Kreativitätstechniken. Egon Freitag

Kreativitätstechniken - Egon Freitag


Скачать книгу
in Verbindung gebracht werden und sogar unvereinbar erscheinen mögen. Einige von Henri Poincarés (1854–1912) Vorstellungen verknüpfte Koestler mit Überlegungen von Sigmund Freud (1856–1939) zu einer Theorie der Bisoziation. Koestler nimmt an, dass eine kreative Idee durch eine unbewusste Kombination von Ideen zustande kommt, die nicht mit dem bewussten Denken zusammenhängen kann. Kreatives Problemlösen erfordere neuartige Gedankenkombinationen. Koestler verstand Bisoziation als Gegensatz zur Assoziation, die sich auf zuvor schon hergestellte Verbindungen von Gedanken bezieht; dagegen erzeuge die Bisoziation dort neue Verbindungen, wo zuvor gar keine existierten. Nach Koestler setzt jeder kreative Akt eine solche Bisoziation voraus. Die Gedanken existieren nach dieser Theorie in miteinander verbundenen Reihen oder Matrizen. Beim normalen, bewussten, assoziativen Denken führt innerhalb derselben Matrix ein Gedanke zum anderen. In Situationen dagegen, die kreatives Denken erfordern, muss der Denker von einer Matrix zur anderen wechseln. Nach Koestler entsteht erst dann eine Bisoziation, wenn man sich zuvor schon lange Zeit ernsthaft mit einem Problem befasst hat. Erst dann ist das Problem so weit ›herangereift‹, dass die bisoziative Verbindung zwischen zwei Matrizen entstehen kann. Koestler hebt in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der Träume hervor, in denen wir, von assoziativen Verbindungen befreit, in passiver Weise bisoziieren. Das unbewusste Denken kann so neuartige Gedankenverbindungen schaffen, weil es weniger rigide und spezialisiert ist als das bewusste Denken. Diese unbewusste neuartige Kombination von Gedanken ist die Voraussetzung für die Kreativität. Potenziell brauchbare Kombinationen werden dem Bewusstsein präsentiert und von ihm weiterbearbeitet. Es gibt auch die Annahme, dass die Abkehr von einem Problem sinnvoll ist, um die Inkubation, also die unbewusste Kombination von Gedanken zu fördern. (vgl. Weisberg, 1989, S. 33, 40–43) Als Hilfsmittel zu dieser Technik werden Begriffe, Gegenstände oder Bilder genutzt, die Assoziationen auslösen und zunächst nichts mit der Aufgabenstellung zu tun haben.

       Durchführung:

      1 Das Problem wird zunächst klar formuliert.

      2 Eine Anzahl an Bildern oder Objekten wird ausgebreitet, die mit der Aufgabenstellung thematisch nichts zu tun haben.

      3 Die Teilnehmer einigen sich auf eines der Bilder oder Objekte.

      4 Das ausgewählte Bild oder Objekt wird für alle Team-Mitglieder gut sichtbar platziert. Die Teilnehmer assoziieren danach bestimmte Begriffe zum ausgestellten Bild bzw. Objekt. Die gefundenen Verknüpfungen werden auf Karten notiert, die für alle gut sichtbar an eine Pinnwand geheftet werden.

      5 In dieser Phase sollen die Gruppenmitglieder die gefundenen Verknüpfungen mit der Aufgabenstellung in Zusammenhang bringen. Daraus entstehen mitunter ungewöhnliche, originelle Vorschläge, die wieder schriftlich festgehalten werden.

      6 Die Einfälle und Lösungsvorschläge werden für alle Teilnehmer an der Pinnwand angebracht, diskutiert und auf ihre Realisierbarkeit geprüft. Der beste Lösungsvorschlag wird anschließend weiterentwickelt. (vgl. Aerssen/Buchholz, 2018, S. 155)

       Vorteile:

      Die Bisoziationstechnik dient der Ideenfindung und Ideenkombination. Sie aktiviert unbewusste Denkweisen und Verknüpfungen und erschließt neue Sichtweisen aus anderen Bereichen, die sich möglicherweise auf die Aufgabenstellung übertragen lassen.

       Nachteile:

      Die Bisoziationstechnik braucht einen erfahrenen Moderator und kann sehr zeitaufwendig sein. Eine sorgfältige Auswahl und Prüfung der gefundenen Verknüpfungen ist erforderlich.

       Einsatzmöglichkeiten:

      Die Bisoziationstechnik führt mitunter zu überraschenden Lösungsansätzen. Sie „eignet sich besonders für die Ideenfindung in den Bereichen Werbung und Marketing“ (Aerssen/Buchholz, 2018, S. 155). Diese Technik kann sowohl von Gruppen als auch von Einzelpersonen durchgeführt werden.

