Unterschied/Einfluss. Wichtige Merkmale von Hypothesen sind:
•Sie beziehen sich auf reale, beobachtbare oder messbare Sachverhalte.
•Sie gehen über Einzelfälle hinaus.
•Sie sind falsifizierbar, d. h., es gibt potenziell Ereignisse, die der Hypothese widersprechen (Wörter wie „vielleicht“ oder „manch-mal“ haben in Hypothesen nichts verloren!).
Aus ihren Forschungsfragen leiteten die Autorinnen und Autoren unserer Beispiel-Bachelorarbeiten folgende Hypothesen ab (unvollständige Liste):
Waltraud und Valerie:
•Der Lernerfolg ist beim Lernort Universität höher als beim Lernort Bus.
•Das Lernen mit einem Podcast wird als schwieriger wahrgenommen als das Lernen mit einem Lehrbuch.
Tobias: