Grundwissen Hörgeschädigtenpädagogik. Annette Leonhardt

Grundwissen Hörgeschädigtenpädagogik - Annette Leonhardt


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und für die Geburtsjahrgänge 2015 – 2017 (Kohorte III, n=230) 0,4 ± 0,3 Jahre (Kugelstadt et al. 2017). Diese Entwicklung betraf am deutlichsten geringgradige Hörschäden, also jene mit weniger als 40 dB Hörverlust. Das Alter bei Diagnosestellung und die Zeit bis zur therapeutischen Versorgung konnten also deutlich reduziert werden.

      Probst (2008b, 181) nennt für Hörschäden von relevantem Ausmaß eine Häufigkeit von ca. 1 von 1.000 Neugeborenen bei der Geburt. In den folgenden Lebensjahren steigt die Zahl der Kinder mit bleibenden Hörschäden um 50 – 90 %. Im Schulalter sind dann etwa zwei von 1.000 Kindern betroffen. Nicht eingerechnet sind hier vorübergehende Hörstörungen, die im Kleinkind- und Vorschulalter (insbesondere durch Mittelohrentzündungen) gehäuft vorkommen. Eysholdt (2015, 435) verweist aus medizinischer Sicht darauf, dass eine „Schwerhörigkeit im Kindes- und Jugendalter als relativ häufige Erkrankung angesehen werden“ muss.

      Die Tabellen 10 – 12 stellen – trotz der gegenwärtig noch immer bestehenden Schwierigkeiten – den Versuch dar, dem Leser ein ungefähres Bild über die Häufigkeit des Vorkommens von Hörschäden im Kindes- und Jugendalter zu vermitteln. Ein völliger Verzicht auf derartige Zahlenangaben wird nicht möglich sein, da sie z. B. als Grundlage für sozialpädiatrische, schulpolitische oder organisatorische Maßnahmen genutzt werden müssen.

      Tab. 10: Angaben zum Anteil hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher in der BRD

Literaturbetrachtete PopulationAnteil der betrachteten PopulationBezugspopulation
Krüger (1982, 38)kindliche Hörstörungen3 – 5 %alle altersgleichen Kinder und Jugendlichen
Krüger (1991, 27)mittel- bis hochgradig schwerhörige und gehörlose Kinder0,1 – 0,5 %alle Gleichaltrigen

      Tab. 11: Angaben zum Anteil gehörloser Kinder und Jugendlicher (geordnet nach dem Erscheinungsjahr der zitierten Literatur; Anmerkung: Die Publikation von Bach 1995 [inzwischen in 15. Auflage], aus der Heese zitiert wurde, scheint seit Jahren nicht neu bearbeitet worden zu sein)

Literaturbetrachtete PopulationAnteil der betrachteten PopulationBezugspopulation
Sander (1973, 60)gehörlose Schüler der Klasse 1 – 100,05 %altersgleiche Schul-pflichtige
Pöhle (1990, 42)gehörlose Kinder0,044 %Gesamtheit der Schulpflichtigen
Krüger (1991, 27)gehörlose Schüler0,04 %alle Gleichaltrigen
Pöhle (1994, 23)Gehörlose0,04 – 0,05 %Geburtsjahrgang
Biesalski (1994, 53)hochgradig hörgeschädigte Kinder, die Sprache spontan nicht erlernen können0,03 – 0,04 %Kinder von 1 bis 12 Jahren
Heese (1995, 87)gehörlose Kinder und Jugendliche0,05 %Schulpflichtalter
Wisotzki (1998, 36)gehörlose Kinder und Jugendliche0,04 %schulpflichtige Bevölkerung

      Tab. 12: Angaben zum Anteil schwerhöriger Kinder und Jugendlicher (geordnet nach dem Erscheinungsjahr der zitierten Literatur; Anmerkung: Die Publikation von Bach 1995 [inzwischen in 15. Auflage], aus der Jussen zitiert wurde, scheint seit Jahren nicht neu bearbeitet worden zu sein)

