Kreativitätstechniken. Egon Freitag

Kreativitätstechniken - Egon Freitag


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Gedanken zusammenzutragen. Zur wirklichen Ideenentwicklung taugt es wenig“ (Meyer/Mioskowski, 2016, S. 8).

      Einzelne Personen erzeugen meist mehr und auch bessere Ideen als die gleiche Anzahl von Teilnehmern, die in Gruppen arbeiten. Lediglich Zweiergruppen können unter bestimmten Umständen mit der individuellen Kreativität mithalten. Die Hauptursache für diesen Nachteil wird darin gesehen, dass jeder Teilnehmer warten muss, bis die anderen ihre Ideen vorgetragen haben, so dass es zu Informationsverlusten kommen kann. Diese Schwachstelle „betrifft sowohl die Äußerung der bereits produzierten Einfälle als auch das eigene Weiterdenken. Hinzu kommt die Hemmung, die durch die Bewertungsangst verursacht wird. Ihr unterliegen nicht alle Teilnehmer in gleichem Maße, sondern vor allem schüchterne, introvertierte Personen, die sich unter den Kreativen nicht selten finden, wodurch viel Potenzial verloren geht“ (Schuler/Görlich, 2007, S. 93). Einschränkend ist jedoch festzustellen, dass die Überlegenheit individuell arbeitender Personen lediglich die Phase der Ideenerzeugung betrifft, nicht die der Ideenintegration. Im Ergebnis erhält man mitunter nur unausgegorene Ideen und Lösungsansätze. Fertige Lösungen sind nicht zu erwarten. Die Vielzahl der Vorschläge kann die Auswertung erschweren. Brainstorming ist für komplexe Aufgaben weniger geeignet.

      Von Nachteil kann auch der Gruppenzwang sein, weil sich dominante Teilnehmer besser durchsetzen können als zurückhaltende Personen. Hierarchische Strukturen können sich negativ auswirken, ebenso die fachliche Überlegenheit von Experten. Außerdem zeigen die Forschungsergebnisse auch, dass das kreative wissenschaftliche Denken nicht mit der Fähigkeit zum divergenten Denken zusammenhängt. Das kreative Denken sei keine außergewöhnliche Form des Denkens, sondern zeichne sich erst durch das Denkprodukt aus und nicht durch den Weg, auf dem der Denker zu ihm gelangt ist. (vgl. Weisberg, 1989, S. 85–98)

       Einsatzmöglichkeiten:

      Das Brainstorming ist der „Prototyp kreativer Teamarbeit, vermutlich die weltweit am häufigsten angewandte Methode zur Ideenfindung“ (Schlicksupp, 1995, S. 182). Sie hat ein breites Anwendungsspektrum, z. B. zur Produktentwicklung, zur Projekt- und Unternehmensplanung, in der Werbung und im Marketing-Bereich, im Training und Unterricht u. a. „Brainstorming eignet sich immer als Eröffnungsmethode für eine mehrstufige Sitzung oder einen Workshop. In der Regel lockert die Methode auch auf“ (Geschka/Zirm, 2011, S. 299). Ideal erscheint eine Teilnehmerzahl von 6–12 Personen, „heterogen und interdisziplinär zusammengesetzt“ (Schröder, 2005, S. 145). Diese Methode ist auch individuell anwendbar (→ Solo-Brainstorming).

      Kevin P. Coyne, Patricia Gorman Clifford und Renée Dye sind der Auffassung, dass die wirklich guten Ideen dank vorstrukturierter Fragen und einer besseren Organisation erzielt werden. Sie empfehlen deshalb ein effektives Brainstorming, weil die meisten Mitarbeiter „unstrukturiertes und abstraktes Brainstorming nicht besonders gut beherrschen. … Ohne Leitlinien wissen die Teammitglieder nicht, ob sie ihre erste Idee weiterverfolgen oder doch lieber in eine völlig andere Richtung denken sollen“ (Coyne/Clifford/Dye, 2011, S. 8). Diese Unsicherheit führe zu Frustrationen und schließlich zur Resignation. Nützliche Vorgaben, die nicht zu eng ausgelegt sind, sowie gezielte Fragestellungen, die der Ideenfindung einen Rahmen geben, um bessere Antworten zu erhalten, führen dagegen zu einem effektiveren Brainstorming. Auf dieser Grundlage können Entscheidungen besser getroffen und verglichen werden.

      Gruppendynamische Synergiekräfte können auch mit Hilfe computergestützter Interaktion zwischen den Teammitgliedern erzielt werden. Eine entsprechende Software kann bei der Ideen- und Lösungsfindung helfen. Zur Erweiterung der Informationsbasis können Internet-Suchmaschinen sehr nützliche Dienste leisten. Neben dem klassischen Brainstorming wird auch das elektronische Brainstorming (electronic brainstorming) mittels Computer-Interaktion durchgeführt.