      Lit.: Aerssen, B. v./Buchholz, Ch. (Hrsg.): Das große Handbuch Innovation. 555 Methoden und Instrumente für mehr Kreativität und Innovation im Unternehmen. München 2018; Koestler, A.: The act of creation. London, NewYork 1964, 31990 (dt. Ausg.: Der göttliche Funke. Der schöpferische Akt in Kunst und Wissenschaft. Bern, München, Wien 1966; 21968; Lohmeier, F.: Bisoziative Ideenfindung. Erforschung und Technisierung kreativer Prozesse. Frankfurt am Main, Bern, New York, Nancy 1985; Luther, M.: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden. Wie Sie in vier Schritten mit Pfiff und Methode Ihre Problemlösungskompetenz entwickeln und zum Ideen-Profi werden. Bonn 2013; Weisberg, R. W.: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989.

      Brain Building: Aufbau der geistigen Kräfte, Intelligenzaufbau. Ein Trainingsprogramm zur Verbesserung des Wahrnehmungsvermögens, der Ausdrucksweise, der Entscheidungs- und Urteilskraft sowie für Gedächtnis, Logik und Kreativität. Es wurde von der US-amerikanischen Autorin Marilyn vos Savant entwickelt.

      Lit.: Savant, M. v.: Brainpower. Die Kraft des logischen Denkens. Reinbek bei Hamburg 2001; Savant, M. v./Fleischer, L.: Brain Building. Das 12-Wochen-Trainingsprogramm für Gedächtnis, Logik, Kreativität. Niedernhausen/Ts. 1993.

      Brainfloating: Ideenflut, Ideenfluss. Der Begriff wurde 1987 von dem Designer und Kulturwissenschaftler Harald Braem (*1944) eingeführt. Er definiert ihn folgendermaßen: „Brainfloating versucht, durch intensivere Verbindung beider Gehirnhälften den Energiefluss innerhalb des corpus callosum (Gehirn-Balken) zu stärken, harmonisch zu stabilisieren und insgesamt eine höhere Transparenz des Balkens (der bei den meisten von uns wie ein ›Brett vor dem Kopf‹ die Sicht der Wirklichkeit verhindert) zu erreichen, mit dem Ziel, ein höheres Niveau unseres Bewusstseins zu schaffen“ (Braem, 1989, S. 74).

      Der aus Nervenfasern bestehende sogenannte Balken im Gehirn (corpus callosum) erlaubt ein Kommunizieren der beiden Hirnhälften untereinander. Die motorischen Bahnen kreuzen sich, so dass z. B. die Rechtshändigkeit von der linken Großhirnhälfte gesteuert wird. Eine bewusste Aktivierung dieser Gegenhändigkeit, d. h. eine Umgewöhnung im motorischen Bewegungsablauf, wenn z. B. ein Rechtshänder auch seine linke Seite aktiviert und umgekehrt, führe zu gesteigerter Problemlösung und Ideenfindung und damit zu höherer Kreativität. Auch Simultantätigkeiten tragen hierzu bei. Die beidseitige Aktivierung von Händen und Füßen setzen Energien frei und stimulieren die Schaltkreise im Gehirn, die uns nicht geläufig sind und auch sonst nicht beansprucht werden. Doch gerade sie sind für die Bildung neuer Kombinationen prädestiniert, so dass Kreativität freigesetzt wird.

      Der schweizerische Unternehmensberater Victor Scheitlin definiert Brainfloating als Energiefluss, als „das Fließen geistiger Energien, die im Umfeld einer kreativen Zielvorstellung durch hemisphärisch wechselseitiges Denken und freies Assoziieren Überlegungsansätze und/oder Lösungsmöglichkeiten ergeben. Der geistige Fließprozess wird dabei durch mancherlei Wirkfaktoren wie Wort-, Gedanken- und Bild-Assoziation, Intuition, lateralem Denken, Gedächtnisarbeit, Rationalität und Emotionalität beeinflusst“ (Scheitlin, 1993, S. 281, vgl. auch S. 107–109 u. 279–281).

      Brainfloating-Methoden sind:

       Dreiklangspiel

       Umpolung

       Simultanaktion

       Gestaltspiel

       Formbildung

       Lautmalerei

       Doppelkopf

       Bild-Text-Potenzierung

      Das ursprüngliche Konzept von Brainfloating ging von einer funktionalen Trennung von Links- und Rechtshirn aus, so dass den beiden Gehirnhälften bestimmte Funktionen zuzuordnen seien. In der gegenwärtigen Forschung besteht jedoch Konsens darüber, dass sich solche aufgabenspezifischen Zuweisungen nicht feststellen lassen. Dennoch hat diese Technik ihren Nutzen, weil sie das Gehirn insgesamt aktiviert.

       Durchführung:

      Brainfloating ist ein ganzheitliches Konzept, dass alle Sinne anspricht. Die Durchführung erfolgt in drei Phasen:

      1 Aufwärmphase:


Скачать книгу