Mamas Alzheimer und wir. Peggy Elfmann

Mamas Alzheimer und wir - Peggy Elfmann


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Damit er sich ein umfassendes Bild machen kann, sollten Sie möglichst ausführlich berichten. Wenn Sie möchten, kann Sie auch ein Angehöriger begleiten. Der Arzt wird auch ihn befragen, um sich einen detaillierten Einblick zu verschaffen. Für die Diagnose einer Alzheimerdemenz müssen die Symptome mindestens sechs Monate bestehen. Immer wieder werden Patienten mit depressiven Verstimmungen für dement gehalten (Pseudodemenz). Mit entsprechenden Methoden können Ärzte jedoch eine Depression von einer Demenz unterscheiden.

      Körperliche Untersuchung mit einer Blutuntersuchung: Zusätzlich zu einem Gespräch wird der Arzt Sie untersuchen. Auch eine Blut- und Urinuntersuchung muss stattfinden. Dadurch erhält er einen Überblick über den körperlichen Gesundheitszustand und kann andere Ursachen ausschließen. Möglich ist etwa ein Vitamin-B12-Mangel oder eine Schilddrüsenunterfunktion, die ebenfalls zu Gedächtnisproblemen und Vergesslichkeit führen können, aber anders als eine Demenz behandelbar sind. Bei Alzheimer sind die Blutwerte normal, bei einer unbehandelten Schilddrüsenunterfunktion sind die Schilddrüsenwerte TSH, T3 und T4 verändert.

      Psychologische Tests: Anhand verschiedener Untersuchungen kann der Arzt die Gedächtnisleistung, das Urteilsvermögen, die Beeinträchtigung im Alltag, den Wortschatz, mögliche Verhaltensauffälligkeiten sowie den Schweregrad einer Demenz einschätzen. Die häufigsten Tests zur Einschätzung kognitiver Veränderungen im Frühstadium sind folgende Verfahren: Uhrentest, Mini-Mental-Status-Test, Demenzdetektionstest. Bei dem Uhrentest soll eine Uhr mit Ziffernblatt und Zeiger gezeichnet werden. Dieser Test zeigt visuell-räumliche Orientierungsprobleme auf. Der Mini-Mental-Status-Test (MMST) ist ein Fragebogentest mit Fragen zu den fünf Bereichen: Orientierung, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit, Erinnerungsfähigkeit und Sprache. Es ist ein kurzer, einfacher Test, bei dem etwa gefragt wird: ‚Welchen Tag haben wir heute? Wo sind wir?‘ Der Demenzdetektionstest (DemTect) wird bei leichten kognitiven Einschränkungen gemacht. Er enthält fünf Fragen zur Beurteilung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses, der Konzentration, Wortflüssigkeit, kognitiven Flexibilität sowie der Sprache. Zum Beispiel müssen Sie sich zehn Wörter merken oder Zahlenfolgen wiedergeben. Mithilfe von ADL-Skalen (,Activities of Daily Living‘) wird die Alltagskompetenz im häuslichen Umfeld gemessen, dazu gehören einfache Tätigkeiten wie Essen, sich Waschen oder Anziehen, aber auch komplexere wie das Zubereiten von Mahlzeiten, das Führen einer Unterhaltung oder das Einnehmen von Medikamenten. Für diese Einschätzung wird in der Regel eine Bezugsperson gefragt. Dazu kommen zusätzliche, ausführlichere psychologische Tests, die eingesetzt werden, um eine unsichere Diagnose abzuklären. Die Tests werden regelmäßig wiederholt, um den Krankheitsverlauf sowie Behandlungserfolge zu beurteilen.

      Bildgebende Verfahren wie Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) werden in der Regel zur Diagnose eingesetzt. Damit wird einerseits die Vermutung einer Demenz bestätigt und andererseits kann so die genaue Form der Demenz herausgefunden werden. Dazu werden Bilder des Gehirns gemacht. Ärzte wenden CT- oder MRT-Bilder auch an, um andere, teils behandelbare Ursachen zu erkennen, etwa einen Hirntumor. Typisch für die Alzheimerkrankheit ist, dass sich das Hirngewebe verändert. Nicht zur Routinediagnostik, aber ebenfalls angewendet werden Verfahren wie die Positronenemissionstomografie (PET). Sie spürt der Stoffwechselaktivität im Gehirn nach und kann typische Alzheimerablagerungen (sogenannte senile Plaques) zeigen.

      Liquordiagnostik: Der Arzt entnimmt bei dieser Untersuchungsmethode Nervenwasser (Liquor) im Bereich der Lendenwirbelsäule. Zeigen sich die typischen Amyloid- und Tauproteine im Liquor, so bestätigt das mit sehr hoher Verlässlichkeit die Alzheimerdiagnose.

       2 Wissen wollen, was kommt

      „Liebe Mama, ich schicke dir ein paar Broschüren und Zeitschriftenartikel. Darin geht es auch um Menschen, die Alzheimer haben. Es gibt sogar Betroffene, die leben weiter alleine zu Hause. Da kommt dann vielleicht mal der Pflegedienst, aber sonst haben die nichts in ihrem Alltag geändert. Schau mal, denen geht es sogar ganz gut. In den Broschüren stehen viele praktische Tipps. Ich habe ein paar Ratgeber von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft bestellt, die lasse ich gleich zu euch schicken. Darin geht es um die Krankheit und die Medikamente, aber vor allem auch um den ganzen rechtlichen Kram mit Vorsorgen und Vollmachten.