Literaturbetrachtete PopulationAnteil der betrachteten PopulationBezugspopulation
Sander (1973, 66)sonderschulbedürftige Schwerhörige der Klassen 1 – 100,25 – 0,30 %altersgleiche Schulpflichtige
Jussen (1974, 211)sonderschulbedürftige Schwerhörige im Grundschulalter0,25 %altersgleiche Schulpflichtige
Pöhle (1990, 43)schwerhörige und im Sprachbesitz ertaubte Kinder, die die Schwerhörigenschule besuchen0,11 %Gesamtheit der Schulpflichtigen
Jussen (1995, 115f)schwerhörige Kinder und Jugendliche4 – 6 %alle Kinder und Jugendliche
sonderschulbedürftige schwerhörige Kinder und Jugendliche0,25 %schwerhörige Kinder im schulpflichtigen Alter
Biesalski (1994, 53)mittelgradig schwerhörige Kinder0,5 – 1 %Kinder von 1 – 12 Jahren
leichtgradig schwerhörige Kinder (zumeist schallleitungsbedingte Hörstörungen)3 – 4 %Kinder von 1 – 12 Jahren

      Die Tabellen können ein ungefähres Bild der Anzahl der Kinder mit Hörschädigung vermitteln. Im Schuljahr 2015/16 besuchten ca. 45 % aller sich im Schulalter befindlichen Kinder und Jugendlichen mit Hörschädigung die allgemeine Schule (nach KMK 2016a, b) – für die die sonderpädagogische Begleitung sichergestellt werden muss. Nicht erfasst werden von genannten Statistiken all jene Kinder, die zwar hörgeschädigt sind, aber ohne sonderpädagogische Begleitung – zum Teil sogar unerkannt – allgemeine Einrichtungen besuchen. So verweist Claußen (1995, 19) auf eine erhebliche Dunkelziffer von Kindern, die nicht als schwerhörig bekannt werden.

      Rechnet man den Personenkreis mit einseitigen und geringen beidseitigen Hörschäden hinzu und beachtet man, dass zum Vorkommen zentraler Hörstörungen kaum Zahlen vorliegen, muss die insgesamte Zahl von Kindern und Jugendlichen mit Hörschädigung tatsächlich als relativ hoch angesehen werden.

      Statistik: Förderschulbesuch Abschließend sollen noch einige Informationen über den Anteil der eine Förderschule (früher Sonderschulen) bzw. ein Förderzentrum besuchenden gehörlosen und schwerhörigen Schüler (bezogen auf die Gesamtzahl der Schüler an Förderschulen im Pflichtschulalter) gegeben werden (Tab. 13). Nachdem der Anteil der Schüler an Förderschulen (insgesamt) bis 1975 stark angestiegen war, hat er sich seither kaum verändert; er liegt bei knapp über 4 % (Cortina et al. 2003, 766f). Seit dem Schuljahr 1999/2000 wird auch die Zahl der Schüler mit Förderbedarf an allgemeinen Schulen erfasst. Sie schwankt je nach Förderschwerpunkt und Bundesland erheblich. Danach liegt die Quote aller Schüler, die entweder an Förderzentren oder an allgemeinen Schulen sonderpädagogische Förderung erhalten, bei über 5 Prozent (Cortina et al. 2003, 768). Zu entnehmen ist der Tabelle auch, dass der Anteil der Schüler mit Hörschädigung (neben den Schülern mit Sehschädigung) im Verhältnis zur Gesamtzahl der Schüler, die eine Förderschule besuchen, vergleichsweise gering ist. (Etwa die Hälfte der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind solche mit Förderbedarf Lernen. Sie besuchen Klassen bzw. Förderschulen für Lernbehinderte.)

Schulbesuchsquoten nach Förderschwerpunkten 1975 bis 20031
FörderschwerpunkteSchulbesuchsquoten2
1975198019851990199520002003
Lernen3,212,892,532,132,422,532,58
Sonstige0,931,301,661,901,862,071,90
Sehen
Blinde0,040,020,020,020,040,060,05
Sehbehinderung0,030,040,03
Hören
Gehörlose0,100,050,050,40,110,120,12
Schwerhörige0,080,090,08
Sprache0,100,170,280,360,340,380,40
Körperliche und motorische Entwicklung0,100,160,210,240,210,230,26
Geistige Entwicklung0,400,550,640,590,620,710,79
Emotionale und soziale Entwicklung0,140,120,130,250,240,280,34
Kranke0,070,070,100,120,09a0,100,17
Förderschwerpunkt übergreifend bzw. ohne Zuordnung0,080,120,170,210,190,11
Zusammen4,144,194,204,034,284,604,84

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