      Vom Brainstorming sind zahlreiche Varianten bekannt, z. B.: → And-also-Methode, → Anonymes Brainstorming, Brainstorming paradox, → Brainstorming 2.0, → Brainwriting, → Card-Brainstorming → Creative Collaboration Technique, → Destruktiv-konstruktives Brainstorming, → Didaktisches Brainstorming, → I-G-I-Brainstorming, → Imaginäres Brainstorming, → Inverses Brainstorming, → Mitsubishi-Brainstorming (MBS) → Phillips-66-Methode, → Progressives Brainstorming, → Schwachstellen-Brainstorming, → SIL-Methode, → Solo-Brainstorming, → Stufen-Brainstorming, → Visuelles Brainstorming.

      Lit.: Brunner, A.: Kreativer denken. Konzepte und Methoden von A-Z. Lehr- und Studienbuchreihe Schlüsselkompetenzen. München 2008; Clark, C. H.: Brainstorming. The dynamic new way to create successful ideas. New York 1958. – Dt. Ausg.: Brainstorming. Methoden der Zusammenarbeit und Ideenfindung. München 1973; Coyne, K. P./Clifford, P. G./Dye, R.: Querdenken mit System. In: Harvard Business Manager. Das Wissen der Besten. Edition 2/2011: Kreativität. Wie Sie Ideen entwickeln und umsetzen, S. 7–15; Diehl, M./Stroebe, W.: Productivity loss in brainstorming groups: Toward the solution of a riddle. In: Journal of Personality and Social Psychology, 53, 1987, pp. 497–509; Dunnette, M. D./Campbell, J./Jastaad, K.: The effects of group participation on brainstorming effectiveness for two industrial samples. In: Journal of applied psychology 47, 1963, pp. 10–37; Hornung, A.: Kreativitätstechniken. Köln 1996; Madigan, C. O./Elwood, A.: Brainstorms and thunderbolts. New York 1983; Meyer, J.-U./Mioskowski, H.: Genial ist kein Zufall. Die Toolbox der erfolgreichsten Ideenentwickler. Göttingen 22016; Moore, L. B.: Creative action – the evaluation, development, and use of ideas. In: Parnes, S. J./Harding, H. F. (Eds.): A source book for creative thinking. New York 1962, pp. 297–304; Osborn, A. F.: Applied imagination: Principles and procedures of creative thinking, New York 1953; überarb. Ausg. 1963; Ders.: Is education becoming more creative? An address given at the seventh annual Creative Problem-Solving Institute, University of Buffalo, 1961; Ders.: Development in creative education. In: Parnes, S. J./Harding, H. F. (Eds.): A source book of creative thinking. New York 1962, pp. 19–29; Schlicksupp, H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung, 3. überarb. u. erw. Aufl., Würzburg 1989, S. 101–113; Schlicksupp, H.: Führung zu kreativer Leistung. So fördert man die schöpferischen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter (Praxiswissen Wirtschaft; 20), Renningen-Malmsheim 1995; Schröder, M.: Heureka, ich hab’s gefunden! Kreativitätstechniken, Problemlösung und Ideenfindung. Herdecke/Bochum 2005; Schuler, H./Görlich, Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen et al. 2007; Stroebe, W.; Nijstad, B.: Warum Brainstorming in Gruppen Kreativität vermindert: eine kognitive Theorie der Leistungsverluste. In: Psychologische Rundschau, 54. Jg., H. 1, 2004, S. 2–10; Taylor, D. W./Berry, P.C./Block, C. H.: Does group participation when using brainstorming facilitate of inhibit creative thinking? Administrative Science Quarterly, 3, 1958, pp. 23–47; Weisberg, R. W.: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989.

      Brainstorming 2.0 (auch unter der Bezeichnung BAR: Brainstorming, Aber Richtig bekannt). Diese Kreativitätstechnik wurde 2010 von dem Kreativitätsforscher und Ideencoach Michael Luther (*1958) entwickelt. Es handelt sich um eine moderne, eigenständige Variante des klassischen → Brainstormings.

       Durchführung:

      Michael Luther hat dazu sieben Leitprinzipien entworfen:

      1 Klärung der Rahmenbedingungen: Bereitstellung von Raum, Zeit und Material.

      2 Zusammenstellung des Teams: Dabei sollte auf einen ausgewogenen Personenkreis aus Mitarbeitern, Fachleuten und externen Querdenkern geachtet werden.

      3 Formulierung und Visualisierung der fünf Standardregeln:Quantität geht vor Qualität: Je mehr Ideen und Anregungen entwickelt werden, umso größer ist die Auswahl, um daraus den besten Vorschlag auszuwählen.Es darf keine Kritik geübt werden, alle, auch ungewöhnliche Ideen sind willkommen.Alle Ideen sollten visualisiert werden, damit alle Teilnehmer auch die Einfälle und Anregungen der anderen Team-Mitglieder sehen können.Ergänzungen sind erlaubt. Ein Anknüpfen an die geäußerten Vorschläge ist jederzeit möglich.Spinnen ist nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Je origineller und ungewöhnlicher die geäußerte Idee ist, umso besser.

      4 Die


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