      Ich habe mir ein Buch von einem amerikanischen Professor gekauft, der an Alzheimer leidet. Das fand ich beeindruckend. Selbst erkrankt sein und noch Bücher schreiben! Meine Kollegin hat mir auch zwei Bücher von zwei Betroffenen gegeben. Ich bringe das alles mit, wenn ich das nächste Mal zu euch komme. Ich habe in den vergangenen Tagen viel über Alzheimer gelesen. Am liebsten würde ich morgens aufwachen und der schreckliche Spuk namens Alzheimer wäre vorbei. Aber was jammere ich … Habe ich überhaupt ein Recht dazu?

      Am Anfang war ich geschockt, momentan fühle ich mich einfach nur überfordert. Ich finde es schade, dass ihr so weit weg seid. Ihr fehlt mir und vor allem würde ich euch gerne mehr helfen. Papa kämpft sich durch das ganze bürokratische Zeug und schimpft die ganze Zeit. Aber wenn ich ihm dann anbiete zu helfen und ihn bitte, mir die Unterlagen zu schicken, dann will er nicht. ‚Ich will dich nicht noch mehr belasten, als du es sowieso schon bist‘, hat er gesagt. Wie kann ich euch denn helfen? Ich habe mal durchgerechnet, wie viele Urlaubstage ich für dieses Jahr noch habe. Es sind 14. Die werde ich irgendwie um die Wochenenden legen und die Zeit dann bei euch verbringen. Ihr fehlt mir sehr, und ich würde mich gerne um all die Dinge, die erledigt werden müssen, kümmern.

      Ich hätte so gerne einen Masterplan, aber wie soll ich den aufstellen? Wer hilft mir dabei? Zu realisieren, dass du Alzheimer hast, ist immer noch schrecklich. Und die Tipps und Ratschläge von anderen helfen mir auch nicht. ‚Ihr könnt doch noch so viel Zeit zusammen verbringen‘, hat mir jemand gesagt. Ganz ehrlich: Das zählt null! Ich weiß nicht, wie lange diese Zeit ist und ich kann sie nicht genießen, ich habe immer den Zerfall vor Augen. Dieser schleichende Verlust, diese Ungewissheit ist einfach fürchterlich.

      Ich freue mich wahnsinnig, dass ihr nächste Woche bei mir seid. Bei mir und meiner kleinen Maus. Ich wünsche mir ein zweites Kind. Trotz all der Trauer wäre das doch ein Hoffnungsschimmer. Ich hoffe inständig, dass ein Baby auch gedeihen kann, wenn seine Mutter manchmal sehr, sehr traurig ist.“

      Auf der Suche nach Informationen

      Ich wollte gerne einen Plan haben. Ich wollte wissen, was da auf uns zukommen würde mit der Krankheit Alzheimer. Ich wollte wissen, was wir tun konnten. Also tat ich das, was ich als Journalistin am besten konnte: Ich recherchierte. Und ich recherchierte so gründlich wie nie zuvor. Ich suchte im Verlagsarchiv nach Artikeln über Alzheimer und Demenz und las, wie sich die verschiedenen Demenzformen unterscheiden. Ich bestellte Bücher und las bis in die Nacht hinein. Ich lernte, was die Unterschiede sind zu der normalen Vergesslichkeit, die im Alter bei fast jedem Menschen irgendwann auftritt. Dass sich Alzheimer nicht nur durch den Verlust der Erinnerungen und der Merkfähigkeit zeigt, sondern auch durch Probleme bei der Orientierung und Konzentration. Ich wollte all das wissen und saugte die Informationen auf wie ein Taschentuch, das man auf einen Wasserfleck legt. Ich hoffte, dieses Wissen würde mir einen Halt geben. Je mehr ich wusste, desto besser würde ich helfen können – und umso sicherer fühlte ich mich.

      Ich wollte wissen, wie Alzheimer verläuft. Ärzte teilen den Verlauf in drei Stadien ein – von leicht über mittel bis schwer. Ich suchte nach Angaben zur Dauer der Phasen und fand ganz unterschiedliche und vage Aussagen. Ich wollte wissen, wie lange meine Mama mit Alzheimer leben könnte. Wie viel Zeit würden wir noch miteinander haben?

      Ich suchte im Internet nach Medikamentenstudien und wollte wissen, welche Arzneimittel es gibt. War das, was Mama nahm, wirklich gut? Die Frage war eigentlich nicht, ob es gut war, sondern eher die: Gibt es etwas Besseres? Und die winzige Hoffnung, die jeder Betroffene, jeder Angehörige hat: Gibt es nicht vielleicht doch ein Wundermittel, das Alzheimer heilen kann? Mamas Arzt war klar gewesen: Medikamente können nicht heilen. Aber zu schön war die Vorstellung von einer Erfindung, die den Alzheimer verschwinden lassen könnte. Ich hing diesem Gedanken nicht sonderlich nach, ich wusste, dass er nur eine Fantasie war. Die Anwendung von Mamas


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